Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

ARTIC. IV. SECTIO XVII.
nicht einmal ein versuch dessen zu thun/ als der niemal ohne praejudiz unsrer
kirchen geschihet. So ist bey mir dieses gewiß vorausgesetzt/ Babel muß
nach GOttes wort in dessen gericht fallen/ nicht aber mit uns vereiniget wer-
den/ als die wir immer lieber weiter aus demselben ausgehen/ als uns ihm
nähern solten. 2. Mit den Reformirten und Arminianern wäre die sache
nicht absolute und in sich unmüglich: Aber betrachtet die bewandnüß der ge-
müther aller seiten/ sonderlich des so genannten geistlichen standes bey den
partheyen/ und wie dieselbe gegen einander stehen/ so halte ich sie gleichfals
moraliter unmöglich. Ja ich stehe in billiger sorge/ wo mit einigem ernst
das werck angegriffen werden solte/ entweder GOTT gleichsam ein wunder-
werck thun müsse/ oder wir solten/ zum exempel von uns und den Reformir-
ten zu reden/ viel eher an statt der 2. partheyen/ in die wir jetzt getheilet sind/
drey oder viere bekommen/ und also der riß nur ärger werden/ als daß eine
wahre vereinigung werckstellig gemacht werden dörffte. Daher mir das
gantze werck über menschliches vermögen zu seyn vorkommet/ weil solche hin-
dernüssen im weg stehen/ welche wegzuräumen jenes zu schwach ist/ und möch-
te deßwegen bloß demjenigen überlassen werden müssen/ der unmögliche din-
ge zum zeugnüß seiner allmacht möglich machen kan. Jch förchte aber/ er
habe in seinem rath gar andre dinge über unsre kirche beschlossen/ die wir nach
nicht so langer zeit erfahren dörfften: Und werde wol endlich eine einigkeit
stifften/ aber daß alle theile erstlich in ein scharffes feuer werden müssen/ da die-
jenige gleichsam werden zusammen geschmoltzen werden/ die sich nicht zusam-
men haben löten lassen. Es wird aber auch dafür allein derjenige sorgen/
dessen ehre und sache es hauptsächlich betrifft. 1689.

SECTIO XVIII.
Uber einen casum, da jemand sein weltliches amt
verlassen/ und um stilleres lebens willen sich in sein
vaterland begeben hat.

VOn dessen mutation, daß er seinen dienst in N. verlassen/ und in sein va-
terland wieder gezogen seye/ zu urtheilen/ wolte mir nicht geziehmen;
wann aber mein werther Herr selbs meine gedancken davon erfordert/
und seine scrupulos mir vorleget/ erkühne gleichwol meine einfältige mei-
nung offenhertzig hinwieder vorzustellen/ als der ich mich versichere/ daß auch
solche in liebe werde auffgenommen werden. 1. Finde ich wegen der verän-
derung nicht wenig bedencken/ (1. stunde derselbe in N. in einer ordenlichen
und solchen vocation, da er gleichwol zu GOttes ehren bey dem gemeinen
wesen etwas auszurichten vermochte/ wie dann (2. die oppositiones der übel-

