Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.ARTIC. III. SECTIO VIII. plexionen mehr oder schwehrer bey allen menschen findet/ so bald dieselbe indas natürliche alter kommen/ da sie dazu dem leibe nach geschickt sind/ und was die natur aus der nahrung dazu bequem bereitet/ seinen ausgang su- chet; deßwegen in der seelen untern kräfften die begierde darzu/ entweder wo eine eusserliche gelegenheit reitzet/ oder auch ohne dieselbe bloß aus dem innern trieb erwecket/ hingegen leicht die gantze seele damit eingenommen wird. So bleibet auch in jetzigem sündlichen stand solche lust nicht in ihren schrancken/ sondern wie alle andere verderbte gelüsten überschreitet sie diesel- be auff viele weise. Weilen aber der H. GOtt dem männlichen geschlecht den gebrauch des weiblichen/ und diesem des männlichen/ nicht ausser der von ihm eingesetzten ehe verordnet/ hingegen alle übrige vermischung ernstlich/ als eine befleckung des eigenen und frembden leibes verboten hat: so dann solcher natürlichen begierde zu dem andern geschlecht nicht bey allen und zu allen zeiten mit arbeit und fasten (und also verminderung desjenigen/ davon innerlich die reitzung der lust herrühren könte/ dahingegen müßiggang und zärtliche pflege des leibes denselben geil machet) mit vermeidung der gelegen- heit (und also abwendung der eusserlichen reitzungen) mit gebet und betrach- tung/ so zwahr alle kräfftige mittel sind zu creutzigung und tödtung auch die- ser unordenlichen lüsten/ damit offt vieles in dieser sache auszurichten stehet/ und deswegen diejenige derselben sich so viel ernstlicher zu gebrauchen/ wel- che GOtt noch ausser dem ehstand hält/ genugsam und dermassen widerstan- den werden kan/ daß nicht böse lüste nicht nur auffsteigen/ sondern den men- schen allzusehr verunruhigen/ ja auch etwa den leib auff unterschiedliche art auch wider willen beflecken solten. So haben wir also die ehe auch hierin- nen in dem stand der verderbnüß als gut/ und diesen nutzen derselben/ zu er- kennen/ daß sie eine artzney seye wider solche unkeuschheit/ und alle aus der sünden gifft bey uns sonst entstehende fleischliche befleckung des fleisches und des Geistes. Und dieses ists/ was Paulus sagt: 1. Cor. 7/ 3. um der hu- rerey willen hab ein jeglicher sein eigen weib/ und eine jegliche häbe ih- ren eigenen mann. Wo wir unter dem nahmen der hurerey (um dero willen/ nemlich nicht solche zu begehen/ gleich ob wäre der gebrauch der ehe nur hurerey/ sondern sie zu vermeiden/ der ehestand vielen zu rathen ist) nicht nur die eusserliche vermischung mit andern personen ausser der ehe zu verste- hen haben/ sondern alle verunreinigung unsers leibs und seele/ welche son- sten in mangel des eh-gebrauchs unsre unkeusche art wircken und zu wege bringen würde. Woraus also folget/ daß auch der jetzige ehstand also ver- standen und geführet werden müsse/ daß er eine genugsame verwahrung vor aller leichtfertigkeit und verunreinigung/ als viel in dieser schwachheit und natürlichen unreinigkeit geschehen kan/ wahrhafftig seye. § VI. Q q 3
