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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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Das dritte Capitel.
als eine hülffe und mittel wider die unkeuschheit. Darum wer sein
braucht/ der unkeuschheit zu wehren/ halte ich/ haben sie Paulum
zum fürsprecher und schutzherren.
Und ferner: Also haben sie auch
etliche tage ausgenommen/ als die heilige abend/
item schwangere
leibe etc. Wohlan/ es ist fein und wohl gethan/ in allen sachen mäs-
sig fahren/ aber doch solt man kein gesetz hierinnen stellen: und diese
wort Pauli lassen recht behalten/ der es dahin stellet/ daß keines seines
eigenen leibes mächtig ist. GOtt gebe/ es seye dieser oder jener tag/
wie es GOtt gibt/ er sihet nur drauff/ daß der unkeuschheit geweh-
ret/ und nicht raum noch ursach gegeben werde. O es hebt gar viel
gesetz auff das kleine wörtlein Sanct Pauli: Keins ist seines lei-
bes mächtig; ja es kan kein gesetz leiden/ dann wie solt mir je-
mand den leib verbieten/ der mir von GOTTES recht und
macht zugegeben ist?
Er fähret ferner fort f. 387. a. Was das verkürtzen
sey unter ehelichen leuten/ und was für ursach sich begeben/ laß ich sie
selbs deuten. Jch kan wol glauben/ daß sie mancherley seyen/ wie
sichs dann auch ziehmet dem stand/ der zu bösen tagen und nicht zu gu-
ten tagen geschaffen und eingesetzt ist. Zorn und uneinigkeit wird
auch mitlauffen zuweilen/ es will auch überflüßige geistlichkeit da re-
giren. S. Paulus setzt nur eine/ mehr darff ich noch jemand setzen/
die ist/ daß beyde bewilligen/ sich etliche tage auf sonderliche weise här-
ter zu casteyen mit fasten/ und desto fleißiger zu beten/ sonderlich wo et-
wa eine noth vorhanden. Dann zu starckem gebet gehöret auch ein
starck fasten. Doch läßt es S. Paulus so frey bleiben/ und gibt kein
gesetz darüber/ sondern stellets in beyder bewilligung. Darum kan
niemand zu solchem fasten und beten mit geboten getr ungen werden/
wie man bißher gethan hat.
(6. Diese sache aber lässet sich nicht wol gründ-
licher und eigenlicher ausmachen/ als wo wir betrachten die endursachen sol-
cher ehlichen bey wohnung. Da ist nun zweiffels frey die erste und haupt-ur-
sach die erziehlung der kinder. Jndessen können wir gleichwol dieselbige nicht
für die einige vor Gott gültige ursach ansehen/ sondern wie wir gesehen haben/
daß derselbe stand selbs mehrere endursachen habe/ so haben wir gleiches von
dieser beywohnung zu sagen. Daher es der Apostel mit bedacht eine
schuldige freundschafft/ oder gutwilligkeit oder liebe nennet/ damit zeigen-
de/ daß unter denen/ welche der HErr ehlich verbunden/ der liebe ein mehrers
erlaubt seye/ als jenes einige seltene werck der noth in der erziehlung der kin-

der.

Das dritte Capitel.
als eine huͤlffe und mittel wider die unkeuſchheit. Darum wer ſein
braucht/ der unkeuſchheit zu wehren/ halte ich/ haben ſie Paulum
zum fuͤrſprecher und ſchutzherren.
Und ferner: Alſo haben ſie auch
etliche tage ausgenommen/ als die heilige abend/
item ſchwangere
leibe etc. Wohlan/ es iſt fein und wohl gethan/ in allen ſachen maͤſ-
ſig fahren/ aber doch ſolt man kein geſetz hierinnen ſtellen: und dieſe
wort Pauli laſſen recht behalten/ der es dahin ſtellet/ daß keines ſeines
eigenen leibes maͤchtig iſt. GOtt gebe/ es ſeye dieſer oder jener tag/
wie es GOtt gibt/ er ſihet nur drauff/ daß der unkeuſchheit geweh-
ret/ und nicht raum noch urſach gegeben werde. O es hebt gar viel
geſetz auff das kleine woͤrtlein Sanct Pauli: Keins iſt ſeines lei-
bes maͤchtig; ja es kan kein geſetz leiden/ dann wie ſolt mir je-
mand den leib verbieten/ der mir von GOTTES recht und
macht zugegeben iſt?
Er faͤhret ferner fort f. 387. a. Was das verkuͤrtzen
ſey unter ehelichen leuten/ und was fuͤr urſach ſich begeben/ laß ich ſie
ſelbs deuten. Jch kan wol glauben/ daß ſie mancherley ſeyen/ wie
ſichs dann auch ziehmet dem ſtand/ der zu boͤſen tagen und nicht zu gu-
ten tagen geſchaffen und eingeſetzt iſt. Zorn und uneinigkeit wird
auch mitlauffen zuweilen/ es will auch uͤberfluͤßige geiſtlichkeit da re-
giren. S. Paulus ſetzt nur eine/ mehr darff ich noch jemand ſetzen/
die iſt/ daß beyde bewilligen/ ſich etliche tage auf ſonderliche weiſe haͤr-
ter zu caſteyen mit faſten/ und deſto fleißiger zu beten/ ſonderlich wo et-
wa eine noth vorhanden. Dann zu ſtarckem gebet gehoͤret auch ein
ſtarck faſten. Doch laͤßt es S. Paulus ſo frey bleiben/ und gibt kein
geſetz daruͤber/ ſondern ſtellets in beyder bewilligung. Darum kan
niemand zu ſolchem faſten und beten mit geboten getr ungen werden/
wie man bißher gethan hat.
(6. Dieſe ſache aber laͤſſet ſich nicht wol gruͤnd-
licher und eigenlicher ausmachen/ als wo wir betrachten die endurſachen ſol-
cher ehlichen bey wohnung. Da iſt nun zweiffels frey die erſte und haupt-ur-
ſach die erziehlung der kinder. Jndeſſen koͤnnen wir gleichwol dieſelbige nicht
fuͤr die einige voꝛ Gott guͤltige urſach anſehen/ ſondern wie wir geſehen haben/
daß derſelbe ſtand ſelbs mehrere endurſachen habe/ ſo haben wir gleiches von
dieſer beywohnung zu ſagen. Daher es der Apoſtel mit bedacht eine
ſchuldige freundſchafft/ oder gutwilligkeit oder liebe nennet/ damit zeigen-
de/ daß unter denen/ welche der HErr ehlich verbunden/ der liebe ein mehrers
erlaubt ſeye/ als jenes einige ſeltene werck der noth in der erziehlung der kin-

