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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das fünffte Capitel.
Ob nun wol etwa möchte scheinen/ nicht nöthig zu seyn/ daß solche stücke hier
austrucke/ als welche sein eigen hertz ihm selbsten sagen wird/ so wird er mir
gleich wol auch nicht übelnehmen/ daß ich noch solche letzte erinnerung aus
treuem hertzen/ wie mir mein gewissen vor GOTT dessen zeugnüß gibet/ und
ich je keine andere ursach dieses schreibens habe/ an ihn thue. So viel ich nun
mich aus dem vorigen besinne/ so kömmet der ursprung aller vormals vorge-
gangenen unordnungen ursprünglich her von dem unfleiß in der arbeit/ und
dahero gekommenen liebe zur gesellschafft/ daraus ist entstanden spielen und
unmäßiges trincken/ aus solchem aber uneinige ehe und streit mit seiner sein
bestes suchenden hauß-frauen. Wie nun alle solche dergleichen sünden sind/
die ihn gleichwol in wahrhaffter übung seines Christen thums sehr zurück ge-
worffen haben/ allermassen man bey deroselben nachhängung GOTT nicht
gefallen hat können/ so sinds dabey auch solche dinge/ welche zulassen/ wo man
nur dem guten Geist bey sich platz lassen will/ weder unmöglich noch schwehr
sind. Jch will zwahr hoffen/ daß auf den hertzlichen vorsatz/ welchen seine
schrifft gegen mich bezeuget/ allerdings alle solche dinge werden unterlassen
worden seyn/ da alsdann meine christliche vermahnung allein dahin gehet/ auf
solchem guten weg immer fortzufahren/ und sich nicht wiederum auffs neue
davon durch den satan oder dessen werckzeuge jemals abwendig machen zu las-
sen. Wäre aber unverhofft das vorige leben biß daher in einem oder dem
andern stück wieder angehoben worden/ so vermahne und erinnere nochmal/
um GOttes willen bey zeiten von dem irrwege wiederum zurückzukehren/
und solchen sünden wahrhafftig und völlig durch göttliche gnade abzusterben.
Es soll denselben so vielmehr darzu antreiben/ wenn er bedenckt die grosse
wolthat/ die ihm der HErr erwiesen/ da er denselben aus dem finsternüß des
Papstums zu dem liecht des Evangelii gebracht hat/ aber eben deßwegen von
ihm desto ernstlicher fordert/ daß er auch würdiglich dem beruff des Evange-
lii wandeln solle: Da sonsten seine sünde jetzo schwehrer würde seyn/ als wo er
derselben in der unwissenheit des Papstums nachgehänget hätte/ auch weiln
jetzo das ärgernüß an ihm schwehrer ist/ da Papisten an ihm sehen solten/ daß
er nicht besser als andre lebte. Es soll auch denselben darzu bewegen/ weil er
gleichwol durch GOttes gnade eine gnugsame erkäntnüß dessen willens hat/
die ihn zu so viel ernstlicherer beobachtung desselben verbindet/ indem sonsten
der knecht/ der seines HErrn willen weiß/ und ihn nicht thut/ doppelte streiche
zu erwarten haben würde: Um so vielmehr/ weil derselbe nicht leugnen kan/
daß er nicht nur mehrmal darüber erinnert worden/ sondern auch sein eigen
hertz ihn unterschiedlich darob bestraffet habe: Da wir aber allezeit vor GOtt
schwehrere rechenschafft zu geben haben/ wo wir in unserm gewissen die gött-
liche bestraffung fühlen. Hierzu kommet auch/ daß er nicht in abrede seyn

wird

Das fuͤnffte Capitel.
