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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. II. SECTIO XVII.

WJe diese frage an sich selbs sehr wichtig ist/ also wird sich in fleißtgem
nachdencken zeigen/ daß sich mehr difficultäten darinnen finden/ als
man erstlich gedencken möchte/ daß auch mit blossem unbedingten ja
oder nein sich nicht antworten/ ja auch ohne gewisse praeparatoria zu der ant-
wort selbs nicht schreiten lässet. Daher ich in der furcht des HErrn die gan-
tze materie überlegende/ sie in etliche sätze abzutheilen nöthig finde.

1. Denen Assessoribus, Räthen und Consulenten eines jeden/ sonderlich
hohen/ gerichts/ als welche von solchem ihrem amt leben müssen/ sollen billich
solche besoldungen/ oder auch mäßige und durch die gesetze bestimmte acciden-
tia,
von den partheyen (wiewol das erste füglicher/ und dasjenige/ was von
den partheyen zu geben/ sicherer dahin zu lieffern wäre/ wovon sie die besol-
dung zu empfangen) assigniret werden/ daß sie ihr leben nach ihrer condition
(so aber nicht so wol nach ihrer ambition zu reguliren/ als von andern recht-
schaffenen verständigen leuten zu aestimiren wäre) führen mögen/ und bey ih-
rer arbeit nicht mangel leiden dörffen. Dieses ist der billichkeit/ ja der ge-
rechtigkeit gegen diejenige/ so zu dero handhabung gesetzet sind/ selbs gemäß.
Damit sich solche leute nicht aus mangel des nöthigen unterhalts nach an-
dern unrechtmäßigen accidentien umsehen/ und damit der gantze lauff der ge-
rechtigkeit gefährlich gehemmet werde. Geschihet solches nicht/ und es
wird nachmal von ihnen in solcher sache wider ihre pflicht gethan/ so sind sie
zwahr damit vor GOTT und in dem gewissen nicht entschuldiget/ indessen
fället gleichwol ein grosser theil der schuld des daraus entstehenden geschenck-
gebens und nehmens auf diejenige obere/ welche jenen ihre nothdurfft billich
assigniren/ und also die andere inconvenientia dadurch verhüten solten.
2. Welche zu administration der gerechtigkeit gesetzet sind/ es seyen nun
selbs die richter und assessores, oder deroselben consulenten/ oder welche die
relationen zu stellen haben/ können nicht mit unverletztem gewissen/ ohne was
etwa gewisse gebühren möchten lege verordnet seyn/ von den partheyen eini-
ge geschenck oder gaben suchen/ oder da sie ihnen offeriret werden/ annehmen.
Die ursachen sind. 1. Weil die gerechtigkeit/ als ein stück des schutzes/ wel-
chen man von der Obrigkeit geniesset/ nicht soll erst dörffen erkaufft werden/
sondern zu der pflicht der Obrigkeit gehöret/ da hingegen zu ihrer unterhalt
und anstalten der dinge/ welche zu ihrem amt gehören/ von den unterthanen
schoß und andere gebühren abgestattet werden müssen: weswegen sie auch
verbunden ist/ alles dermassen anzurichten/ daß die unterthanen nicht nöthig
haben/ jedes in specie, wessen sie von der Obrigkeit bedürfftig sind/ auffs neue
mit geld zu bezahlen. Deswegen diejenige/ welche von der Obrigkeit zu der
administration der justiz verordnet/ und ihnen deswegen zu ihrer subsistenz
die salaria gegeben werden oder gegeben werden sollen/ dasjenige in dem nah-
men
H h 2
ARTIC. II. SECTIO XVII.

WJe dieſe frage an ſich ſelbs ſehr wichtig iſt/ alſo wird ſich in fleißtgem
nachdencken zeigen/ daß ſich mehr difficultaͤten darinnen finden/ als
man erſtlich gedencken moͤchte/ daß auch mit bloſſem unbedingten ja
oder nein ſich nicht antworten/ ja auch ohne gewiſſe præparatoria zu der ant-
wort ſelbs nicht ſchreiten laͤſſet. Daher ich in der furcht des HErrn die gan-
tze materie uͤberlegende/ ſie in etliche ſaͤtze abzutheilen noͤthig finde.

