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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
ter leumden und scham ist am tantz umkommen? Wie viel gehen vom
tantz unzüchtiger und wanckelmüthiger? keine aber keuscher. Durch
tantzen ist scham und keuschheit offtmals bestritten/ gestürmet und ge-
stürtzet worden. Und wer kan alles übel/ das augen und ohren bey
dem tantz schöpffen/ unzüchtig gespräch und greiffen mit sich bringen/
erzehlen? Leichtfertige hurische gebärden übet man nach süssem säiten-
spiel und unkeuschen liedern. Da begreifft man frauen und jung-
fern mit unkeuschen händen; man küsset einander mit hurischem um-
fahen: Und die glieder/ welche die natur verborgen/ und scham bede-
cket hat/ entblösset offtmals geilheit/ und unter dem mäntlein einer
kurtzweile und spieles wird schand und laster bedecket. Wo beschieht
mehr übermuth/ trutzes/ mordens/ verachtung anderer/ erhebung
und fürtragung seiner selbs/ denn eben am tantz? Wie kan nun dieses
ein guter baum seyn/ der solche schändliche/ ärgerliche/ ehrlose und höl-
lische früchte/ träget. Zeig mir aber einen welt-tantz je beschehen/ der
nicht diese früchte zum theil/ oder alle mit sich bringet. So nun nie
keine gute frucht aus der welt tantzen entsprossen ist/ sondern allewege
böses erwächset/ kan ja der baum nicht gut seyn/ und deßhalben auch
nicht aus GOTT.
Er gehet nachmal noch weiter/ cap. 2. Alle werck/
darinnen man GOttes ordnung/ wort und befehl nicht hat/ sind sün-
de und böß. Tantzen hat nicht GOttes ordnung/ wort noch befehl/
darum ist tantzen böß und sünde. Es soll ja aller Christen thun und
leben aus GOttes ordnung und wort herfliessen/ und also aus glau-
ben gehen/ sonsten ists alles sünde/ was wir leben und thun. Nun
zeige mir einen buchstaben aus GOttes wort/ daß tantzen GOttes
ordnung/ wort und befehl habe. Denn die gründe aus der H. schrifft
mit den haaren gezogen/ damit tantzen/ daß es nicht sünde seye/ ver-
meinet wird zu erhalten/ helffen nicht/ werden auch nicht nach dem
sinn und meinung des Geistes GOttes/ sondern fleischlich und gar
nicht mit wahrer auslegung angezogen und vorgetragen.
Biß hie-
her M. Ambach/ dessen worte/ so ferne sie auf die praxin des bey uns üblichen
tantzens gezogen werden/ nicht aber das tantzen abstrahirt von aller dieser
begleitenden und folgenden unordnung gemeinet wird/ wol paßiren mögen.

II. Stehet das herumlauffen und springen/ (welches/ wo es einer von
weitem sihet/ der etwa das spielen nicht höret/ sondern allein das untereinan-
der-lauffen und übrige gestus gewahr wird/ nicht wol anders ansehen kan/ als

ob

Das dritte Capitel.
ter leumden und ſcham iſt am tantz umkommen? Wie viel gehen vom
tantz unzuͤchtiger und wanckelmuͤthiger? keine aber keuſcher. Durch
tantzen iſt ſcham und keuſchheit offtmals beſtritten/ geſtuͤrmet und ge-
ſtuͤrtzet worden. Und wer kan alles uͤbel/ das augen und ohren bey
dem tantz ſchoͤpffen/ unzuͤchtig geſpraͤch und greiffen mit ſich bringen/
erzehlen? Leichtfertige huriſche gebaͤrden uͤbet man nach ſuͤſſem ſaͤiten-
ſpiel und unkeuſchen liedern. Da begreifft man frauen und jung-
fern mit unkeuſchen haͤnden; man kuͤſſet einander mit huriſchem um-
fahen: Und die glieder/ welche die natur verborgen/ und ſcham bede-
cket hat/ entbloͤſſet offtmals geilheit/ und unter dem maͤntlein einer
kurtzweile und ſpieles wird ſchand und laſter bedecket. Wo beſchieht
mehr uͤbermuth/ trutzes/ mordens/ verachtung anderer/ erhebung
und fuͤrtragung ſeiner ſelbs/ denn eben am tantz? Wie kan nun dieſes
ein guter baum ſeyn/ der ſolche ſchaͤndliche/ aͤrgerliche/ ehrloſe und hoͤl-
liſche fruͤchte/ traͤget. Zeig mir aber einen welt-tantz je beſchehen/ der
nicht dieſe fruͤchte zum theil/ oder alle mit ſich bringet. So nun nie
keine gute frucht aus der welt tantzen entſproſſen iſt/ ſondern allewege
boͤſes erwaͤchſet/ kan ja der baum nicht gut ſeyn/ und deßhalben auch
nicht aus GOTT.
Er gehet nachmal noch weiter/ cap. 2. Alle werck/
darinnen man GOttes ordnung/ wort und befehl nicht hat/ ſind ſuͤn-
de und boͤß. Tantzen hat nicht GOttes ordnung/ wort noch befehl/
darum iſt tantzen boͤß und ſuͤnde. Es ſoll ja aller Chriſten thun und
leben aus GOttes ordnung und wort herflieſſen/ und alſo aus glau-
ben gehen/ ſonſten iſts alles ſuͤnde/ was wir leben und thun. Nun
zeige mir einen buchſtaben aus GOttes wort/ daß tantzen GOttes
ordnung/ wort und befehl habe. Denn die gruͤnde aus der H. ſchrifft
mit den haaren gezogen/ damit tantzen/ daß es nicht ſuͤnde ſeye/ ver-
meinet wird zu erhalten/ helffen nicht/ werden auch nicht nach dem
ſinn und meinung des Geiſtes GOttes/ ſondern fleiſchlich und gar
nicht mit wahrer auslegung angezogen und vorgetragen.
Biß hie-
her M. Ambach/ deſſen worte/ ſo ferne ſie auf die praxin des bey uns uͤblichen
tantzens gezogen werden/ nicht aber das tantzen abſtrahirt von aller dieſer
begleitenden und folgenden unordnung gemeinet wird/ wol paßiren moͤgen.

