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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO IV.
lichen befehls nicht ohne verletzung göttlicher ehre und entheiligung sei-
nes nahmens können gebrochen werden. 4. Mos. 30/ 3. 5. Mos. 23/. 21.
22. 23. Pred. 5/ 3. 4.
Conf. Ap. Geschicht 5/ 4. Wo dann auff diese
weise dagegen gehandelt worden/ ist es mit demüthiger Buß zuerkennen.

4. Es wird auch in solchem fall dennoch das jenige ausgenommen/ wo
der mensch/ so das votum gethan/ und dasselbe sonsten zu andern zeiten hal-
ten könne und gehalten hat/ entweder in eine schwachheit verfiele/ oder in der-
gleichen stand käme/ da er es nicht ohne schaden halten könte/ daß nemlich auch
alsdenn das votum nicht gültig bliebe/ sondern was jetzo folget/ auch darauff
gezogen werde. Nemlich 5. wenn der Medicus solte gewissenhafft urtheilen/
daß entweder bereits in dem gegenwärtigen ohne schwächung der gesundheit
und bald daher entstehenden schadens solches votum nicht gehalten werden
könte/ oder doch von jetziger so vieler abstinenz, auff das künfftige nachtheil zu
sorgen wäre/ so hat die person/ so das gelübde gethan/ zum allerfördersten ih-
re unbedachtsamkeit hertzlich zu erkennen/ daß sie in einer solchen sache/ da
mans mit GOtt selbsten zu thun hat/ ohne vorhergehende reiffe deliberati-
on,
untersuchung der müglichkeit/ und etwa einziehung christlichen raths/
ein solches geschlossen/ und ein gelübd gethan/ so ihr nun zu halten unmüglich/
daher durch ihre unachtsamkeit den nahmen des HErrn einiger massen ent-
heiliget habe: da sie wissen und bedencken sollen/ mit was sonderbahrem vor-
bedacht in dergleichen sachen vor GOtt zu handeln wäre. Sie hat sich also
deßwegen vor Gott zu demüthigen/ ihn um gnädige vergebung zu bitten/ und
wo das gewissen sich je nicht so bald zu frieden geben will/ ein gewisses denck-
mal sich zu machen/ daß man sich auch solcher sünde vor dem HErrn sein le-
betag erinnere/ und stäts in wahrer busse derselben bleibe. 6. Hingegen hat
man alsdenn die haltung des voti von solcher zeit an auffzuheben/ weil es
nicht ohne sünde gehalten werden könte/ indem die wissentliche schwächung
der gesundheit in diesem fall eine art des selbsmords wäre/ und wir also bey
unserm gewissen verbunden sind/ alles das jenige/ was in unserm willen ste-
het/ zu vermeiden/ wodurch das leben abgekürtzet/ die gesundheit geschwä-
chet/ und wir also GOtt und dem nechsten länger oder ungehinderter zu die-
nen gehindert würden. Also würde sich der jenige/ der dennoch wissentlich
wider seine gesundheit darinnen handeln wolte/ sothaner schwehrer sünde
schuldig machen/ und die verantwortung alles dessen auff sich laden/ was er
sonsten noch gutes ausrichten können/ und sich darzu untüchtig gemacht hat.
7. Jedennoch ist er damit noch nicht des gantzen voti frey/ sondern er hat von
dem Medico (dessen judicium hierinnen als in einer sache/ die seiner profession
ist/ dem gewissen ein gnügen thun kan) zuerlernen/ wie viel er seines voti ins-

künff-
B 3

ARTIC. I. SECTIO IV.
lichen befehls nicht ohne verletzung goͤttlicher ehre und entheiligung ſei-
nes nahmens koͤnnen gebrochen werden. 4. Moſ. 30/ 3. 5. Moſ. 23/. 21.
22. 23. Pred. 5/ 3. 4.
Conf. Ap. Geſchicht 5/ 4. Wo dann auff dieſe
weiſe dagegen gehandelt worden/ iſt es mit demuͤthiger Buß zuerkennen.