der.
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[316/0324] Das dritte Capitel. als eine huͤlffe und mittel wider die unkeuſchheit. Darum wer ſein braucht/ der unkeuſchheit zu wehren/ halte ich/ haben ſie Paulum zum fuͤrſprecher und ſchutzherren. Und ferner: Alſo haben ſie auch etliche tage ausgenommen/ als die heilige abend/ item ſchwangere leibe etc. Wohlan/ es iſt fein und wohl gethan/ in allen ſachen maͤſ- ſig fahren/ aber doch ſolt man kein geſetz hierinnen ſtellen: und dieſe wort Pauli laſſen recht behalten/ der es dahin ſtellet/ daß keines ſeines eigenen leibes maͤchtig iſt. GOtt gebe/ es ſeye dieſer oder jener tag/ wie es GOtt gibt/ er ſihet nur drauff/ daß der unkeuſchheit geweh- ret/ und nicht raum noch urſach gegeben werde. O es hebt gar viel geſetz auff das kleine woͤrtlein Sanct Pauli: Keins iſt ſeines lei- bes maͤchtig; ja es kan kein geſetz leiden/ dann wie ſolt mir je- mand den leib verbieten/ der mir von GOTTES recht und macht zugegeben iſt? Er faͤhret ferner fort f. 387. a. Was das verkuͤrtzen ſey unter ehelichen leuten/ und was fuͤr urſach ſich begeben/ laß ich ſie ſelbs deuten. Jch kan wol glauben/ daß ſie mancherley ſeyen/ wie ſichs dann auch ziehmet dem ſtand/ der zu boͤſen tagen und nicht zu gu- ten tagen geſchaffen und eingeſetzt iſt. Zorn und uneinigkeit wird auch mitlauffen zuweilen/ es will auch uͤberfluͤßige geiſtlichkeit da re- giren. S. Paulus ſetzt nur eine/ mehr darff ich noch jemand ſetzen/ die iſt/ daß beyde bewilligen/ ſich etliche tage auf ſonderliche weiſe haͤr- ter zu caſteyen mit faſten/ und deſto fleißiger zu beten/ ſonderlich wo et- wa eine noth vorhanden. Dann zu ſtarckem gebet gehoͤret auch ein ſtarck faſten. Doch laͤßt es S. Paulus ſo frey bleiben/ und gibt kein geſetz daruͤber/ ſondern ſtellets in beyder bewilligung. Darum kan niemand zu ſolchem faſten und beten mit geboten getr ungen werden/ wie man bißher gethan hat. (6. Dieſe ſache aber laͤſſet ſich nicht wol gruͤnd- licher und eigenlicher ausmachen/ als wo wir betrachten die endurſachen ſol- cher ehlichen bey wohnung. Da iſt nun zweiffels frey die erſte und haupt-ur- ſach die erziehlung der kinder. Jndeſſen koͤnnen wir gleichwol dieſelbige nicht fuͤr die einige voꝛ Gott guͤltige urſach anſehen/ ſondern wie wir geſehen haben/ daß derſelbe ſtand ſelbs mehrere endurſachen habe/ ſo haben wir gleiches von dieſer beywohnung zu ſagen. Daher es der Apoſtel mit bedacht eine ſchuldige freundſchafft/ oder gutwilligkeit oder liebe nennet/ damit zeigen- de/ daß unter denen/ welche der HErr ehlich verbunden/ der liebe ein mehrers erlaubt ſeye/ als jenes einige ſeltene werck der noth in der erziehlung der kin- der.

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/324>, abgerufen am 22.11.2024.