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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701.

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ARTIC. I. SECTIO XXVII.
cke kam/ zeigte sich bald/ daß derselbe zu verstattung der freyheit inclinirte/
doch wurde das geschäffte wegen anderer hindernüssen immer auffgeschoben.
Jndessen unterliesse ich nicht/ bey von freyem aufgestossener und auch selbs ge-
suchter gelegenheit einem und andern von denen/ welche die freyheit vom
beicht-stuhl verlangten/ hertzlich zuzusprechen/ daß sie die liebe darinnen vor-
tringen lassen/ und andrer mitglieder unsrer kirchen/ die sich an ihnen ärger-
ten/ schohnen; und weil man ihren gewissen keinen trang anzuthun suchte/
von freyen stücken ihres begehrens sich begeben/ und der gemeinen ord-
nung wieder bequemen möchten. Jch bekam auch gelegenheit/ als solchen
sommer eine ärgerliche schrifft eines mannes/ den man bald an seiner schreib-
art kennen konte/ unter dem nahmen Apostolischer bericht und unter-
richt von beicht und Abendmahl/
heraus kam/ und von einigen nicht ohne
belieben gelesen/ dadurch aber andre noch mehr erbittert/ und viel christliche
seelen auch hertzlich betrübt worden; also daß nöthig war/ öffentlich davon zu
handlen/ daß ich den 19. nach Trinitat. solches 1697. jahrs bey dem Evange-
lio/ von der dem gichtbrüchigen ertheilten vergebung der sünden/ nicht nur
dieselbe in der predigt gründlich widerlegte/ sondern auch des streits in der
gemeinde wehemüthig erwehnte/ und beiden theilen beweglichst zusprach/
wie sie sich gegen einander bezeugen/ die widrige ihre bitterkeit ablegen/ die
andre aber auch wider die liebe sich auff ihre freyheit mit dero ärgernüß nicht
zu starck beruffen/ sondern lieber weichen solten: wie nun mein gantzes hertz
in derselben ausgeschüttet habe/ so communicire dieselbe auch copeylich hie-
mit. Ob nun wol andre verständige glieder unserer gemeinde/ die gleichsam
nicht parthey genommen hatten/ da sie meinen sinn und bekäntnüß öffentlich
angehöret/ damit wol vergnüget waren; so wurde doch dadurch zur beyle-
gung des streits noch nichts ausgerichtet: sondern der eine theil verharrete
in seinem grimm und hefftigkeit wie gegen Herr M. Schaden/ den sie als den
urheber der sache ansahen/ und gegen diejenige/ die vor die freyheit waren.
Die andre liessen sich hingegen auch durch keine öffentliche oder geheime re-
monstrationes
von ihrem sinn abbringen/ sondern wiederhohlten ihr suchen
immer auffs neue. Jndessen gefiel es GOtt/ Herr M. Schaden den 24. Jul.
des vorigen jahrs (1698) selig abzufodern/ und aus diesen bewegungen in die
wahre ruhe zu versetzen; jene aber wurden dadurch/ wie man hoffen mögen/
nicht geleget/ sondern währeten immerfort/ sonderlich blieben diejenige/ so
vor die freyheit stunden/ so fest bey ihrem vorsatz/ daß ich klahr gnug sahe/ daß/
wo sie das gesuchte nicht erlangten/ eher andre unsrer kirchen gefährlichere
resolutiones und unwieder bringliche ärgernüssen (welche die von der frey ge-
bung entstehende weit überträffen) erfolgen/ als ruhe erhalten werden wür-
de: daß des wegen die sache endlich gehen liesse. Darauff geschahe/ daß S.

