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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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SECTIO XVIII.
es auch eben dasjenige/ was ohne viel bedencken/ oder daß sich jemand dar-
an ärgere/ täglich geschihet/ daß ein ehegatte seiner geschäffte wegen/ eine
zeitlang verreiset/ und solche zeit kein theil dem andern weder zu tische noch
bette beywohnet. Wie nun solches wider die eheliche pflicht nicht streitet/ so
sehe ich nicht/ warum nicht eben dergleichen in einem hause solte geschehen
können/ sonderlich bey denen/ bey welchen der gebrauch des ehebettes oh-
ne das unmüglich. Dieses einige mag entgegen gehalten werden/ daß sol-
ches nicht ohne ärgernüß geschehen könte/ wo andern kund würde/ daß dieje-
nigen/ die vor eheleute gehalten werden/ von ein ander abgesondert lebeten.
Aber solchen einwurff achte nicht mehrers auszurichten/ als daß einstheils
solche absonderung nicht auff immer oder etwa gar lange zeit angesehen seyn
müste/ andern theils solche separation also anzustellen/ wie etwa darzu wol
gelegenheit gemacht werden kan/ daß ausser hauses/ und die davon nicht
gnugsam wissenschafft haben/ andere dessen nicht gewahr werden: So denn
daß in dem übrigen/ ohne was beyder person anlanget/ einer dem andern/
durch die seinige alle treue und pflege inzwischen leisten lasse. Wie nun in
diesem vorschlag nichts finde/ das wider das gewissen oder göttliche ordnung
streitet/ also stehet hingegen zu bedencken/ ob aus diesem vorschlag viel nu-
tzen zu erwarten/ und es also ein zulängliches medium seye/ dem malo abzu-
helffen. Denn wir haben gehöret/ daß die absonderung nicht anders als
auff einige zeit angestellet werden könte/ so ist die durch entziehung der prae-
sentz
verhoffende besänfftigung der gemüther sehr zweiffelhafftig/ sonderlich
bey der verbitterung/die aus einer ursach kömmt/ welche durch solche absen-
ti
rung nicht auff gehoben wird/ sondern nach als vor bleibet. Hingegen wo
man je vor die Obrigkeit kommen muß/ (denn zu der gäntzlichen separation ist
dero autorität bloß dahin von nöthen) sehe ich abermal nicht/ was man vor
nutzen von solchem interims-mittel hätte oder wie bey jener die sache hie-
durch facilitirt werden möchte.

V. Den andern vorschlag belangende/ daß beyderseits freunde mit den
uneinigen eheleuten zusammen träten/ die vorige heyraths-pacta cassirten
und quoad temporalia zwischen beyden partheyen auff leben und sterben ei-
nen andern vergleich träffen/ darauff quoad thorum & mensam von ein
ander blieben/ und alsdenn erst sothaner dissolutionem einem Evangelischen
ehegericht mit allen circumstantien vortrügen und um ratification beteten:
finden sich in demselben unterschiedliche sachen zu mercken. Von den hey-
raths-pacten kan nichts gewisses sagen/ indem solche nicht gesehen: sind aber
in denselben diejenige formuln (welche offt mit eingerückt werden/ und aber
nicht eigenlich darzu gehören) anzutreffen/ daß sie einander zur ehe nehmen/
alle eheliche liebe und treue einander erweisen sollen etc. so können sie solche

pacta

SECTIO XVIII.
es auch eben dasjenige/ was ohne viel bedencken/ oder daß ſich jemand dar-
an aͤrgere/ taͤglich geſchihet/ daß ein ehegatte ſeiner geſchaͤffte wegen/ eine
zeitlang verreiſet/ und ſolche zeit kein theil dem andern weder zu tiſche noch
bette beywohnet. Wie nun ſolches wider die eheliche pflicht nicht ſtreitet/ ſo
ſehe ich nicht/ warum nicht eben dergleichen in einem hauſe ſolte geſchehen
koͤnnen/ ſonderlich bey denen/ bey welchen der gebrauch des ehebettes oh-
ne das unmuͤglich. Dieſes einige mag entgegen gehalten werden/ daß ſol-
ches nicht ohne aͤrgernuͤß geſchehen koͤnte/ wo andern kund wuͤrde/ daß dieje-
nigen/ die vor eheleute gehalten werden/ von ein ander abgeſondert lebeten.
Aber ſolchen einwurff achte nicht mehrers auszurichten/ als daß einstheils
ſolche abſonderung nicht auff immer oder etwa gar lange zeit angeſehen ſeyn
muͤſte/ andern theils ſolche ſeparation alſo anzuſtellen/ wie etwa darzu wol
gelegenheit gemacht werden kan/ daß auſſer hauſes/ und die davon nicht
gnugſam wiſſenſchafft haben/ andere deſſen nicht gewahr werden: So denn
daß in dem uͤbrigen/ ohne was beyder perſon anlanget/ einer dem andern/
durch die ſeinige alle treue und pflege inzwiſchen leiſten laſſe. Wie nun in
dieſem vorſchlag nichts finde/ das wider das gewiſſen oder goͤttliche ordnung
ſtreitet/ alſo ſtehet hingegen zu bedencken/ ob aus dieſem vorſchlag viel nu-
tzen zu erwarten/ und es alſo ein zulaͤngliches medium ſeye/ dem malo abzu-
helffen. Denn wir haben gehoͤret/ daß die abſonderung nicht anders als
auff einige zeit angeſtellet werden koͤnte/ ſo iſt die durch entziehung der præ-
ſentz
verhoffende beſaͤnfftigung der gemuͤther ſehr zweiffelhafftig/ ſonderlich
bey der verbitterung/die aus einer urſach koͤmmt/ welche durch ſolche abſen-
ti
rung nicht auff gehoben wird/ ſondern nach als vor bleibet. Hingegen wo
man je vor die Obrigkeit kommen muß/ (denn zu der gaͤntzlichen ſeparation iſt
dero autoritaͤt bloß dahin von noͤthen) ſehe ich abermal nicht/ was man vor
nutzen von ſolchem interims-mittel haͤtte oder wie bey jener die ſache hie-
durch facilitirt werden moͤchte.