4. Es wird auch in ſolchem fall dennoch das jenige ausgenommen/ wo
der menſch/ ſo das votum gethan/ und daſſelbe ſonſten zu andern zeiten hal-
ten koͤnne und gehalten hat/ entweder in eine ſchwachheit verfiele/ oder in der-
gleichen ſtand kaͤme/ da er es nicht ohne ſchaden halten koͤnte/ daß nemlich auch
alsdenn das votum nicht guͤltig bliebe/ ſondern was jetzo folget/ auch darauff
gezogen werde. Nemlich 5. wenn der Medicus ſolte gewiſſenhafft urtheilen/
daß entweder bereits in dem gegenwaͤrtigen ohne ſchwaͤchung der geſundheit
und bald daher entſtehenden ſchadens ſolches votum nicht gehalten werden
koͤnte/ oder doch von jetziger ſo vieler abſtinenz, auff das kuͤnfftige nachtheil zu
ſorgen waͤre/ ſo hat die perſon/ ſo das geluͤbde gethan/ zum allerfoͤrderſten ih-
re unbedachtſamkeit hertzlich zu erkennen/ daß ſie in einer ſolchen ſache/ da
mans mit GOtt ſelbſten zu thun hat/ ohne vorhergehende reiffe deliberati-
on,
unterſuchung der muͤglichkeit/ und etwa einziehung chriſtlichen raths/
ein ſolches geſchloſſen/ und ein geluͤbd gethan/ ſo ihr nun zu halten unmuͤglich/
daher durch ihre unachtſamkeit den nahmen des HErrn einiger maſſen ent-
heiliget habe: da ſie wiſſen und bedencken ſollen/ mit was ſonderbahrem vor-
bedacht in dergleichen ſachen vor GOtt zu handeln waͤre. Sie hat ſich alſo
deßwegen vor Gott zu demuͤthigen/ ihn um gnaͤdige vergebung zu bitten/ und
wo das gewiſſen ſich je nicht ſo bald zu frieden geben will/ ein gewiſſes denck-
mal ſich zu machen/ daß man ſich auch ſolcher ſuͤnde vor dem HErrn ſein le-
betag erinnere/ und ſtaͤts in wahrer buſſe derſelben bleibe. 6. Hingegen hat
man alsdenn die haltung des voti von ſolcher zeit an auffzuheben/ weil es
nicht ohne ſuͤnde gehalten werden koͤnte/ indem die wiſſentliche ſchwaͤchung
der geſundheit in dieſem fall eine art des ſelbsmords waͤre/ und wir alſo bey
unſerm gewiſſen verbunden ſind/ alles das jenige/ was in unſerm willen ſte-
het/ zu vermeiden/ wodurch das leben abgekuͤrtzet/ die geſundheit geſchwaͤ-
chet/ und wir alſo GOtt und dem nechſten laͤnger oder ungehinderter zu die-
nen gehindert wuͤrden. Alſo wuͤrde ſich der jenige/ der dennoch wiſſentlich
wider ſeine geſundheit darinnen handeln wolte/ ſothaner ſchwehrer ſuͤnde
ſchuldig machen/ und die verantwortung alles deſſen auff ſich laden/ was er
ſonſten noch gutes ausrichten koͤnnen/ und ſich darzu untuͤchtig gemacht hat.
7. Jedennoch iſt er damit noch nicht des gantzen voti frey/ ſondern er hat von
dem Medico (deſſen judicium hierinnen als in einer ſache/ die ſeiner profeſſion
iſt/ dem gewiſſen ein gnuͤgen thun kan) zuerlernen/ wie viel er ſeines voti ins-