ARTIC. III. SECTIO VIII. plexionen mehr oder ſchwehrer bey allen menſchen findet/ ſo bald dieſelbe indas natuͤrliche alter kommen/ da ſie dazu dem leibe nach geſchickt ſind/ und was die natur aus der nahrung dazu bequem bereitet/ ſeinen ausgang ſu- chet; deßwegen in der ſeelen untern kraͤfften die begierde darzu/ entweder wo eine euſſerliche gelegenheit reitzet/ oder auch ohne dieſelbe bloß aus dem innern trieb erwecket/ hingegen leicht die gantze ſeele damit eingenommen wird. So bleibet auch in jetzigem ſuͤndlichen ſtand ſolche luſt nicht in ihren ſchrancken/ ſondern wie alle andere verderbte geluͤſten uͤberſchreitet ſie dieſel- be auff viele weiſe. Weilen aber der H. GOtt dem maͤnnlichen geſchlecht den gebrauch des weiblichen/ und dieſem des maͤnnlichen/ nicht auſſer der von ihm eingeſetzten ehe verordnet/ hingegen alle uͤbrige vermiſchung ernſtlich/ als eine befleckung des eigenen und frembden leibes verboten hat: ſo dann ſolcher natuͤrlichen begierde zu dem andern geſchlecht nicht bey allen und zu allen zeiten mit arbeit und faſten (und alſo verminderung desjenigen/ davon innerlich die reitzung der luſt herruͤhren koͤnte/ dahingegen muͤßiggang und zaͤrtliche pflege des leibes denſelben geil machet) mit vermeidung der gelegen- heit (und alſo abwendung der euſſerlichen reitzungen) mit gebet und betrach- tung/ ſo zwahr alle kraͤfftige mittel ſind zu creutzigung und toͤdtung auch die- ſer unordenlichen luͤſten/ damit offt vieles in dieſer ſache auszurichten ſtehet/ und deswegen diejenige derſelben ſich ſo viel ernſtlicher zu gebrauchen/ wel- che GOtt noch auſſer dem ehſtand haͤlt/ genugſam und dermaſſen widerſtan- den werden kan/ daß nicht boͤſe luͤſte nicht nur auffſteigen/ ſondern den men- ſchen allzuſehr verunruhigen/ ja auch etwa den leib auff unterſchiedliche art auch wider willen beflecken ſolten. So haben wir alſo die ehe auch hierin- nen in dem ſtand der verderbnuͤß als gut/ und dieſen nutzen derſelben/ zu er- kennen/ daß ſie eine artzney ſeye wider ſolche unkeuſchheit/ und alle aus der ſuͤnden gifft bey uns ſonſt entſtehende fleiſchliche befleckung des fleiſches und des Geiſtes. Und dieſes iſts/ was Paulus ſagt: 1. Cor. 7/ 3. um der hu- rerey willen hab ein jeglicher ſein eigen weib/ und eine jegliche haͤbe ih- ren eigenen mann. Wo wir unter dem nahmen der hurerey (um dero willen/ nemlich nicht ſolche zu begehen/ gleich ob waͤre der gebrauch der ehe nur hurerey/ ſondern ſie zu vermeiden/ der eheſtand vielen zu rathen iſt) nicht nur die euſſerliche vermiſchung mit andern perſonen auſſer der ehe zu verſte- hen haben/ ſondern alle verunreinigung unſers leibs und ſeele/ welche ſon- ſten in mangel des eh-gebrauchs unſre unkeuſche art wircken und zu wege bringen wuͤrde. Woraus alſo folget/ daß auch der jetzige ehſtand alſo ver- ſtanden und gefuͤhret werden muͤſſe/ daß er eine genugſame verwahrung vor aller leichtfertigkeit und verunreinigung/ als viel in dieſer ſchwachheit und natuͤrlichen unreinigkeit geſchehen kan/ wahrhafftig ſeye. § VI. Q q 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0317" n="309"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">ARTIC. III. <hi rendition="#g">SECTIO</hi> VIII.