Churfl.
U

ARTIC. I. SECTIO XXVII.
cke kam/ zeigte ſich bald/ daß derſelbe zu verſtattung der freyheit inclinirte/
doch wurde das geſchaͤffte wegen anderer hindernuͤſſen immer auffgeſchoben.
Jndeſſen unterlieſſe ich nicht/ bey von freyem aufgeſtoſſener uñ auch ſelbs ge-
ſuchter gelegenheit einem und andern von denen/ welche die freyheit vom
beicht-ſtuhl verlangten/ hertzlich zuzuſprechen/ daß ſie die liebe darinnen vor-
tringen laſſen/ und andrer mitglieder unſrer kirchen/ die ſich an ihnen aͤrger-
ten/ ſchohnen; und weil man ihren gewiſſen keinen trang anzuthun ſuchte/
von freyen ſtuͤcken ihres begehrens ſich begeben/ und der gemeinen ord-
nung wieder bequemen moͤchten. Jch bekam auch gelegenheit/ als ſolchen
ſommer eine aͤrgerliche ſchrifft eines mannes/ den man bald an ſeiner ſchreib-
art kennen konte/ unter dem nahmen Apoſtoliſcher bericht und unter-
richt von beicht und Abendmahl/
heraus kam/ und von einigen nicht ohne
belieben geleſen/ dadurch aber andre noch mehr erbittert/ und viel chriſtliche
ſeelen auch hertzlich betruͤbt worden; alſo daß noͤthig war/ oͤffentlich davon zu
handlen/ daß ich den 19. nach Trinitat. ſolches 1697. jahrs bey dem Evange-
lio/ von der dem gichtbruͤchigen ertheilten vergebung der ſuͤnden/ nicht nur
dieſelbe in der predigt gruͤndlich widerlegte/ ſondern auch des ſtreits in der
gemeinde wehemuͤthig erwehnte/ und beiden theilen beweglichſt zuſprach/
wie ſie ſich gegen einander bezeugen/ die widrige ihre bitterkeit ablegen/ die
andre aber auch wider die liebe ſich auff ihre freyheit mit dero aͤrgernuͤß nicht
zu ſtarck beruffen/ ſondern lieber weichen ſolten: wie nun mein gantzes hertz
in derſelben ausgeſchuͤttet habe/ ſo communicire dieſelbe auch copeylich hie-
mit. Ob nun wol andre verſtaͤndige glieder unſerer gemeinde/ die gleichſam
nicht parthey genommen hatten/ da ſie meinen ſinn und bekaͤntnuͤß oͤffentlich
angehoͤret/ damit wol vergnuͤget waren; ſo wurde doch dadurch zur beyle-
gung des ſtreits noch nichts ausgerichtet: ſondern der eine theil verharrete
in ſeinem grimm und hefftigkeit wie gegen Herr M. Schaden/ den ſie als den
urheber der ſache anſahen/ und gegen diejenige/ die vor die freyheit waren.
Die andre lieſſen ſich hingegen auch durch keine oͤffentliche oder geheime re-
monſtrationes
von ihrem ſinn abbringen/ ſondern wiederhohlten ihr ſuchen
immer auffs neue. Jndeſſen gefiel es GOtt/ Herr M. Schaden den 24. Jul.
des vorigen jahrs (1698) ſelig abzufodern/ und aus dieſen bewegungen in die
wahre ruhe zu verſetzen; jene aber wurden dadurch/ wie man hoffen moͤgen/
nicht geleget/ ſondern waͤhreten immerfort/ ſonderlich blieben diejenige/ ſo
vor die freyheit ſtunden/ ſo feſt bey ihrem vorſatz/ daß ich klahr gnug ſahe/ daß/
wo ſie das geſuchte nicht erlangten/ eher andre unſrer kirchen gefaͤhrlichere
reſolutiones und unwieder bringliche aͤrgernuͤſſen (welche die von der frey ge-
bung entſtehende weit uͤbertraͤffen) erfolgen/ als ruhe erhalten werden wuͤr-
de: daß des wegen die ſache endlich gehen lieſſe. Darauff geſchahe/ daß S.

