Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. nicht getaufft/ ja auch die knäblein nicht vor dem achten tag zum Sacrament ge-lassen/ werden dörffen/ hebet solches unsern schluß nicht auff/ als der sich grün- det auff den vorzug des N. T. daher die gnade der beschneidung wol enger als die tauff kan gewesen seyn/ nicht aber weiter sich erstrecket haben. Bleibet es also dabey/ daß die lehre unserer kirchen von der kindertauff in der H. schrifft ihren grund habe/ ob sie wol/ wie andre mehrere/ nicht mit so vielen worten ausge- drucket stehet. Nun ist 2. annoch zuzeigen/ daß auch in der ersten christlichen kirchen solche einige
Das andere Capitel. nicht getaufft/ ja auch die knaͤblein nicht vor dem achten tag zum Sacrament ge-laſſen/ werden doͤrffen/ hebet ſolches unſern ſchluß nicht auff/ als der ſich gruͤn- det auff den vorzug des N. T. daher die gnade der beſchneidung wol enger als die tauff kan geweſen ſeyn/ nicht aber weiter ſich erſtrecket haben. Bleibet es alſo dabey/ daß die lehre unſerer kirchen von der kindertauff in der H. ſchrifft ihren grund habe/ ob ſie wol/ wie andre mehrere/ nicht mit ſo vielen worten ausge- drucket ſtehet. Nun iſt 2. annoch zuzeigen/ daß auch in der erſten chriſtlichen kirchen ſolche einige
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Das andere Capitel.
nicht getaufft/ ja auch die knaͤblein nicht vor dem achten tag zum Sacrament ge-
laſſen/ werden doͤrffen/ hebet ſolches unſern ſchluß nicht auff/ als der ſich gruͤn-
det auff den vorzug des N. T. daher die gnade der beſchneidung wol enger als die
tauff kan geweſen ſeyn/ nicht aber weiter ſich erſtrecket haben. Bleibet es alſo
dabey/ daß die lehre unſerer kirchen von der kindertauff in der H. ſchrifft ihren
grund habe/ ob ſie wol/ wie andre mehrere/ nicht mit ſo vielen worten ausge-
drucket ſtehet.
Nun iſt 2. annoch zuzeigen/ daß auch in der erſten chriſtlichen kirchen ſolche
kindertauff im ſchwang geweſen. Was nun ſolche ſache anlanget/ iſt zu bedau-
ren/ daß wir von den erſten beyden ſeculis ſo wenige ſchrifften uͤbrig behalten/
daß wir daher aus dero zeugnis nicht alles/ wie wol zu wuͤnſchen waͤre/ wie es in
der kirchen gehalten worden/ zu erweiſen vermoͤgen/ aber eben deswegen aus dem
ſtillſchweigen deren/ die wir noch uͤbrig behalten/ ſich durchaus nicht/ daß eine
ſache nicht geweſen ſeye/ ſchlieſſen laͤſſet. Jndeſſen finden ſich gleichwohl in dem
zweyten jahrhundert zeugen dieſer ſache. Jn ſolches gehoͤret Juſtinus Martyr,
der in der erſten helffte deſſelben gelebet und in ſeinem qq. ad orthodox. q. 56. der
kindertauff meldung thut: ob wol nicht in abrede bin/ daß ſolche quæſtiones nicht
gewiß ihm zugeſchrieben werden koͤnnen/ auffs wenigſte/ wo ſie von ihm kommen/
wol moͤgen einige verfaͤlſchung erlidten haben. Es gehoͤret aber in ſolches ſecu-
lum auch Irenæus der Biſchoff von Lyon, der deutlich L. 2. c. 39. lehret/ daß alle
ſelig werden/ die in Chriſto widergebohren werden/ es ſeyen kinder/ knaben/ juͤng-
ling oder alte. Salvari omnes, qui renaſcantur in Chriſto, infantes, pueros,
juvenes & ſenes. So thut auch noch in ſolchen jahrhundert Tertullianus mel-
dung der gevattern die vor die kleine kinder gut ſprechen. Jn dem nechſten und
dritten ſeculo iſt davon zeuge Cyprianus, der auch die urſachen anfuͤhret L. 3.
Epiſt. 8. Weil keinen gebohrnen menſchen die gnade und barmhertzigkeit GOt-
tes abzuſchlagen ſeye/ die kinder aber ja unter die menſchen gehoͤren. Dann ob
ſie wol durch das alter znnehmen/ ſeye doch das werck GOttes an ihnen als men-
ſchen vollkommen. 2. Weil das goͤttliche geſchenck bey allen gleich/ ſie ſeyen kinder
oder erwachſene/ und die gnade ſelbs nicht geringer oder reichlicher/ nach dem
maaß des alters ertheilet/ ſondern der H. Geiſt nicht nach dem maaß/ ſondern der
vaͤterlichen guͤte/ allen gleich gegeben werde. 3. Weil GOtt ſo wenig das alter
als die perſon anſehe. 4. Weil wo etwas den menſchen von der tauff abhalten
ſolte/ ehe die erwachſene um ihrer ſuͤnde wegen darvon abzuhalten waͤren/ als
die kinder/ die auſſer der erbſchuld ſonſt noch nichts geſuͤndiget haͤtten. 5. Es ſeyn
auch die kinder der barmhertzigkeit ſoviel wuͤrdiger/ weil ſie gleich in dieſes leben mit
weinen eintreten/ und alſo nichts anders thaͤten/ als um gnade beten. Welche
urſachen zeigen/ wie damahl die lehrer die kindertauff angeſehen haben; er ant-
wortet auch ſobald auff die dagegen geſchehene einwuͤrffe. Weil auch damahl
einige
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