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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. IV. SECT. IX.
also die nothdurfft erfordert/ dem ärgernuß zu steuren/ gebraucht werden solle.
4. Wären auch gar convitia, mit gebrauchung des worts bösewicht/ in einer
offenbahren application auff den Herrn Rectorem, von der cantzel gefallen/
würde der mißbrauch des straffamts noch so viel weniger sich entschuldigen las-
sen. Alles dieses schreibe ich ex praesupposito des berichts/ der mir erstattet
worden/ nicht wissend/ ob der Herr Pastor etwas an derselben zu desideriren/
oder womit er sein vorhaben zu justificiren habe/ und also ob etwas dagegen von
ihm eingewendet werden könne/ so ich itzo nicht vorsehen kan/ und sonsten zu ge-
lindern gedancken ursach geben möchte.

4. Nunmehr auff die eigentliche frage zu kommen/ was ferner gewissens
halber zu thun seye/ so kan zum allerfördersten in keiner sache/ viel weniger abson-
derlich bey diesen umständen eine eigentliche actionem injuriarum rathen oder
billigen/ als die ich insgesamt den regeln Christi zu wider zu seyn/ mich versichere.
Denn der GOtt/ der mir alle eigentlich so genante rache verboten hat/ hat mir
auch diejenige verboten/ welche ich durch die Obrigkeit zu verüben mich unterste-
hen wolte; und wie dieselbe GOttes dienerin ist/ zu handhabung der gerechtig-
keit/ so muß ich sie darum nicht zur dienerin und vollstreckerin meiner fleischlichen
affecten/ wohin alle rache gehöret/ machen: daher ich es vor einen nicht gerin-
gen fehler unsers christenthums halte/ daß wir injurien-proceffe führen. Jn-
dessen aber/ weil gleichwol die Obrigkeit Rom. 13. von GOtt zum schutz der
frommen
und also vertheidigung der unschuld verordnet ist/ so streitet es nicht
wieder Christi ordnung oder wider die liebe/ wenn ich bey derselben nicht die Ra-
che (wie hergegen in den injurien processen eine eigentliche vindicatio stecket)
sondern beschirmung meiner unschuld gegen diejenige/ welche dieselben verletzen/
suche/ wie auch dorten Paulus zu seinem schutz/ nicht aber bestraffung derer/
welche ihn biß dahin mißgehandelt/ sich auff den Käyser berieff. Dahero ich
vor das rathsamste und christlichste hielte/ daß der Herr Rector, nach dem er aus
vorhergegangenen zu sorgen hat/ daß so wol seine öffentliche beschimpffung/ da
ohne zweiffel auch andre in den predigten/ wohin es gemeinet/ werden wahrge-
nommen haben/ ihm an seinem guten nahmen und verrichtung seines amts/ oder
auch fernerer beförderung/ möchte nachtheilig seyn/ als auch er ohne höhern schutz
immer dergleichen zu besorgen haben/ und also/ weil die sache wol würdig ist/
GOttes schutz in seiner ordnung zu suchen/ die sache an gehörigen orten (da der-
selbe selbs wissen wird/ was bey ihnen das forum competens seyn werde) auff
diese weise anbrächte/ was zwischen ihm und dem Hrn. Pastore vorgegangen/ fi-
deliter
vortrüge/ seine beschwerde darüber darlegte/ und von dem richter begehr-
te/ daß er die sache gründlich untersuchen/ den gegentheil auch darüber vernehmen
und auff solche weise sprechen wolle/ damit so wol des Herrn Rectoris guter nah-

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ARTIC. IV. SECT. IX.
alſo die nothdurfft erfordert/ dem aͤrgernuß zu ſteuren/ gebraucht werden ſolle.
4. Waͤren auch gar convitia, mit gebrauchung des worts boͤſewicht/ in einer
offenbahren application auff den Herrn Rectorem, von der cantzel gefallen/
wuͤrde der mißbrauch des ſtraffamts noch ſo viel weniger ſich entſchuldigen laſ-
ſen. Alles dieſes ſchreibe ich ex præſuppoſito des berichts/ der mir erſtattet
worden/ nicht wiſſend/ ob der Herr Paſtor etwas an derſelben zu deſideriren/
oder womit er ſein vorhaben zu juſtificiren habe/ und alſo ob etwas dagegen von
ihm eingewendet werden koͤnne/ ſo ich itzo nicht vorſehen kan/ und ſonſten zu ge-
lindern gedancken urſach geben moͤchte.

4. Nunmehr auff die eigentliche frage zu kommen/ was ferner gewiſſens
halber zu thun ſeye/ ſo kan zum allerfoͤrderſten in keiner ſache/ viel weniger abſon-
derlich bey dieſen umſtaͤnden eine eigentliche actionem injuriarum rathen oder
billigen/ als die ich insgeſamt den regeln Chriſti zu wider zu ſeyn/ mich verſichere.
Denn der GOtt/ der mir alle eigentlich ſo genante rache verboten hat/ hat mir
auch diejenige verboten/ welche ich durch die Obrigkeit zu veruͤben mich unterſte-
hen wolte; und wie dieſelbe GOttes dienerin iſt/ zu handhabung der gerechtig-
keit/ ſo muß ich ſie darum nicht zur dienerin und vollſtreckerin meiner fleiſchlichen
affecten/ wohin alle rache gehoͤret/ machen: daher ich es vor einen nicht gerin-
gen fehler unſers chriſtenthums halte/ daß wir injurien-proceffe fuͤhren. Jn-
deſſen aber/ weil gleichwol die Obrigkeit Rom. 13. von GOtt zum ſchutz der
frommen
und alſo vertheidigung der unſchuld verordnet iſt/ ſo ſtreitet es nicht
wieder Chriſti ordnung oder wider die liebe/ wenn ich bey derſelben nicht die Ra-
che (wie hergegen in den injurien proceſſen eine eigentliche vindicatio ſtecket)
ſondern beſchirmung meiner unſchuld gegen diejenige/ welche dieſelben verletzen/
ſuche/ wie auch dorten Paulus zu ſeinem ſchutz/ nicht aber beſtraffung derer/
welche ihn biß dahin mißgehandelt/ ſich auff den Kaͤyſer berieff. Dahero ich
vor das rathſamſte und chriſtlichſte hielte/ daß der Herr Rector, nach dem er aus
vorhergegangenen zu ſorgen hat/ daß ſo wol ſeine oͤffentliche beſchimpffung/ da
ohne zweiffel auch andre in den predigten/ wohin es gemeinet/ werden wahrge-
nommen haben/ ihm an ſeinem guten nahmen und verrichtung ſeines amts/ oder
auch fernerer befoͤrderung/ moͤchte nachtheilig ſeyn/ als auch er ohne hoͤhern ſchutz
immer dergleichen zu beſorgen haben/ und alſo/ weil die ſache wol wuͤrdig iſt/
GOttes ſchutz in ſeiner ordnung zu ſuchen/ die ſache an gehoͤrigen orten (da der-
ſelbe ſelbs wiſſen wird/ was bey ihnen das forum competens ſeyn werde) auff
dieſe weiſe anbraͤchte/ was zwiſchen ihm und dem Hrn. Paſtore vorgegangen/ fi-
deliter
vortruͤge/ ſeine beſchwerde daruͤber darlegte/ und von dem richter begehr-
te/ daß er die ſache gruͤndlich unterſuchen/ den gegentheil auch daruͤber vernehmen
und auff ſolche weiſe ſprechen wolle/ damit ſo wol des Herrn Rectoris guter nah-

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[37/0837] ARTIC. IV. SECT. IX. alſo die nothdurfft erfordert/ dem aͤrgernuß zu ſteuren/ gebraucht werden ſolle. 4. Waͤren auch gar convitia, mit gebrauchung des worts boͤſewicht/ in einer offenbahren application auff den Herrn Rectorem, von der cantzel gefallen/ wuͤrde der mißbrauch des ſtraffamts noch ſo viel weniger ſich entſchuldigen laſ- ſen. Alles dieſes ſchreibe ich ex præſuppoſito des berichts/ der mir erſtattet worden/ nicht wiſſend/ ob der Herr Paſtor etwas an derſelben zu deſideriren/ oder womit er ſein vorhaben zu juſtificiren habe/ und alſo ob etwas dagegen von ihm eingewendet werden koͤnne/ ſo ich itzo nicht vorſehen kan/ und ſonſten zu ge- lindern gedancken urſach geben moͤchte. 4. Nunmehr auff die eigentliche frage zu kommen/ was ferner gewiſſens halber zu thun ſeye/ ſo kan zum allerfoͤrderſten in keiner ſache/ viel weniger abſon- derlich bey dieſen umſtaͤnden eine eigentliche actionem injuriarum rathen oder billigen/ als die ich insgeſamt den regeln Chriſti zu wider zu ſeyn/ mich verſichere. Denn der GOtt/ der mir alle eigentlich ſo genante rache verboten hat/ hat mir auch diejenige verboten/ welche ich durch die Obrigkeit zu veruͤben mich unterſte- hen wolte; und wie dieſelbe GOttes dienerin iſt/ zu handhabung der gerechtig- keit/ ſo muß ich ſie darum nicht zur dienerin und vollſtreckerin meiner fleiſchlichen affecten/ wohin alle rache gehoͤret/ machen: daher ich es vor einen nicht gerin- gen fehler unſers chriſtenthums halte/ daß wir injurien-proceffe fuͤhren. Jn- deſſen aber/ weil gleichwol die Obrigkeit Rom. 13. von GOtt zum ſchutz der frommen und alſo vertheidigung der unſchuld verordnet iſt/ ſo ſtreitet es nicht wieder Chriſti ordnung oder wider die liebe/ wenn ich bey derſelben nicht die Ra- che (wie hergegen in den injurien proceſſen eine eigentliche vindicatio ſtecket) ſondern beſchirmung meiner unſchuld gegen diejenige/ welche dieſelben verletzen/ ſuche/ wie auch dorten Paulus zu ſeinem ſchutz/ nicht aber beſtraffung derer/ welche ihn biß dahin mißgehandelt/ ſich auff den Kaͤyſer berieff. Dahero ich vor das rathſamſte und chriſtlichſte hielte/ daß der Herr Rector, nach dem er aus vorhergegangenen zu ſorgen hat/ daß ſo wol ſeine oͤffentliche beſchimpffung/ da ohne zweiffel auch andre in den predigten/ wohin es gemeinet/ werden wahrge- nommen haben/ ihm an ſeinem guten nahmen und verrichtung ſeines amts/ oder auch fernerer befoͤrderung/ moͤchte nachtheilig ſeyn/ als auch er ohne hoͤhern ſchutz immer dergleichen zu beſorgen haben/ und alſo/ weil die ſache wol wuͤrdig iſt/ GOttes ſchutz in ſeiner ordnung zu ſuchen/ die ſache an gehoͤrigen orten (da der- ſelbe ſelbs wiſſen wird/ was bey ihnen das forum competens ſeyn werde) auff dieſe weiſe anbraͤchte/ was zwiſchen ihm und dem Hrn. Paſtore vorgegangen/ fi- deliter vortruͤge/ ſeine beſchwerde daruͤber darlegte/ und von dem richter begehr- te/ daß er die ſache gruͤndlich unterſuchen/ den gegentheil auch daruͤber vernehmen und auff ſolche weiſe ſprechen wolle/ damit ſo wol des Herrn Rectoris guter nah- me e 3

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/837>, abgerufen am 22.11.2024.