Churfl.
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[153/0161] ARTIC. I. SECTIO XXVII. cke kam/ zeigte ſich bald/ daß derſelbe zu verſtattung der freyheit inclinirte/ doch wurde das geſchaͤffte wegen anderer hindernuͤſſen immer auffgeſchoben. Jndeſſen unterlieſſe ich nicht/ bey von freyem aufgeſtoſſener uñ auch ſelbs ge- ſuchter gelegenheit einem und andern von denen/ welche die freyheit vom beicht-ſtuhl verlangten/ hertzlich zuzuſprechen/ daß ſie die liebe darinnen vor- tringen laſſen/ und andrer mitglieder unſrer kirchen/ die ſich an ihnen aͤrger- ten/ ſchohnen; und weil man ihren gewiſſen keinen trang anzuthun ſuchte/ von freyen ſtuͤcken ihres begehrens ſich begeben/ und der gemeinen ord- nung wieder bequemen moͤchten. Jch bekam auch gelegenheit/ als ſolchen ſommer eine aͤrgerliche ſchrifft eines mannes/ den man bald an ſeiner ſchreib- art kennen konte/ unter dem nahmen Apoſtoliſcher bericht und unter- richt von beicht und Abendmahl/ heraus kam/ und von einigen nicht ohne belieben geleſen/ dadurch aber andre noch mehr erbittert/ und viel chriſtliche ſeelen auch hertzlich betruͤbt worden; alſo daß noͤthig war/ oͤffentlich davon zu handlen/ daß ich den 19. nach Trinitat. ſolches 1697. jahrs bey dem Evange- lio/ von der dem gichtbruͤchigen ertheilten vergebung der ſuͤnden/ nicht nur dieſelbe in der predigt gruͤndlich widerlegte/ ſondern auch des ſtreits in der gemeinde wehemuͤthig erwehnte/ und beiden theilen beweglichſt zuſprach/ wie ſie ſich gegen einander bezeugen/ die widrige ihre bitterkeit ablegen/ die andre aber auch wider die liebe ſich auff ihre freyheit mit dero aͤrgernuͤß nicht zu ſtarck beruffen/ ſondern lieber weichen ſolten: wie nun mein gantzes hertz in derſelben ausgeſchuͤttet habe/ ſo communicire dieſelbe auch copeylich hie- mit. Ob nun wol andre verſtaͤndige glieder unſerer gemeinde/ die gleichſam nicht parthey genommen hatten/ da ſie meinen ſinn und bekaͤntnuͤß oͤffentlich angehoͤret/ damit wol vergnuͤget waren; ſo wurde doch dadurch zur beyle- gung des ſtreits noch nichts ausgerichtet: ſondern der eine theil verharrete in ſeinem grimm und hefftigkeit wie gegen Herr M. Schaden/ den ſie als den urheber der ſache anſahen/ und gegen diejenige/ die vor die freyheit waren. Die andre lieſſen ſich hingegen auch durch keine oͤffentliche oder geheime re- monſtrationes von ihrem ſinn abbringen/ ſondern wiederhohlten ihr ſuchen immer auffs neue. Jndeſſen gefiel es GOtt/ Herr M. Schaden den 24. Jul. des vorigen jahrs (1698) ſelig abzufodern/ und aus dieſen bewegungen in die wahre ruhe zu verſetzen; jene aber wurden dadurch/ wie man hoffen moͤgen/ nicht geleget/ ſondern waͤhreten immerfort/ ſonderlich blieben diejenige/ ſo vor die freyheit ſtunden/ ſo feſt bey ihrem vorſatz/ daß ich klahr gnug ſahe/ daß/ wo ſie das geſuchte nicht erlangten/ eher andre unſrer kirchen gefaͤhrlichere reſolutiones und unwieder bringliche aͤrgernuͤſſen (welche die von der frey ge- bung entſtehende weit uͤbertraͤffen) erfolgen/ als ruhe erhalten werden wuͤr- de: daß des wegen die ſache endlich gehen lieſſe. Darauff geſchahe/ daß S. Churfl. U

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 2. Halle (Saale), 1701, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken02_1701/161>, abgerufen am 21.11.2024.