II. Stehet das herumlauffen und ſpringen/ (welches/ wo es einer von
weitem ſihet/ der etwa das ſpielen nicht hoͤret/ ſondern allein das untereinan-
der-lauffen und uͤbrige geſtus gewahr wird/ nicht wol anders anſehen kan/ als

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[486/0494] Das dritte Capitel. ter leumden und ſcham iſt am tantz umkommen? Wie viel gehen vom tantz unzuͤchtiger und wanckelmuͤthiger? keine aber keuſcher. Durch tantzen iſt ſcham und keuſchheit offtmals beſtritten/ geſtuͤrmet und ge- ſtuͤrtzet worden. Und wer kan alles uͤbel/ das augen und ohren bey dem tantz ſchoͤpffen/ unzuͤchtig geſpraͤch und greiffen mit ſich bringen/ erzehlen? Leichtfertige huriſche gebaͤrden uͤbet man nach ſuͤſſem ſaͤiten- ſpiel und unkeuſchen liedern. Da begreifft man frauen und jung- fern mit unkeuſchen haͤnden; man kuͤſſet einander mit huriſchem um- fahen: Und die glieder/ welche die natur verborgen/ und ſcham bede- cket hat/ entbloͤſſet offtmals geilheit/ und unter dem maͤntlein einer kurtzweile und ſpieles wird ſchand und laſter bedecket. Wo beſchieht mehr uͤbermuth/ trutzes/ mordens/ verachtung anderer/ erhebung und fuͤrtragung ſeiner ſelbs/ denn eben am tantz? Wie kan nun dieſes ein guter baum ſeyn/ der ſolche ſchaͤndliche/ aͤrgerliche/ ehrloſe und hoͤl- liſche fruͤchte/ traͤget. Zeig mir aber einen welt-tantz je beſchehen/ der nicht dieſe fruͤchte zum theil/ oder alle mit ſich bringet. So nun nie keine gute frucht aus der welt tantzen entſproſſen iſt/ ſondern allewege boͤſes erwaͤchſet/ kan ja der baum nicht gut ſeyn/ und deßhalben auch nicht aus GOTT. Er gehet nachmal noch weiter/ cap. 2. Alle werck/ darinnen man GOttes ordnung/ wort und befehl nicht hat/ ſind ſuͤn- de und boͤß. Tantzen hat nicht GOttes ordnung/ wort noch befehl/ darum iſt tantzen boͤß und ſuͤnde. Es ſoll ja aller Chriſten thun und leben aus GOttes ordnung und wort herflieſſen/ und alſo aus glau- ben gehen/ ſonſten iſts alles ſuͤnde/ was wir leben und thun. Nun zeige mir einen buchſtaben aus GOttes wort/ daß tantzen GOttes ordnung/ wort und befehl habe. Denn die gruͤnde aus der H. ſchrifft mit den haaren gezogen/ damit tantzen/ daß es nicht ſuͤnde ſeye/ ver- meinet wird zu erhalten/ helffen nicht/ werden auch nicht nach dem ſinn und meinung des Geiſtes GOttes/ ſondern fleiſchlich und gar nicht mit wahrer auslegung angezogen und vorgetragen. Biß hie- her M. Ambach/ deſſen worte/ ſo ferne ſie auf die praxin des bey uns uͤblichen tantzens gezogen werden/ nicht aber das tantzen abſtrahirt von aller dieſer begleitenden und folgenden unordnung gemeinet wird/ wol paßiren moͤgen. II. Stehet das herumlauffen und ſpringen/ (welches/ wo es einer von weitem ſihet/ der etwa das ſpielen nicht hoͤret/ ſondern allein das untereinan- der-lauffen und uͤbrige geſtus gewahr wird/ nicht wol anders anſehen kan/ als ob

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/494>, abgerufen am 23.11.2024.