Ob nun wol etwa moͤchte ſcheinen/ nicht noͤthig zu ſeyn/ daß ſolche ſtuͤcke hier
austrucke/ als welche ſein eigen hertz ihm ſelbſten ſagen wird/ ſo wird er mir
gleich wol auch nicht uͤbelnehmen/ daß ich noch ſolche letzte erinnerung aus
treuem hertzen/ wie mir mein gewiſſen vor GOTT deſſen zeugnuͤß gibet/ und
ich je keine andere urſach dieſes ſchreibens habe/ an ihn thue. So viel ich nun
mich aus dem vorigen beſinne/ ſo koͤmmet der urſprung aller vormals vorge-
gangenen unordnungen urſpruͤnglich her von dem unfleiß in der arbeit/ und
dahero gekommenen liebe zur geſellſchafft/ daraus iſt entſtanden ſpielen und
unmaͤßiges trincken/ aus ſolchem aber uneinige ehe und ſtreit mit ſeiner ſein
beſtes ſuchenden hauß-frauen. Wie nun alle ſolche dergleichen ſuͤnden ſind/
die ihn gleichwol in wahrhaffter uͤbung ſeines Chriſten thums ſehr zuruͤck ge-
worffen haben/ allermaſſen man bey deroſelben nachhaͤngung GOTT nicht
gefallen hat koͤnnen/ ſo ſinds dabey auch ſolche dinge/ welche zulaſſen/ wo man
nur dem guten Geiſt bey ſich platz laſſen will/ weder unmoͤglich noch ſchwehr
ſind. Jch will zwahr hoffen/ daß auf den hertzlichen vorſatz/ welchen ſeine
ſchrifft gegen mich bezeuget/ allerdings alle ſolche dinge werden unterlaſſen
worden ſeyn/ da alsdann meine chriſtliche vermahnung allein dahin gehet/ auf
ſolchem guten weg immer fortzufahren/ und ſich nicht wiederum auffs neue
davon durch den ſatan oder deſſen werckzeuge jemals abwendig machen zu laſ-
ſen. Waͤre aber unverhofft das vorige leben biß daher in einem oder dem
andern ſtuͤck wieder angehoben worden/ ſo vermahne und erinnere nochmal/
um GOttes willen bey zeiten von dem irrwege wiederum zuruͤckzukehren/
und ſolchen ſuͤnden wahrhafftig und voͤllig durch goͤttliche gnade abzuſterben.
Es ſoll denſelben ſo vielmehr darzu antreiben/ wenn er bedenckt die groſſe
wolthat/ die ihm der HErr erwieſen/ da er denſelben aus dem finſternuͤß des
Papſtums zu dem liecht des Evangelii gebracht hat/ aber eben deßwegen von
ihm deſto ernſtlicher fordert/ daß er auch wuͤrdiglich dem beruff des Evange-
lii wandeln ſolle: Da ſonſten ſeine ſuͤnde jetzo ſchwehrer wuͤrde ſeyn/ als wo er
derſelben in der unwiſſenheit des Papſtums nachgehaͤnget haͤtte/ auch weiln
jetzo das aͤrgernuͤß an ihm ſchwehrer iſt/ da Papiſten an ihm ſehen ſolten/ daß
er nicht beſſer als andre lebte. Es ſoll auch denſelben darzu bewegen/ weil er
gleichwol durch GOttes gnade eine gnugſame erkaͤntnuͤß deſſen willens hat/
die ihn zu ſo viel ernſtlicherer beobachtung deſſelben verbindet/ indem ſonſten
der knecht/ der ſeines HErrn willen weiß/ und ihn nicht thut/ doppelte ſtreiche
zu erwarten haben wuͤrde: Um ſo vielmehr/ weil derſelbe nicht leugnen kan/
daß er nicht nur mehrmal daruͤber erinnert worden/ ſondern auch ſein eigen
hertz ihn unterſchiedlich darob beſtraffet habe: Da wir aber allezeit vor GOtt
ſchwehrere rechenſchafft zu geben haben/ wo wir in unſerm gewiſſen die goͤtt-
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[704/0712] Das fuͤnffte Capitel. Ob nun wol etwa moͤchte ſcheinen/ nicht noͤthig zu ſeyn/ daß ſolche ſtuͤcke hier austrucke/ als welche ſein eigen hertz ihm ſelbſten ſagen wird/ ſo wird er mir gleich wol auch nicht uͤbelnehmen/ daß ich noch ſolche letzte erinnerung aus treuem hertzen/ wie mir mein gewiſſen vor GOTT deſſen zeugnuͤß gibet/ und ich je keine andere urſach dieſes ſchreibens habe/ an ihn thue. So viel ich nun mich aus dem vorigen beſinne/ ſo koͤmmet der urſprung aller vormals vorge- gangenen unordnungen urſpruͤnglich her von dem unfleiß in der arbeit/ und dahero gekommenen liebe zur geſellſchafft/ daraus iſt entſtanden ſpielen und unmaͤßiges trincken/ aus ſolchem aber uneinige ehe und ſtreit mit ſeiner ſein beſtes ſuchenden hauß-frauen. Wie nun alle ſolche dergleichen ſuͤnden ſind/ die ihn gleichwol in wahrhaffter uͤbung ſeines Chriſten thums ſehr zuruͤck ge- worffen haben/ allermaſſen man bey deroſelben nachhaͤngung GOTT nicht gefallen hat koͤnnen/ ſo ſinds dabey auch ſolche dinge/ welche zulaſſen/ wo man nur dem guten Geiſt bey ſich platz laſſen will/ weder unmoͤglich noch ſchwehr ſind. Jch will zwahr hoffen/ daß auf den hertzlichen vorſatz/ welchen ſeine ſchrifft gegen mich bezeuget/ allerdings alle ſolche dinge werden unterlaſſen worden ſeyn/ da alsdann meine chriſtliche vermahnung allein dahin gehet/ auf ſolchem guten weg immer fortzufahren/ und ſich nicht wiederum auffs neue davon durch den ſatan oder deſſen werckzeuge jemals abwendig machen zu laſ- ſen. Waͤre aber unverhofft das vorige leben biß daher in einem oder dem andern ſtuͤck wieder angehoben worden/ ſo vermahne und erinnere nochmal/ um GOttes willen bey zeiten von dem irrwege wiederum zuruͤckzukehren/ und ſolchen ſuͤnden wahrhafftig und voͤllig durch goͤttliche gnade abzuſterben. Es ſoll denſelben ſo vielmehr darzu antreiben/ wenn er bedenckt die groſſe wolthat/ die ihm der HErr erwieſen/ da er denſelben aus dem finſternuͤß des Papſtums zu dem liecht des Evangelii gebracht hat/ aber eben deßwegen von ihm deſto ernſtlicher fordert/ daß er auch wuͤrdiglich dem beruff des Evange- lii wandeln ſolle: Da ſonſten ſeine ſuͤnde jetzo ſchwehrer wuͤrde ſeyn/ als wo er derſelben in der unwiſſenheit des Papſtums nachgehaͤnget haͤtte/ auch weiln jetzo das aͤrgernuͤß an ihm ſchwehrer iſt/ da Papiſten an ihm ſehen ſolten/ daß er nicht beſſer als andre lebte. Es ſoll auch denſelben darzu bewegen/ weil er gleichwol durch GOttes gnade eine gnugſame erkaͤntnuͤß deſſen willens hat/ die ihn zu ſo viel ernſtlicherer beobachtung deſſelben verbindet/ indem ſonſten der knecht/ der ſeines HErrn willen weiß/ und ihn nicht thut/ doppelte ſtreiche zu erwarten haben wuͤrde: Um ſo vielmehr/ weil derſelbe nicht leugnen kan/ daß er nicht nur mehrmal daruͤber erinnert worden/ ſondern auch ſein eigen hertz ihn unterſchiedlich darob beſtraffet habe: Da wir aber allezeit vor GOtt ſchwehrere rechenſchafft zu geben haben/ wo wir in unſerm gewiſſen die goͤtt- liche beſtraffung fuͤhlen. Hierzu kommet auch/ daß er nicht in abrede ſeyn wird

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 704. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/712>, abgerufen am 23.11.2024.