ge-
L l l 3

ARTIC. IV. SECTIO XVII.
nicht einmal ein verſuch deſſen zu thun/ als der niemal ohne præjudiz unſrer
kirchen geſchihet. So iſt bey mir dieſes gewiß vorausgeſetzt/ Babel muß
nach GOttes wort in deſſen gericht fallen/ nicht aber mit uns vereiniget wer-
den/ als die wir immer lieber weiter aus demſelben ausgehen/ als uns ihm
naͤhern ſolten. 2. Mit den Reformirten und Arminianern waͤre die ſache
nicht abſolutè und in ſich unmuͤglich: Aber betrachtet die bewandnuͤß der ge-
muͤther aller ſeiten/ ſonderlich des ſo genannten geiſtlichen ſtandes bey den
partheyen/ und wie dieſelbe gegen einander ſtehen/ ſo halte ich ſie gleichfals
moraliter unmoͤglich. Ja ich ſtehe in billiger ſorge/ wo mit einigem ernſt
das werck angegriffen werden ſolte/ entweder GOTT gleichſam ein wunder-
werck thun muͤſſe/ oder wir ſolten/ zum exempel von uns und den Reformir-
ten zu reden/ viel eher an ſtatt der 2. partheyen/ in die wir jetzt getheilet ſind/
drey oder viere bekommen/ und alſo der riß nur aͤrger werden/ als daß eine
wahre vereinigung werckſtellig gemacht werden doͤrffte. Daher mir das
gantze werck uͤber menſchliches vermoͤgen zu ſeyn vorkommet/ weil ſolche hin-
dernuͤſſen im weg ſtehen/ welche wegzuraͤumen jenes zu ſchwach iſt/ und moͤch-
te deßwegen bloß demjenigen uͤberlaſſen werden muͤſſen/ der unmoͤgliche din-
ge zum zeugnuͤß ſeiner allmacht moͤglich machen kan. Jch foͤrchte aber/ er
habe in ſeinem rath gar andre dinge uͤber unſre kirche beſchloſſen/ die wir nach
nicht ſo langer zeit erfahren doͤrfften: Und werde wol endlich eine einigkeit
ſtifften/ aber daß alle theile erſtlich in ein ſcharffes feuer werden muͤſſen/ da die-
jenige gleichſam werden zuſammen geſchmoltzen werden/ die ſich nicht zuſam-
men haben loͤten laſſen. Es wird aber auch dafuͤr allein derjenige ſorgen/
deſſen ehre und ſache es hauptſaͤchlich betrifft. 1689.

SECTIO XVIII.
Uber einen caſum, da jemand ſein weltliches amt
verlaſſen/ und um ſtilleres lebens willen ſich in ſein
vaterland begeben hat.

VOn deſſen mutation, daß er ſeinen dienſt in N. verlaſſen/ und in ſein va-
terland wieder gezogen ſeye/ zu urtheilen/ wolte mir nicht geziehmen;
wann aber mein werther Herr ſelbs meine gedancken davon erfordert/
und ſeine ſcrupulos mir vorleget/ erkuͤhne gleichwol meine einfaͤltige mei-
nung offenhertzig hinwieder vorzuſtellen/ als der ich mich verſichere/ daß auch
ſolche in liebe werde auffgenommen werden. 1. Finde ich wegen der veraͤn-
derung nicht wenig bedencken/ (1. ſtunde derſelbe in N. in einer ordenlichen
und ſolchen vocation, da er gleichwol zu GOttes ehren bey dem gemeinen
weſen etwas auszurichten vermochte/ wie dann (2. die oppoſitiones der uͤbel-

