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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. III. SECTIO VIII.
der. Sonderlich aber müssen wir bedencken/ daß nach obig angedeutetem
fall der ehestand eine artzney seye gegen die sünde/ welches sonderlich auf die-
ses ehliche werck gehet/ und also zeiget/ daß dasselbige/ wo es zu abwendung
und vermeidung anderer unzüchtiger/ nicht nur wercke/ sondern auch entbren-
nender begierden/ und etwa folgender allerley verunreinigung/ geschihet/ so ist
dieses unser elend/ daß wir eines solchen mittels bedörffen/ ein stück unserer
sündlichen verderbnüß/ so dann die etwa dabey fühlende gelüste/ wiederum
mit demuth vor GOTT zu erkennen/ das mittel aber an sich selbs ist alsdann
um göttlicher ordnung willen gut und GOTT nicht mißfällig. Hievon
sagt abermal Lutherus Tom. I. Alt. f. 300. a. Derhalben ist der ehliche
stand nun nicht vielmehr rein und ohne sünde/ (nemlich wie er vor dem
fall gewesen wäre) und die fleischliche anfechtung so groß und wütend
worden/ daß der ehliche stand nun hinfort gleich ein spital der siechen
ist/ auf daß sie nicht in schwehrere sünde fallen.
Jtem Kirchen post. W.T.
f. 304. a. Wiewol auch im ehestand diß maaß solte gehalten werden
unter den Christen/ daß es eine eheliche pflicht/ die aus noth/ zu mei-
den unkeuschheit und unreinigkeit/ gefordert und geleistet werde.
Sintemal hinfort das nicht viel geschehen kan/ daß man allein zur
frucht sich zusammen finde/ welches das beste wär/ und wol recht seyn
solte.
Jn solchem siechen hauß/ wie Lutherus redet/ gönnet uns GOTT
diese von ihm verordnete artzney/ und wer sie mäßig brauchet/ sündiget darin-
nen nicht. (7. Solches ist sonderlich zu mercken von dem stand der weibs-
personen/ da dieselbe von GOTT gesegnet sind/ und also der haupt zweck der
erzeugung nicht weiter um solche zeit platz hat. Als um welches zustandes
willen die meiste frage und sorge der zarten gewissen entstehet. Wo wir aber
des heiligen Apostels unbedingte wort und was unser Lutherus dabey be-
mercket/ fleißig erwegen/ werden wir erkennen/ daß wir auch darinnen den ge-
wissen keinen strick anzuwerffen haben: um so vielmehr/ weil in dem gegen-
theil/ da in solcher zeit diese ehliche freundschafft niemal platz hätte/ nicht nur
der ehestand denjenigen zweck der vermeidung aller unkeuschheit (um welcher
willen er ihrer vielen nöthig ist) nicht erreichen/ sondern vielmehr das gegen-
theil erfolgen würde/ daß er eine gelegenheit werden könte/ in viel schwehrer
brunst (zu dero abwendung gleichwol GOTT diesen stand uns gegönnet)
die meiste zeit zubringen zu müssen/ indem der ehestand auffs wenigste einen
viel stätigern umgang der eheleute bey tag und nacht in sich fassen/ und also
eine offtmaligere reitzung und erweckung natürlicher lüste gegen einander
veranlassen mag/ da ausser demselbigen/ weil weniger anlaß zu regung der lü-
sten vorhauden/ noch eher solche brunst verhüter werden könte. Nun hat

aber
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ARTIC. III. SECTIO VIII.
der. Sonderlich aber muͤſſen wir bedencken/ daß nach obig angedeutetem
fall der eheſtand eine artzney ſeye gegen die ſuͤnde/ welches ſonderlich auf die-
ſes ehliche werck gehet/ und alſo zeiget/ daß daſſelbige/ wo es zu abwendung
und vermeidung anderer unzuͤchtiger/ nicht nur wercke/ ſondern auch entbren-
nender begierden/ und etwa folgender allerley verunreinigung/ geſchihet/ ſo iſt
dieſes unſer elend/ daß wir eines ſolchen mittels bedoͤrffen/ ein ſtuͤck unſerer
ſuͤndlichen verderbnuͤß/ ſo dann die etwa dabey fuͤhlende geluͤſte/ wiederum
mit demuth vor GOTT zu erkennen/ das mittel aber an ſich ſelbs iſt alsdann
um goͤttlicher ordnung willen gut und GOTT nicht mißfaͤllig. Hievon
ſagt abermal Lutherus Tom. I. Alt. f. 300. a. Derhalben iſt der ehliche
ſtand nun nicht vielmehr rein und ohne ſuͤnde/ (nemlich wie er vor dem
fall geweſen waͤre) und die fleiſchliche anfechtung ſo groß und wuͤtend
worden/ daß der ehliche ſtand nun hinfort gleich ein ſpital der ſiechen
iſt/ auf daß ſie nicht in ſchwehrere ſuͤnde fallen.
Jtem Kirchen poſt. W.T.
f. 304. a. Wiewol auch im eheſtand diß maaß ſolte gehalten werden
unter den Chriſten/ daß es eine eheliche pflicht/ die aus noth/ zu mei-
den unkeuſchheit und unreinigkeit/ gefordert und geleiſtet werde.
Sintemal hinfort das nicht viel geſchehen kan/ daß man allein zur
frucht ſich zuſammen finde/ welches das beſte waͤr/ und wol recht ſeyn
ſolte.