1. Denen Aſſeſſoribus, Raͤthen und Conſulenten eines jeden/ ſonderlich
hohen/ gerichts/ als welche von ſolchem ihrem amt leben muͤſſen/ ſollen billich
ſolche beſoldungen/ oder auch maͤßige und durch die geſetze beſtimmte acciden-
tia,
von den partheyen (wiewol das erſte fuͤglicher/ und dasjenige/ was von
den partheyen zu geben/ ſicherer dahin zu lieffern waͤre/ wovon ſie die beſol-
dung zu empfangen) aſſigniret werden/ daß ſie ihr leben nach ihrer condition
(ſo aber nicht ſo wol nach ihrer ambition zu reguliren/ als von andern recht-
ſchaffenen verſtaͤndigen leuten zu æſtimiren waͤre) fuͤhren moͤgen/ und bey ih-
rer arbeit nicht mangel leiden doͤrffen. Dieſes iſt der billichkeit/ ja der ge-
rechtigkeit gegen diejenige/ ſo zu dero handhabung geſetzet ſind/ ſelbs gemaͤß.
Damit ſich ſolche leute nicht aus mangel des noͤthigen unterhalts nach an-
dern unrechtmaͤßigen accidentien umſehen/ und damit der gantze lauff der ge-
rechtigkeit gefaͤhrlich gehemmet werde. Geſchihet ſolches nicht/ und es
wird nachmal von ihnen in ſolcher ſache wider ihre pflicht gethan/ ſo ſind ſie
zwahr damit vor GOTT und in dem gewiſſen nicht entſchuldiget/ indeſſen
faͤllet gleichwol ein groſſer theil der ſchuld des daraus entſtehenden geſchenck-
gebens und nehmens auf diejenige obere/ welche jenen ihre nothdurfft billich
aſſigniren/ und alſo die andere inconvenientia dadurch verhuͤten ſolten.
2. Welche zu adminiſtration der gerechtigkeit geſetzet ſind/ es ſeyen nun
ſelbs die richter und aſſeſſores, oder deroſelben conſulenten/ oder welche die
relationen zu ſtellen haben/ koͤnnen nicht mit unverletztem gewiſſen/ ohne was
etwa gewiſſe gebuͤhren moͤchten lege verordnet ſeyn/ von den partheyen eini-
ge geſchenck oder gaben ſuchen/ oder da ſie ihnen offeriret werden/ annehmen.
Die urſachen ſind. 1. Weil die gerechtigkeit/ als ein ſtuͤck des ſchutzes/ wel-
chen man von der Obrigkeit genieſſet/ nicht ſoll erſt doͤrffen erkaufft werden/
ſondern zu der pflicht der Obrigkeit gehoͤret/ da hingegen zu ihrer unterhalt
und anſtalten der dinge/ welche zu ihrem amt gehoͤren/ von den unterthanen
ſchoß und andere gebuͤhren abgeſtattet werden muͤſſen: weswegen ſie auch
verbunden iſt/ alles dermaſſen anzurichten/ daß die unterthanen nicht noͤthig
haben/ jedes in ſpecie, weſſen ſie von der Obrigkeit beduͤrfftig ſind/ auffs neue
mit geld zu bezahlen. Deswegen diejenige/ welche von der Obrigkeit zu der
adminiſtration der juſtiz verordnet/ und ihnen deswegen zu ihrer ſubſiſtenz
die ſalaria gegeben werden oder gegeben werden ſollen/ dasjenige in dem nah-
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[243/0251] ARTIC. II. SECTIO XVII. WJe dieſe frage an ſich ſelbs ſehr wichtig iſt/ alſo wird ſich in fleißtgem nachdencken zeigen/ daß ſich mehr difficultaͤten darinnen finden/ als man erſtlich gedencken moͤchte/ daß auch mit bloſſem unbedingten ja oder nein ſich nicht antworten/ ja auch ohne gewiſſe præparatoria zu der ant- wort ſelbs nicht ſchreiten laͤſſet. Daher ich in der furcht des HErrn die gan- tze materie uͤberlegende/ ſie in etliche ſaͤtze abzutheilen noͤthig finde. 1. Denen Aſſeſſoribus, Raͤthen und Conſulenten eines jeden/ ſonderlich hohen/ gerichts/ als welche von ſolchem ihrem amt leben muͤſſen/ ſollen billich ſolche beſoldungen/ oder auch maͤßige und durch die geſetze beſtimmte acciden- tia, von den partheyen (wiewol das erſte fuͤglicher/ und dasjenige/ was von den partheyen zu geben/ ſicherer dahin zu lieffern waͤre/ wovon ſie die beſol- dung zu empfangen) aſſigniret werden/ daß ſie ihr leben nach ihrer condition (ſo aber nicht ſo wol nach ihrer ambition zu reguliren/ als von andern recht- ſchaffenen verſtaͤndigen leuten zu æſtimiren waͤre) fuͤhren moͤgen/ und bey ih- rer arbeit nicht mangel leiden doͤrffen. Dieſes iſt der billichkeit/ ja der ge- rechtigkeit gegen diejenige/ ſo zu dero handhabung geſetzet ſind/ ſelbs gemaͤß. Damit ſich ſolche leute nicht aus mangel des noͤthigen unterhalts nach an- dern unrechtmaͤßigen accidentien umſehen/ und damit der gantze lauff der ge- rechtigkeit gefaͤhrlich gehemmet werde. Geſchihet ſolches nicht/ und es wird nachmal von ihnen in ſolcher ſache wider ihre pflicht gethan/ ſo ſind ſie zwahr damit vor GOTT und in dem gewiſſen nicht entſchuldiget/ indeſſen faͤllet gleichwol ein groſſer theil der ſchuld des daraus entſtehenden geſchenck- gebens und nehmens auf diejenige obere/ welche jenen ihre nothdurfft billich aſſigniren/ und alſo die andere inconvenientia dadurch verhuͤten ſolten. 2. Welche zu adminiſtration der gerechtigkeit geſetzet ſind/ es ſeyen nun ſelbs die richter und aſſeſſores, oder deroſelben conſulenten/ oder welche die relationen zu ſtellen haben/ koͤnnen nicht mit unverletztem gewiſſen/ ohne was etwa gewiſſe gebuͤhren moͤchten lege verordnet ſeyn/ von den partheyen eini- ge geſchenck oder gaben ſuchen/ oder da ſie ihnen offeriret werden/ annehmen. Die urſachen ſind. 1. Weil die gerechtigkeit/ als ein ſtuͤck des ſchutzes/ wel- chen man von der Obrigkeit genieſſet/ nicht ſoll erſt doͤrffen erkaufft werden/ ſondern zu der pflicht der Obrigkeit gehoͤret/ da hingegen zu ihrer unterhalt und anſtalten der dinge/ welche zu ihrem amt gehoͤren/ von den unterthanen ſchoß und andere gebuͤhren abgeſtattet werden muͤſſen: weswegen ſie auch verbunden iſt/ alles dermaſſen anzurichten/ daß die unterthanen nicht noͤthig haben/ jedes in ſpecie, weſſen ſie von der Obrigkeit beduͤrfftig ſind/ auffs neue mit geld zu bezahlen. Deswegen diejenige/ welche von der Obrigkeit zu der adminiſtration der juſtiz verordnet/ und ihnen deswegen zu ihrer ſubſiſtenz die ſalaria gegeben werden oder gegeben werden ſollen/ dasjenige in dem nah- men H h 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/251>, abgerufen am 21.11.2024.