ge-
L l l 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0461" n="453"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">ARTIC. IV. SECTIO</hi> XVII.</hi></hi></fw><lb/>
nicht einmal ein ver&#x017F;uch de&#x017F;&#x017F;en zu thun/ als der niemal ohne <hi rendition="#aq">præjudiz</hi> un&#x017F;rer<lb/>
kirchen ge&#x017F;chihet. So i&#x017F;t bey mir die&#x017F;es gewiß vorausge&#x017F;etzt/ Babel muß<lb/>
nach GOttes wort in de&#x017F;&#x017F;en gericht fallen/ nicht aber mit uns vereiniget wer-<lb/>
den/ als die wir immer lieber weiter aus dem&#x017F;elben ausgehen/ als uns ihm<lb/>
na&#x0364;hern &#x017F;olten. 2. Mit den Reformirten und Arminianern wa&#x0364;re die &#x017F;ache<lb/>
nicht <hi rendition="#aq">ab&#x017F;olutè</hi> und in &#x017F;ich unmu&#x0364;glich: Aber betrachtet die bewandnu&#x0364;ß der ge-<lb/>
mu&#x0364;ther aller &#x017F;eiten/ &#x017F;onderlich des &#x017F;o genannten gei&#x017F;tlichen &#x017F;tandes bey den<lb/>
partheyen/ und wie die&#x017F;elbe gegen einander &#x017F;tehen/ &#x017F;o halte ich &#x017F;ie gleichfals<lb/><hi rendition="#aq">moraliter</hi> unmo&#x0364;glich. Ja ich &#x017F;tehe in billiger &#x017F;orge/ wo mit einigem ern&#x017F;t<lb/>
das werck angegriffen werden &#x017F;olte/ entweder GOTT gleich&#x017F;am ein wunder-<lb/>
werck thun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e/ oder wir &#x017F;olten/ zum exempel von uns und den Reformir-<lb/>
ten zu reden/ viel eher an &#x017F;tatt der 2. partheyen/ in die wir jetzt getheilet &#x017F;ind/<lb/>
drey oder viere bekommen/ und al&#x017F;o der riß nur a&#x0364;rger werden/ als daß eine<lb/>
wahre vereinigung werck&#x017F;tellig gemacht werden do&#x0364;rffte. Daher mir das<lb/>
gantze werck u&#x0364;ber men&#x017F;chliches vermo&#x0364;gen zu &#x017F;eyn vorkommet/ weil &#x017F;olche hin-<lb/>
dernu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en im weg &#x017F;tehen/ welche wegzura&#x0364;umen jenes zu &#x017F;chwach i&#x017F;t/ und mo&#x0364;ch-<lb/>
te deßwegen bloß demjenigen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ der unmo&#x0364;gliche din-<lb/>
ge zum zeugnu&#x0364;ß &#x017F;einer allmacht mo&#x0364;glich machen kan. Jch fo&#x0364;rchte aber/ er<lb/>
habe in &#x017F;einem rath gar andre dinge u&#x0364;ber un&#x017F;re kirche be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en/ die wir nach<lb/>
nicht &#x017F;o langer zeit erfahren do&#x0364;rfften: Und werde wol endlich eine einigkeit<lb/>
&#x017F;tifften/ aber daß alle theile er&#x017F;tlich in ein &#x017F;charffes feuer werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en/ da die-<lb/>
jenige gleich&#x017F;am werden zu&#x017F;ammen ge&#x017F;chmoltzen werden/ die &#x017F;ich nicht zu&#x017F;am-<lb/>
men haben lo&#x0364;ten la&#x017F;&#x017F;en. Es wird aber auch dafu&#x0364;r allein derjenige &#x017F;orgen/<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en ehre und &#x017F;ache es haupt&#x017F;a&#x0364;chlich betrifft. 1689.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO XVIII</hi>.</hi><lb/>
Uber einen <hi rendition="#aq">ca&#x017F;um,</hi> da jemand &#x017F;ein weltliches amt<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;en/ und um &#x017F;tilleres lebens willen &#x017F;ich in &#x017F;ein<lb/>
vaterland begeben hat.</hi> </head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">V</hi>On de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#aq">mutation,</hi> daß er &#x017F;einen dien&#x017F;t in <hi rendition="#aq">N.</hi> verla&#x017F;&#x017F;en/ und in &#x017F;ein va-<lb/>
terland wieder gezogen &#x017F;eye/ zu urtheilen/ wolte mir nicht geziehmen;<lb/>
wann aber mein werther Herr &#x017F;elbs meine gedancken davon erfordert/<lb/>
und &#x017F;eine <hi rendition="#aq">&#x017F;crupulos</hi> mir vorleget/ erku&#x0364;hne gleichwol meine einfa&#x0364;ltige mei-<lb/>
nung offenhertzig hinwieder vorzu&#x017F;tellen/ als der ich mich ver&#x017F;ichere/ daß auch<lb/>
&#x017F;olche in liebe werde auffgenommen werden. 1. Finde ich wegen der vera&#x0364;n-<lb/>
derung nicht wenig bedencken/ (1. &#x017F;tunde der&#x017F;elbe in <hi rendition="#aq">N.</hi> in einer ordenlichen<lb/>
und &#x017F;olchen <hi rendition="#aq">vocation,</hi> da er gleichwol zu GOttes ehren bey dem gemeinen<lb/>
we&#x017F;en etwas auszurichten vermochte/ wie dann (2. die <hi rendition="#aq">oppo&#x017F;itiones</hi> der u&#x0364;bel-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L l l 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ge-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[453/0461] ARTIC. IV. SECTIO XVII. nicht einmal ein verſuch deſſen zu thun/ als der niemal ohne præjudiz unſrer kirchen geſchihet. So iſt bey mir dieſes gewiß vorausgeſetzt/ Babel muß nach GOttes wort in deſſen gericht fallen/ nicht aber mit uns vereiniget wer- den/ als die wir immer lieber weiter aus demſelben ausgehen/ als uns ihm naͤhern ſolten. 2. Mit den Reformirten und Arminianern waͤre die ſache nicht abſolutè und in ſich unmuͤglich: Aber betrachtet die bewandnuͤß der ge- muͤther aller ſeiten/ ſonderlich des ſo genannten geiſtlichen ſtandes bey den partheyen/ und wie dieſelbe gegen einander ſtehen/ ſo halte ich ſie gleichfals moraliter unmoͤglich. Ja ich ſtehe in billiger ſorge/ wo mit einigem ernſt das werck angegriffen werden ſolte/ entweder GOTT gleichſam ein wunder- werck thun muͤſſe/ oder wir ſolten/ zum exempel von uns und den Reformir- ten zu reden/ viel eher an ſtatt der 2. partheyen/ in die wir jetzt getheilet ſind/ drey oder viere bekommen/ und alſo der riß nur aͤrger werden/ als daß eine wahre vereinigung werckſtellig gemacht werden doͤrffte. Daher mir das gantze werck uͤber menſchliches vermoͤgen zu ſeyn vorkommet/ weil ſolche hin- dernuͤſſen im weg ſtehen/ welche wegzuraͤumen jenes zu ſchwach iſt/ und moͤch- te deßwegen bloß demjenigen uͤberlaſſen werden muͤſſen/ der unmoͤgliche din- ge zum zeugnuͤß ſeiner allmacht moͤglich machen kan. Jch foͤrchte aber/ er habe in ſeinem rath gar andre dinge uͤber unſre kirche beſchloſſen/ die wir nach nicht ſo langer zeit erfahren doͤrfften: Und werde wol endlich eine einigkeit ſtifften/ aber daß alle theile erſtlich in ein ſcharffes feuer werden muͤſſen/ da die- jenige gleichſam werden zuſammen geſchmoltzen werden/ die ſich nicht zuſam- men haben loͤten laſſen. Es wird aber auch dafuͤr allein derjenige ſorgen/ deſſen ehre und ſache es hauptſaͤchlich betrifft. 1689. SECTIO XVIII. Uber einen caſum, da jemand ſein weltliches amt verlaſſen/ und um ſtilleres lebens willen ſich in ſein vaterland begeben hat. VOn deſſen mutation, daß er ſeinen dienſt in N. verlaſſen/ und in ſein va- terland wieder gezogen ſeye/ zu urtheilen/ wolte mir nicht geziehmen; wann aber mein werther Herr ſelbs meine gedancken davon erfordert/ und ſeine ſcrupulos mir vorleget/ erkuͤhne gleichwol meine einfaͤltige mei- nung offenhertzig hinwieder vorzuſtellen/ als der ich mich verſichere/ daß auch ſolche in liebe werde auffgenommen werden. 1. Finde ich wegen der veraͤn- derung nicht wenig bedencken/ (1. ſtunde derſelbe in N. in einer ordenlichen und ſolchen vocation, da er gleichwol zu GOttes ehren bey dem gemeinen weſen etwas auszurichten vermochte/ wie dann (2. die oppoſitiones der uͤbel- ge- L l l 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/461
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/461>, abgerufen am 23.11.2024.