kuͤnff-
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[13/0021] ARTIC. I. SECTIO IV. lichen befehls nicht ohne verletzung goͤttlicher ehre und entheiligung ſei- nes nahmens koͤnnen gebrochen werden. 4. Moſ. 30/ 3. 5. Moſ. 23/. 21. 22. 23. Pred. 5/ 3. 4. Conf. Ap. Geſchicht 5/ 4. Wo dann auff dieſe weiſe dagegen gehandelt worden/ iſt es mit demuͤthiger Buß zuerkennen. 4. Es wird auch in ſolchem fall dennoch das jenige ausgenommen/ wo der menſch/ ſo das votum gethan/ und daſſelbe ſonſten zu andern zeiten hal- ten koͤnne und gehalten hat/ entweder in eine ſchwachheit verfiele/ oder in der- gleichen ſtand kaͤme/ da er es nicht ohne ſchaden halten koͤnte/ daß nemlich auch alsdenn das votum nicht guͤltig bliebe/ ſondern was jetzo folget/ auch darauff gezogen werde. Nemlich 5. wenn der Medicus ſolte gewiſſenhafft urtheilen/ daß entweder bereits in dem gegenwaͤrtigen ohne ſchwaͤchung der geſundheit und bald daher entſtehenden ſchadens ſolches votum nicht gehalten werden koͤnte/ oder doch von jetziger ſo vieler abſtinenz, auff das kuͤnfftige nachtheil zu ſorgen waͤre/ ſo hat die perſon/ ſo das geluͤbde gethan/ zum allerfoͤrderſten ih- re unbedachtſamkeit hertzlich zu erkennen/ daß ſie in einer ſolchen ſache/ da mans mit GOtt ſelbſten zu thun hat/ ohne vorhergehende reiffe deliberati- on, unterſuchung der muͤglichkeit/ und etwa einziehung chriſtlichen raths/ ein ſolches geſchloſſen/ und ein geluͤbd gethan/ ſo ihr nun zu halten unmuͤglich/ daher durch ihre unachtſamkeit den nahmen des HErrn einiger maſſen ent- heiliget habe: da ſie wiſſen und bedencken ſollen/ mit was ſonderbahrem vor- bedacht in dergleichen ſachen vor GOtt zu handeln waͤre. Sie hat ſich alſo deßwegen vor Gott zu demuͤthigen/ ihn um gnaͤdige vergebung zu bitten/ und wo das gewiſſen ſich je nicht ſo bald zu frieden geben will/ ein gewiſſes denck- mal ſich zu machen/ daß man ſich auch ſolcher ſuͤnde vor dem HErrn ſein le- betag erinnere/ und ſtaͤts in wahrer buſſe derſelben bleibe. 6. Hingegen hat man alsdenn die haltung des voti von ſolcher zeit an auffzuheben/ weil es nicht ohne ſuͤnde gehalten werden koͤnte/ indem die wiſſentliche ſchwaͤchung der geſundheit in dieſem fall eine art des ſelbsmords waͤre/ und wir alſo bey unſerm gewiſſen verbunden ſind/ alles das jenige/ was in unſerm willen ſte- het/ zu vermeiden/ wodurch das leben abgekuͤrtzet/ die geſundheit geſchwaͤ- chet/ und wir alſo GOtt und dem nechſten laͤnger oder ungehinderter zu die- nen gehindert wuͤrden. Alſo wuͤrde ſich der jenige/ der dennoch wiſſentlich wider ſeine geſundheit darinnen handeln wolte/ ſothaner ſchwehrer ſuͤnde ſchuldig machen/ und die verantwortung alles deſſen auff ſich laden/ was er ſonſten noch gutes ausrichten koͤnnen/ und ſich darzu untuͤchtig gemacht hat. 7. Jedennoch iſt er damit noch nicht des gantzen voti frey/ ſondern er hat von dem Medico (deſſen judicium hierinnen als in einer ſache/ die ſeiner profeſſion iſt/ dem gewiſſen ein gnuͤgen thun kan) zuerlernen/ wie viel er ſeines voti ins- kuͤnff- B 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/21>, abgerufen am 23.11.2024.