Jn ſolchem ſiechen hauß/ wie Lutherus redet/ goͤnnet uns GOTT
dieſe von ihm verordnete artzney/ und wer ſie maͤßig brauchet/ ſuͤndiget darin-
nen nicht. (7. Solches iſt ſonderlich zu mercken von dem ſtand der weibs-
perſonen/ da dieſelbe von GOTT geſegnet ſind/ und alſo der haupt zweck der
erzeugung nicht weiter um ſolche zeit platz hat. Als um welches zuſtandes
willen die meiſte frage und ſorge der zarten gewiſſen entſtehet. Wo wir aber
des heiligen Apoſtels unbedingte wort und was unſer Lutherus dabey be-
mercket/ fleißig erwegen/ werden wir erkennen/ daß wir auch darinnen den ge-
wiſſen keinen ſtrick anzuwerffen haben: um ſo vielmehr/ weil in dem gegen-
theil/ da in ſolcher zeit dieſe ehliche freundſchafft niemal platz haͤtte/ nicht nur
der eheſtand denjenigen zweck der vermeidung aller unkeuſchheit (um welcher
willen er ihrer vielen noͤthig iſt) nicht erreichen/ ſondern vielmehr das gegen-
theil erfolgen wuͤrde/ daß er eine gelegenheit werden koͤnte/ in viel ſchwehrer
brunſt (zu dero abwendung gleichwol GOTT dieſen ſtand uns gegoͤnnet)
die meiſte zeit zubringen zu muͤſſen/ indem der eheſtand auffs wenigſte einen
viel ſtaͤtigern umgang der eheleute bey tag und nacht in ſich faſſen/ und alſo
eine offtmaligere reitzung und erweckung natuͤrlicher luͤſte gegen einander
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aber
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[317/0325] ARTIC. III. SECTIO VIII. der. Sonderlich aber muͤſſen wir bedencken/ daß nach obig angedeutetem fall der eheſtand eine artzney ſeye gegen die ſuͤnde/ welches ſonderlich auf die- ſes ehliche werck gehet/ und alſo zeiget/ daß daſſelbige/ wo es zu abwendung und vermeidung anderer unzuͤchtiger/ nicht nur wercke/ ſondern auch entbren- nender begierden/ und etwa folgender allerley verunreinigung/ geſchihet/ ſo iſt dieſes unſer elend/ daß wir eines ſolchen mittels bedoͤrffen/ ein ſtuͤck unſerer ſuͤndlichen verderbnuͤß/ ſo dann die etwa dabey fuͤhlende geluͤſte/ wiederum mit demuth vor GOTT zu erkennen/ das mittel aber an ſich ſelbs iſt alsdann um goͤttlicher ordnung willen gut und GOTT nicht mißfaͤllig. Hievon ſagt abermal Lutherus Tom. I. Alt. f. 300. a. Derhalben iſt der ehliche ſtand nun nicht vielmehr rein und ohne ſuͤnde/ (nemlich wie er vor dem fall geweſen waͤre) und die fleiſchliche anfechtung ſo groß und wuͤtend worden/ daß der ehliche ſtand nun hinfort gleich ein ſpital der ſiechen iſt/ auf daß ſie nicht in ſchwehrere ſuͤnde fallen. Jtem Kirchen poſt. W.T. f. 304. a. Wiewol auch im eheſtand diß maaß ſolte gehalten werden unter den Chriſten/ daß es eine eheliche pflicht/ die aus noth/ zu mei- den unkeuſchheit und unreinigkeit/ gefordert und geleiſtet werde. Sintemal hinfort das nicht viel geſchehen kan/ daß man allein zur frucht ſich zuſammen finde/ welches das beſte waͤr/ und wol recht ſeyn ſolte. Jn ſolchem ſiechen hauß/ wie Lutherus redet/ goͤnnet uns GOTT dieſe von ihm verordnete artzney/ und wer ſie maͤßig brauchet/ ſuͤndiget darin- nen nicht. (7. Solches iſt ſonderlich zu mercken von dem ſtand der weibs- perſonen/ da dieſelbe von GOTT geſegnet ſind/ und alſo der haupt zweck der erzeugung nicht weiter um ſolche zeit platz hat. Als um welches zuſtandes willen die meiſte frage und ſorge der zarten gewiſſen entſtehet. Wo wir aber des heiligen Apoſtels unbedingte wort und was unſer Lutherus dabey be- mercket/ fleißig erwegen/ werden wir erkennen/ daß wir auch darinnen den ge- wiſſen keinen ſtrick anzuwerffen haben: um ſo vielmehr/ weil in dem gegen- theil/ da in ſolcher zeit dieſe ehliche freundſchafft niemal platz haͤtte/ nicht nur der eheſtand denjenigen zweck der vermeidung aller unkeuſchheit (um welcher willen er ihrer vielen noͤthig iſt) nicht erreichen/ ſondern vielmehr das gegen- theil erfolgen wuͤrde/ daß er eine gelegenheit werden koͤnte/ in viel ſchwehrer brunſt (zu dero abwendung gleichwol GOTT dieſen ſtand uns gegoͤnnet) die meiſte zeit zubringen zu muͤſſen/ indem der eheſtand auffs wenigſte einen viel ſtaͤtigern umgang der eheleute bey tag und nacht in ſich faſſen/ und alſo eine offtmaligere reitzung und erweckung natuͤrlicher luͤſte gegen einander veranlaſſen mag/ da auſſer demſelbigen/ weil weniger anlaß zu regung der luͤ- ſten vorhauden/ noch eher ſolche brunſt verhuͤter werden koͤnte. Nun hat aber R r 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/325>, abgerufen am 22.11.2024.