</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">plexionen</hi> mehr oder ſchwehrer bey allen menſchen findet/ ſo bald dieſelbe in<lb/> das natuͤrliche alter kommen/ da ſie dazu dem leibe nach geſchickt ſind/ und<lb/> was die natur aus der nahrung dazu bequem bereitet/ ſeinen ausgang ſu-<lb/> chet; deßwegen in der ſeelen untern kraͤfften die begierde darzu/ entweder<lb/> wo eine euſſerliche gelegenheit reitzet/ oder auch ohne dieſelbe bloß aus dem<lb/> innern trieb erwecket/ hingegen leicht die gantze ſeele damit eingenommen<lb/> wird. So bleibet auch in jetzigem ſuͤndlichen ſtand ſolche luſt nicht in ihren<lb/> ſchrancken/ ſondern wie alle andere verderbte geluͤſten uͤberſchreitet ſie dieſel-<lb/> be auff viele weiſe. Weilen aber der H. GOtt dem maͤnnlichen geſchlecht<lb/> den gebrauch des weiblichen/ und dieſem des maͤnnlichen/ nicht auſſer der von<lb/> ihm eingeſetzten ehe verordnet/ hingegen alle uͤbrige vermiſchung ernſtlich/<lb/> als eine befleckung des eigenen und frembden leibes verboten hat: ſo dann<lb/> ſolcher natuͤrlichen begierde zu dem andern geſchlecht nicht bey allen und zu<lb/> allen zeiten mit arbeit und faſten (und alſo verminderung desjenigen/ davon<lb/> innerlich die reitzung der luſt herruͤhren koͤnte/ dahingegen muͤßiggang und<lb/> zaͤrtliche pflege des leibes denſelben geil machet) mit vermeidung der gelegen-<lb/> heit (und alſo abwendung der euſſerlichen reitzungen) mit gebet und betrach-<lb/> tung/ ſo zwahr alle kraͤfftige mittel ſind zu creutzigung und toͤdtung auch die-<lb/> ſer unordenlichen luͤſten/ damit offt vieles in dieſer ſache auszurichten ſtehet/<lb/> und deswegen diejenige derſelben ſich ſo viel ernſtlicher zu gebrauchen/ wel-<lb/> che GOtt noch auſſer dem ehſtand haͤlt/ genugſam und dermaſſen widerſtan-<lb/> den werden kan/ daß nicht boͤſe luͤſte nicht nur auffſteigen/ ſondern den men-<lb/> ſchen allzuſehr verunruhigen/ ja auch etwa den leib auff unterſchiedliche art<lb/> auch wider willen beflecken ſolten. So haben wir alſo die ehe auch hierin-<lb/> nen in dem ſtand der verderbnuͤß als gut/ und dieſen nutzen derſelben/ zu er-<lb/> kennen/ daß ſie eine artzney ſeye wider ſolche unkeuſchheit/ und alle aus der<lb/> ſuͤnden gifft bey uns ſonſt entſtehende fleiſchliche befleckung des fleiſches und<lb/> des Geiſtes. Und dieſes iſts/ was Paulus ſagt: <hi rendition="#fr">1. Cor. 7/ 3. um der hu-<lb/> rerey willen hab ein jeglicher ſein eigen weib/ und eine jegliche haͤbe ih-<lb/> ren eigenen mann.</hi> Wo wir unter dem nahmen <hi rendition="#fr">der hurerey</hi> (um dero<lb/> willen/ nemlich nicht ſolche zu begehen/ gleich ob waͤre der gebrauch der ehe<lb/> nur hurerey/ ſondern ſie zu vermeiden/ der eheſtand vielen zu rathen iſt) nicht<lb/> nur die euſſerliche vermiſchung mit andern perſonen auſſer der ehe zu verſte-<lb/> hen haben/ ſondern alle verunreinigung unſers leibs und ſeele/ welche ſon-<lb/> ſten in mangel des eh-gebrauchs unſre unkeuſche art wircken und zu wege<lb/> bringen wuͤrde. Woraus alſo folget/ daß auch der jetzige ehſtand alſo ver-<lb/> ſtanden und gefuͤhret werden muͤſſe/ daß er eine genugſame verwahrung vor<lb/> aller leichtfertigkeit und verunreinigung/ als viel in dieſer ſchwachheit und<lb/> natuͤrlichen unreinigkeit geſchehen kan/ wahrhafftig ſeye.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q q 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">§ VI.</hi> </fw><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [309/0317]
ARTIC. III. SECTIO VIII.