V. Den andern vorſchlag belangende/ daß beyderſeits freunde mit den
uneinigen eheleuten zuſammen traͤten/ die vorige heyraths-pacta caſſirten
und quoad temporalia zwiſchen beyden partheyen auff leben und ſterben ei-
nen andern vergleich traͤffen/ darauff quoad thorum & menſam von ein
ander blieben/ und alsdenn erſt ſothaner diſſolutionem einem Evangeliſchen
ehegericht mit allen circumſtantien vortruͤgen und um ratification beteten:
finden ſich in demſelben unterſchiedliche ſachen zu mercken. Von den hey-
raths-pacten kan nichts gewiſſes ſagen/ indem ſolche nicht geſehen: ſind aber
in denſelben diejenige formuln (welche offt mit eingeruͤckt werden/ und aber
nicht eigenlich darzu gehoͤren) anzutreffen/ daß ſie einander zur ehe nehmen/
alle eheliche liebe und treue einander erweiſen ſollen ꝛc. ſo koͤnnen ſie ſolche

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[623/0631] SECTIO XVIII. es auch eben dasjenige/ was ohne viel bedencken/ oder daß ſich jemand dar- an aͤrgere/ taͤglich geſchihet/ daß ein ehegatte ſeiner geſchaͤffte wegen/ eine zeitlang verreiſet/ und ſolche zeit kein theil dem andern weder zu tiſche noch bette beywohnet. Wie nun ſolches wider die eheliche pflicht nicht ſtreitet/ ſo ſehe ich nicht/ warum nicht eben dergleichen in einem hauſe ſolte geſchehen koͤnnen/ ſonderlich bey denen/ bey welchen der gebrauch des ehebettes oh- ne das unmuͤglich. Dieſes einige mag entgegen gehalten werden/ daß ſol- ches nicht ohne aͤrgernuͤß geſchehen koͤnte/ wo andern kund wuͤrde/ daß dieje- nigen/ die vor eheleute gehalten werden/ von ein ander abgeſondert lebeten. Aber ſolchen einwurff achte nicht mehrers auszurichten/ als daß einstheils ſolche abſonderung nicht auff immer oder etwa gar lange zeit angeſehen ſeyn muͤſte/ andern theils ſolche ſeparation alſo anzuſtellen/ wie etwa darzu wol gelegenheit gemacht werden kan/ daß auſſer hauſes/ und die davon nicht gnugſam wiſſenſchafft haben/ andere deſſen nicht gewahr werden: So denn daß in dem uͤbrigen/ ohne was beyder perſon anlanget/ einer dem andern/ durch die ſeinige alle treue und pflege inzwiſchen leiſten laſſe. Wie nun in dieſem vorſchlag nichts finde/ das wider das gewiſſen oder goͤttliche ordnung ſtreitet/ alſo ſtehet hingegen zu bedencken/ ob aus dieſem vorſchlag viel nu- tzen zu erwarten/ und es alſo ein zulaͤngliches medium ſeye/ dem malo abzu- helffen. Denn wir haben gehoͤret/ daß die abſonderung nicht anders als auff einige zeit angeſtellet werden koͤnte/ ſo iſt die durch entziehung der præ- ſentz verhoffende beſaͤnfftigung der gemuͤther ſehr zweiffelhafftig/ ſonderlich bey der verbitterung/die aus einer urſach koͤmmt/ welche durch ſolche abſen- tirung nicht auff gehoben wird/ ſondern nach als vor bleibet. Hingegen wo man je vor die Obrigkeit kommen muß/ (denn zu der gaͤntzlichen ſeparation iſt dero autoritaͤt bloß dahin von noͤthen) ſehe ich abermal nicht/ was man vor nutzen von ſolchem interims-mittel haͤtte oder wie bey jener die ſache hie- durch facilitirt werden moͤchte. V. Den andern vorſchlag belangende/ daß beyderſeits freunde mit den uneinigen eheleuten zuſammen traͤten/ die vorige heyraths-pacta caſſirten und quoad temporalia zwiſchen beyden partheyen auff leben und ſterben ei- nen andern vergleich traͤffen/ darauff quoad thorum & menſam von ein ander blieben/ und alsdenn erſt ſothaner diſſolutionem einem Evangeliſchen ehegericht mit allen circumſtantien vortruͤgen und um ratification beteten: finden ſich in demſelben unterſchiedliche ſachen zu mercken. Von den hey- raths-pacten kan nichts gewiſſes ſagen/ indem ſolche nicht geſehen: ſind aber in denſelben diejenige formuln (welche offt mit eingeruͤckt werden/ und aber nicht eigenlich darzu gehoͤren) anzutreffen/ daß ſie einander zur ehe nehmen/ alle eheliche liebe und treue einander erweiſen ſollen ꝛc. ſo koͤnnen ſie ſolche pacta

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 623. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/631>, abgerufen am 25.11.2024.