Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. ben/ und vor seinem angesicht zu wandlen/ und weil viel vergeben worden/desto mehr auch zu lieben. Luc. 7/ 47. Es geziehmet sich auch täglich sich der grossen wolthat/ aus vorigen stricken des teuffels erlöset worden zu seyn/ hertzlich zu erinnern/ um dem HErrn davor nicht allein mündlich zu dancken/ sondern sich auch zur thätlichen danckbarkeit in dem übrigen leben auffzu- muntern: ja es solte nicht undienlich seyn sich einige gewisse merckmal zu ma- chen/ mit fasten und dergleichen übungen/ um mehrmal auff sonderbare weise die gedächtnüß der empfangenen gnade bey sich zu erneuen. So dann will auch nöthig seyn/ wo der HERR einem solchen bekehrten nachmal einiges schwehres auch wol langwihriges leiden zuschickte/ es seye nun von kranckheit oder allerley widerwärtigkeit/ dasselbe mit so vielmehr gedult zuertragen/ ja göttlicher güte zu dancken/ die was sie sonsten als eine wolverdiente straff der sünden gerechter weise hätte zuschicken können/ nun allein zur probe und ü- bung des glaubens/ zur heilsamen züchtigung und hülffs-mittel der heili- gung zusende. Wer aber über das folgende leiden gegen GOtt murret/ ver- räth sich/ daß er sich die schwehre seiner vorigen sünde/ noch nicht so zu hertzen/ wie sichs geziehmet/ habe gehen lassen. §. XXVIII. Hieneben 4. geziehmet sich ferner/ alle gelegenheit/ dadurch licher
Das erſte Capitel. ben/ und vor ſeinem angeſicht zu wandlen/ und weil viel vergeben worden/deſto mehr auch zu lieben. Luc. 7/ 47. Es geziehmet ſich auch taͤglich ſich der groſſen wolthat/ aus vorigen ſtricken des teuffels erloͤſet worden zu ſeyn/ hertzlich zu erinnern/ um dem HErrn davor nicht allein muͤndlich zu dancken/ ſondern ſich auch zur thaͤtlichen danckbarkeit in dem uͤbrigen leben auffzu- muntern: ja es ſolte nicht undienlich ſeyn ſich einige gewiſſe merckmal zu ma- chen/ mit faſten und dergleichen uͤbungen/ um mehrmal auff ſonderbare weiſe die gedaͤchtnuͤß der empfangenen gnade bey ſich zu erneuen. So dann will auch noͤthig ſeyn/ wo der HERR einem ſolchen bekehrten nachmal einiges ſchwehres auch wol langwihriges leiden zuſchickte/ es ſeye nun von kranckheit oder allerley widerwaͤrtigkeit/ daſſelbe mit ſo vielmehr gedult zuertragen/ ja goͤttlicher guͤte zu dancken/ die was ſie ſonſten als eine wolverdiente ſtraff der ſuͤnden gerechter weiſe haͤtte zuſchicken koͤnnen/ nun allein zur probe und uͤ- bung des glaubens/ zur heilſamen zuͤchtigung und huͤlffs-mittel der heili- gung zuſende. Wer aber uͤber das folgende leiden gegen GOtt murret/ ver- raͤth ſich/ daß er ſich die ſchwehre ſeiner vorigen ſuͤnde/ noch nicht ſo zu hertzen/ wie ſichs geziehmet/ habe gehen laſſen. §. XXVIII. Hieneben 4. geziehmet ſich ferner/ alle gelegenheit/ dadurch licher
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Das erſte Capitel.
ben/ und vor ſeinem angeſicht zu wandlen/ und weil viel vergeben worden/
deſto mehr auch zu lieben. Luc. 7/ 47. Es geziehmet ſich auch taͤglich ſich der
groſſen wolthat/ aus vorigen ſtricken des teuffels erloͤſet worden zu ſeyn/
hertzlich zu erinnern/ um dem HErrn davor nicht allein muͤndlich zu dancken/
ſondern ſich auch zur thaͤtlichen danckbarkeit in dem uͤbrigen leben auffzu-
muntern: ja es ſolte nicht undienlich ſeyn ſich einige gewiſſe merckmal zu ma-
chen/ mit faſten und dergleichen uͤbungen/ um mehrmal auff ſonderbare weiſe
die gedaͤchtnuͤß der empfangenen gnade bey ſich zu erneuen. So dann will
auch noͤthig ſeyn/ wo der HERR einem ſolchen bekehrten nachmal einiges
ſchwehres auch wol langwihriges leiden zuſchickte/ es ſeye nun von kranckheit
oder allerley widerwaͤrtigkeit/ daſſelbe mit ſo vielmehr gedult zuertragen/ ja
goͤttlicher guͤte zu dancken/ die was ſie ſonſten als eine wolverdiente ſtraff der
ſuͤnden gerechter weiſe haͤtte zuſchicken koͤnnen/ nun allein zur probe und uͤ-
bung des glaubens/ zur heilſamen zuͤchtigung und huͤlffs-mittel der heili-
gung zuſende. Wer aber uͤber das folgende leiden gegen GOtt murret/ ver-
raͤth ſich/ daß er ſich die ſchwehre ſeiner vorigen ſuͤnde/ noch nicht ſo zu hertzen/
wie ſichs geziehmet/ habe gehen laſſen.
§. XXVIII. Hieneben 4. geziehmet ſich ferner/ alle gelegenheit/ dadurch
man wieder auch nur um etwas den alten abwegen naͤher kommen koͤnte/ mit
allem ernſt zu fliehen/ nicht allein in vermeidung vielen umgangs ſolcher leu-
te/ die mit dergleichen gifft angeſteckt ſind/ und daher ein neubekehrter ſich
derſelben/ ohne wo er etwas an ihnen zu beſſern hoffnung haben kan/ um an-
derer und ſeiner ſelbs willen billich entſchlagen/ nicht aber vermeſſentlich und
aus vertrauen eigener kraͤffte ſich mit ihnen einlaſſen ſolle (wohin auch die
vermeidung verfuͤhriſcher buͤcher gehoͤret) ſondern auch in ſorgfaͤltiger ver-
wahrung vor andern muthwilligen ſuͤnden/ als wodurch man ſich eben ſo
wol von GOtt entfernet: und gleichwol ein ſolcher menſch ſtets in derglei-
chen gefahr ſtehet. Dann weil der ſatan/ der zeit voriger gottloſigkeit in ihm
gleichſam gewohnet hat/ durch die bekehrung erſt ausgetrieben worden/ aber
ungern gewichen iſt/ ſo iſt kein zweiffel nach Luc. 11. daß er nach aller gele-
genheit trachte/ ſeine vorige herberge wieder zu beziehen; darzu ihm befor-
derlich iſt/ wo er erſt ihn wieder in ſeinen dienſt durch die herrſchafft dieſer o-
der jener ſuͤnde bringe. Dann erlangt er dieſes/ und der bekehrt geweſte raͤu-
met gewiſſen ſuͤnden bey ſich eine ſtelle alſo ein/ daß er ſie mit willen begehet/
und etwas darinn beharret/ ſo faͤllet er damit in goͤttliche ungnade/ der ſatan
wird durch die ſuͤnde maͤchtig in ihm/ hingegen der Heil. Geiſt muß weichen/
damit erloͤſchet das himmliſche gnaden-liecht des glaubens in dem menſchen
wie unſre kirche einmuͤthig lehret/ und ſolches aus GOttes wort erwieſen
hat) ob wol noch die buchſtaͤbliche erkaͤntnuͤß des vorhin gewußtẽ/ ein menſch-
licher
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