plexionen mehr oder ſchwehrer bey allen menſchen findet/ ſo bald dieſelbe in
das natuͤrliche alter kommen/ da ſie dazu dem leibe nach geſchickt ſind/ und
was die natur aus der nahrung dazu bequem bereitet/ ſeinen ausgang ſu-
chet; deßwegen in der ſeelen untern kraͤfften die begierde darzu/ entweder
wo eine euſſerliche gelegenheit reitzet/ oder auch ohne dieſelbe bloß aus dem
innern trieb erwecket/ hingegen leicht die gantze ſeele damit eingenommen
wird. So bleibet auch in jetzigem ſuͤndlichen ſtand ſolche luſt nicht in ihren
ſchrancken/ ſondern wie alle andere verderbte geluͤſten uͤberſchreitet ſie dieſel-
be auff viele weiſe. Weilen aber der H. GOtt dem maͤnnlichen geſchlecht
den gebrauch des weiblichen/ und dieſem des maͤnnlichen/ nicht auſſer der von
ihm eingeſetzten ehe verordnet/ hingegen alle uͤbrige vermiſchung ernſtlich/
als eine befleckung des eigenen und frembden leibes verboten hat: ſo dann
ſolcher natuͤrlichen begierde zu dem andern geſchlecht nicht bey allen und zu
allen zeiten mit arbeit und faſten (und alſo verminderung desjenigen/ davon
innerlich die reitzung der luſt herruͤhren koͤnte/ dahingegen muͤßiggang und
zaͤrtliche pflege des leibes denſelben geil machet) mit vermeidung der gelegen-
heit (und alſo abwendung der euſſerlichen reitzungen) mit gebet und betrach-
tung/ ſo zwahr alle kraͤfftige mittel ſind zu creutzigung und toͤdtung auch die-
ſer unordenlichen luͤſten/ damit offt vieles in dieſer ſache auszurichten ſtehet/
und deswegen diejenige derſelben ſich ſo viel ernſtlicher zu gebrauchen/ wel-
che GOtt noch auſſer dem ehſtand haͤlt/ genugſam und dermaſſen widerſtan-
den werden kan/ daß nicht boͤſe luͤſte nicht nur auffſteigen/ ſondern den men-
ſchen allzuſehr verunruhigen/ ja auch etwa den leib auff unterſchiedliche art
auch wider willen beflecken ſolten. So haben wir alſo die ehe auch hierin-
nen in dem ſtand der verderbnuͤß als gut/ und dieſen nutzen derſelben/ zu er-
kennen/ daß ſie eine artzney ſeye wider ſolche unkeuſchheit/ und alle aus der
ſuͤnden gifft bey uns ſonſt entſtehende fleiſchliche befleckung des fleiſches und
des Geiſtes. Und dieſes iſts/ was Paulus ſagt: 1. Cor. 7/ 3. um der hu-
rerey willen hab ein jeglicher ſein eigen weib/ und eine jegliche haͤbe ih-
ren eigenen mann. Wo wir unter dem nahmen der hurerey (um dero
willen/ nemlich nicht ſolche zu begehen/ gleich ob waͤre der gebrauch der ehe
nur hurerey/ ſondern ſie zu vermeiden/ der eheſtand vielen zu rathen iſt) nicht
nur die euſſerliche vermiſchung mit andern perſonen auſſer der ehe zu verſte-
hen haben/ ſondern alle verunreinigung unſers leibs und ſeele/ welche ſon-
ſten in mangel des eh-gebrauchs unſre unkeuſche art wircken und zu wege
bringen wuͤrde. Woraus alſo folget/ daß auch der jetzige ehſtand alſo ver-
ſtanden und gefuͤhret werden muͤſſe/ daß er eine genugſame verwahrung vor
aller leichtfertigkeit und verunreinigung/ als viel in dieſer ſchwachheit und
natuͤrlichen unreinigkeit geſchehen kan/ wahrhafftig ſeye.
§ VI.
Q q 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |