Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. werde mit uns zufrieden seyn/ ob wirs nicht weiter/ als sonsten bey rechter ver-fassung der kirche solches erfordert würde/ bringen können. Dieses wären meine wenige gedancken über die angeregte materien: darzu ich noch eine setze/ die ich in unserm gantzen amt sehr nützlich achte: daß nemlich ein Prediger trachten solle in seiner gemeinde bald acht zugeben/ daß er die jenige sonderlich lerne kennen/ die vor andern sich das geistliche und ihre seelen lassen angelegen seyn: um so viel es müglich/ deroselben nähere kundschafft und umgang zusuchen/ und zuveranlassen daß sie auch an ihn sich vertraulich halten/ darmit er durch christliche freundschafft ihren wachsthum immer mehr befördern möge. Wie ich dann davor halte/ man thue wol/ das man an solche seelen mehr fleiß/ als an alle übrige/ anwende/ auch wo nunmehr derselben unterschiedliche sind/ unter ihnen selbs widerum einen ver- traulichen umgang und freundschafft veranlasse/ darmit sie einander selbs auff- muntern. Dann es ist gewiß/ wo ein Prediger durch Gottes seegen so glücklich wird/ daß er in seiner gemeinde nur etzliche wahre kernchristen zu wege bringt/ und unter ihnen eine sondere liebe in dem HErrn stifftet/ so sind sie gleichsam ein sauerteig/ die durch ihr gutes und exempel viel andern teig auch zum guten und gleicher art durchsäuren: ob man wol neben denselben an andere und der übrigen gemeinde dannoch auch sein amt nicht zuversäumen/ sondern so öffentlich als bey andern gelegenheiten besonders treulich zu arbeiten hat. Nun der HErr führe sein werck selbs in und durch uns seliglich zu vieler seelen heil/ und trage hiebey gedult mit unsrer eignen schwachheit und der zeiten verderbnus 1695. SECTIO XV. Die art/ wie die kinderlehre in denen kirchen zu Franckfurt am Mäyn gehalten zu werden pfleget. 1. Sie wird gehalten alle Sonntag in dem gantzen jahr in denen kirchen da die nachmittags predigten sind/ nach haltung derselben/ in denen andern aber zu der stunde/ da sonsten die nachmittags predigt zu halten wäre. 2. Es wird das gantze jahr der catechismus Lutheri tractiret/ ohne die 4. Advents sonntag/ davon der unterschiedlichen zukunfft Christi/ sonntag nach Weinachten vor neujahr/ davon der geburt/ beschneidung und nahmen JEsu/ letzte 2. sonntag in der fasten/ da von den leiden/ Ostern da von der aufferste- hung/ sontag nach himmelfarth/ da von solcher materie/ Pfingsten/ da von der sendung des Heil. Geistes/ und sonntag der Dreyeinigkeit/ da von solchem geheimnüß gehandelt wird. 3. Der catechismus wird in die 5. hauptstück/ dazu denn 6tens die hauß- taffel komt/ abgetheilet/ und in der ordnung der sonntage allezeit in 6. wochen die
Das andere Capitel. werde mit uns zufrieden ſeyn/ ob wirs nicht weiter/ als ſonſten bey rechter ver-faſſung der kirche ſolches erfordert wuͤrde/ bringen koͤnnen. Dieſes waͤren meine wenige gedancken uͤber die angeregte materien: darzu ich noch eine ſetze/ die ich in unſerm gantzen amt ſehr nuͤtzlich achte: daß nemlich ein Prediger trachten ſolle in ſeiner gemeinde bald acht zugeben/ daß er die jenige ſonderlich lerne kennen/ die vor andern ſich das geiſtliche und ihre ſeelen laſſen angelegen ſeyn: um ſo viel es muͤglich/ deroſelben naͤhere kundſchafft und umgang zuſuchen/ und zuveranlaſſen daß ſie auch an ihn ſich vertraulich halten/ darmit er durch chriſtliche freundſchafft ihren wachsthum immer mehr befoͤrdern moͤge. Wie ich dann davor halte/ man thue wol/ das man an ſolche ſeelen mehr fleiß/ als an alle uͤbrige/ anwende/ auch wo nunmehr derſelben unterſchiedliche ſind/ unter ihnen ſelbs widerum einen ver- traulichen umgang und freundſchafft veranlaſſe/ darmit ſie einander ſelbs auff- muntern. Dann es iſt gewiß/ wo ein Prediger durch Gottes ſeegen ſo gluͤcklich wird/ daß er in ſeiner gemeinde nur etzliche wahre kernchriſten zu wege bringt/ und unter ihnen eine ſondere liebe in dem HErrn ſtifftet/ ſo ſind ſie gleichſam ein ſauerteig/ die durch ihr gutes und exempel viel andern teig auch zum guten und gleicher art durchſaͤuren: ob man wol neben denſelben an andere und der uͤbrigen gemeinde dannoch auch ſein amt nicht zuverſaͤumen/ ſondern ſo oͤffentlich als bey andern gelegenheiten beſonders treulich zu arbeiten hat. Nun der HErr fuͤhre ſein werck ſelbs in und durch uns ſeliglich zu vieler ſeelen heil/ und trage hiebey gedult mit unſrer eignen ſchwachheit und der zeiten verderbnus 1695. SECTIO XV. Die art/ wie die kinderlehre in denen kirchen zu Franckfurt am Maͤyn gehalten zu werden pfleget. 1. Sie wird gehalten alle Sonntag in dem gantzen jahr in denen kirchen da die nachmittags predigten ſind/ nach haltung derſelben/ in denen andern aber zu der ſtunde/ da ſonſten die nachmittags predigt zu halten waͤre. 2. Es wird das gantze jahr der catechismus Lutheri tractiret/ ohne die 4. Advents ſonntag/ davon der unterſchiedlichen zukunfft Chriſti/ ſonntag nach Weinachten vor neujahr/ davon der geburt/ beſchneidung und nahmen JEſu/ letzte 2. ſonntag in der faſten/ da von den leiden/ Oſtern da von der aufferſte- hung/ ſontag nach himmelfarth/ da von ſolcher materie/ Pfingſten/ da von der ſendung des Heil. Geiſtes/ und ſonntag der Dreyeinigkeit/ da von ſolchem geheimnuͤß gehandelt wird. 3. Der catechismus wird in die 5. hauptſtuͤck/ dazu denn 6tens die hauß- taffel komt/ abgetheilet/ und in der ordnung der ſonntage allezeit in 6. wochen die
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Das andere Capitel.
werde mit uns zufrieden ſeyn/ ob wirs nicht weiter/ als ſonſten bey rechter ver-
faſſung der kirche ſolches erfordert wuͤrde/ bringen koͤnnen. Dieſes waͤren meine
wenige gedancken uͤber die angeregte materien: darzu ich noch eine ſetze/ die ich in
unſerm gantzen amt ſehr nuͤtzlich achte: daß nemlich ein Prediger trachten ſolle in
ſeiner gemeinde bald acht zugeben/ daß er die jenige ſonderlich lerne kennen/ die
vor andern ſich das geiſtliche und ihre ſeelen laſſen angelegen ſeyn: um ſo viel es
muͤglich/ deroſelben naͤhere kundſchafft und umgang zuſuchen/ und zuveranlaſſen
daß ſie auch an ihn ſich vertraulich halten/ darmit er durch chriſtliche freundſchafft
ihren wachsthum immer mehr befoͤrdern moͤge. Wie ich dann davor halte/ man
thue wol/ das man an ſolche ſeelen mehr fleiß/ als an alle uͤbrige/ anwende/ auch
wo nunmehr derſelben unterſchiedliche ſind/ unter ihnen ſelbs widerum einen ver-
traulichen umgang und freundſchafft veranlaſſe/ darmit ſie einander ſelbs auff-
muntern. Dann es iſt gewiß/ wo ein Prediger durch Gottes ſeegen ſo gluͤcklich
wird/ daß er in ſeiner gemeinde nur etzliche wahre kernchriſten zu wege bringt/
und unter ihnen eine ſondere liebe in dem HErrn ſtifftet/ ſo ſind ſie gleichſam ein
ſauerteig/ die durch ihr gutes und exempel viel andern teig auch zum guten und
gleicher art durchſaͤuren: ob man wol neben denſelben an andere und der uͤbrigen
gemeinde dannoch auch ſein amt nicht zuverſaͤumen/ ſondern ſo oͤffentlich als bey
andern gelegenheiten beſonders treulich zu arbeiten hat. Nun der HErr fuͤhre
ſein werck ſelbs in und durch uns ſeliglich zu vieler ſeelen heil/ und trage hiebey
gedult mit unſrer eignen ſchwachheit und der zeiten verderbnus 1695.
SECTIO XV.
Die art/ wie die kinderlehre in denen kirchen zu
Franckfurt am Maͤyn gehalten zu werden pfleget.
1. Sie wird gehalten alle Sonntag in dem gantzen jahr in denen kirchen
da die nachmittags predigten ſind/ nach haltung derſelben/ in denen andern
aber zu der ſtunde/ da ſonſten die nachmittags predigt zu halten waͤre.
2. Es wird das gantze jahr der catechismus Lutheri tractiret/ ohne die 4.
Advents ſonntag/ davon der unterſchiedlichen zukunfft Chriſti/ ſonntag nach
Weinachten vor neujahr/ davon der geburt/ beſchneidung und nahmen JEſu/
letzte 2. ſonntag in der faſten/ da von den leiden/ Oſtern da von der aufferſte-
hung/ ſontag nach himmelfarth/ da von ſolcher materie/ Pfingſten/ da von
der ſendung des Heil. Geiſtes/ und ſonntag der Dreyeinigkeit/ da von ſolchem
geheimnuͤß gehandelt wird.
3. Der catechismus wird in die 5. hauptſtuͤck/ dazu denn 6tens die hauß-
taffel komt/ abgetheilet/ und in der ordnung der ſonntage allezeit in 6. wochen
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