Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das erste Capitel. festigung des anfangs des glaubens: und 3. die einrichtung künfftiger danck-barkeit. §. XVIII. So ist nun das erste/ daß ein solcher mensch/ so bald ihn die §. XIX. Es machet aber die sünde viel schwehrer/ nicht allein weil sie ge- gantz
Das erſte Capitel. feſtigung des anfangs des glaubens: und 3. die einrichtung kuͤnfftiger danck-barkeit. §. XVIII. So iſt nun das erſte/ daß ein ſolcher menſch/ ſo bald ihn die §. XIX. Es machet aber die ſuͤnde viel ſchwehrer/ nicht allein weil ſie ge- gantz
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0072" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das erſte Capitel.</hi></fw><lb/> feſtigung des anfangs des glaubens: und 3. die einrichtung kuͤnfftiger danck-<lb/> barkeit.</p><lb/> <p>§. <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> So iſt nun das erſte/ daß ein ſolcher menſch/ ſo bald ihn die<lb/> gnade GOttes zu ruͤhren anhebt/ derſelben bey ſich platz gebe in wahrer<lb/> buß/ ſich nehmlich die grauſamkeit ſeiner ſuͤnden und euſſerſte gefahr des<lb/> etwa lang gewaͤhrten zuſtands recht vor augen zuſtellen/ um einen heiligen<lb/> ſchrecken und ſchaam daruͤber bey ſich zu erwecken/ ſolchen wuſt im ernſtli-<lb/> chen haß durch goͤttliche gnade ſorgfaͤltig von ſich auszukehren/ und die groͤſſe<lb/> goͤttlicher ihm erzeigender gnade deſto hoͤher zu erheben. Die ſchwehre der<lb/> ſuͤnde zeiget ſich/ worauff man nur die augen hinwendet. So iſt nun der<lb/><hi rendition="#aq">Atheiſmus</hi> vor allen andern eine ſo viel ſchrecklichere ſuͤnde/ als unmittelba-<lb/> rer ſie gegen GOtt gehet/ und in deſſen verleugnung beſtehet/ als die denſel-<lb/> ben gleichſam von ſeinem thron herab ſetzen oder ſtuͤrtzen will. Wie nun in der<lb/> welt/ ob wohl ein regent ſich durch uͤbertretung eines jeden ſeiner gebot/ als<lb/> woduꝛch allemal der ihm ſchuldige <hi rendition="#aq">reſpect</hi> mit hindangeſetzet wird/ beleidiget<lb/> achtet/ doch alles das/ was wider ihn ſonſt geſchihet/ in keine vergleichung<lb/> mit dem jenigen verbrechen kommet/ wo einige von ihren regenten nichts<lb/> wiſſen wollen/ laͤugnen daß ſie ihre regenten ſind/ wollen ihnen alſo durchauß<lb/> nicht gehorchen/ und wann ſie auch aus andern urſachen etwas nach ihrem be-<lb/> fehl thun/ es doch darvor nicht wollen angeſehen haben/ ſuchen auch andere<lb/> von ihnen abzuwenden: alſo daß ein regent eines einigen ſolchen offenbahren<lb/> frevel und feindſeligkeit vor ſchwerere beleidigung annimmet/ als vieler an-<lb/> derer auch boßhafftigen ungehorſam. Ja es werden auch herrn/ die ſonſten<lb/> guͤtig ſind/ und vieles nachſehen und vergeben koͤnnen/ ſchwehr dran kommen/<lb/> eine ſolche gleichſam geſchworne feindſeligkeit zuverzeihen: geſchihet aber<lb/> dieſes/ ſo wird eine ſolche guͤte als etwas auſſerordentliches geachtet und ge-<lb/> ruͤhmet. Eine gleiche bewandnuͤß aber hat es nun mit dem <hi rendition="#aq">Atheiſmo</hi> an ſich<lb/> ſelbs/ in vergleichung gegen andere ſuͤnden.</p><lb/> <p>§. <hi rendition="#aq">XIX.</hi> Es machet aber die ſuͤnde viel ſchwehrer/ nicht allein weil ſie ge-<lb/> rade gegen GOtt gehet/ ſondern auch weil ſich GOtt allen menſchen ſo weit<lb/> gnugſam geoffenbahret hat/ daß keiner eine entſchuldigung ſeiner gottloſig-<lb/> keit haben kan/ wie Paulus <hi rendition="#fr">Rom.</hi> 1. alle Heiden deſſen uͤberzeuget: Daher<lb/> es eine ſuͤnde iſt/ mit dero man nicht als aus menſchlicher bloſſer ſchwachheit<lb/> herkommende mitleiden zutragen/ ſondern dero boßheit zu verurtheilen hat.<lb/> Wie nun ſolches auch denen gilt/ die kein ander mittel der erkaͤntnuͤß als das<lb/> buch der natur und des gewiſſens gehabt haben/ ſo iſts noch ſo viel unſchuld-<lb/> barer/ wo einige darein verfallen/ die unter Chriſten gebohren und erzogen<lb/> ſind/ und ihnen alſo an den nechſten mitteln zu derſelbigen erkaͤntnuͤß nichts<lb/> abgegangen iſt/ ſie aber entweder aus verdammlicher verachtung dieſelbe<lb/> <fw place="bottom" type="catch">gantz</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0072]
Das erſte Capitel.
feſtigung des anfangs des glaubens: und 3. die einrichtung kuͤnfftiger danck-
barkeit.
§. XVIII. So iſt nun das erſte/ daß ein ſolcher menſch/ ſo bald ihn die
gnade GOttes zu ruͤhren anhebt/ derſelben bey ſich platz gebe in wahrer
buß/ ſich nehmlich die grauſamkeit ſeiner ſuͤnden und euſſerſte gefahr des
etwa lang gewaͤhrten zuſtands recht vor augen zuſtellen/ um einen heiligen
ſchrecken und ſchaam daruͤber bey ſich zu erwecken/ ſolchen wuſt im ernſtli-
chen haß durch goͤttliche gnade ſorgfaͤltig von ſich auszukehren/ und die groͤſſe
goͤttlicher ihm erzeigender gnade deſto hoͤher zu erheben. Die ſchwehre der
ſuͤnde zeiget ſich/ worauff man nur die augen hinwendet. So iſt nun der
Atheiſmus vor allen andern eine ſo viel ſchrecklichere ſuͤnde/ als unmittelba-
rer ſie gegen GOtt gehet/ und in deſſen verleugnung beſtehet/ als die denſel-
ben gleichſam von ſeinem thron herab ſetzen oder ſtuͤrtzen will. Wie nun in der
welt/ ob wohl ein regent ſich durch uͤbertretung eines jeden ſeiner gebot/ als
woduꝛch allemal der ihm ſchuldige reſpect mit hindangeſetzet wird/ beleidiget
achtet/ doch alles das/ was wider ihn ſonſt geſchihet/ in keine vergleichung
mit dem jenigen verbrechen kommet/ wo einige von ihren regenten nichts
wiſſen wollen/ laͤugnen daß ſie ihre regenten ſind/ wollen ihnen alſo durchauß
nicht gehorchen/ und wann ſie auch aus andern urſachen etwas nach ihrem be-
fehl thun/ es doch darvor nicht wollen angeſehen haben/ ſuchen auch andere
von ihnen abzuwenden: alſo daß ein regent eines einigen ſolchen offenbahren
frevel und feindſeligkeit vor ſchwerere beleidigung annimmet/ als vieler an-
derer auch boßhafftigen ungehorſam. Ja es werden auch herrn/ die ſonſten
guͤtig ſind/ und vieles nachſehen und vergeben koͤnnen/ ſchwehr dran kommen/
eine ſolche gleichſam geſchworne feindſeligkeit zuverzeihen: geſchihet aber
dieſes/ ſo wird eine ſolche guͤte als etwas auſſerordentliches geachtet und ge-
ruͤhmet. Eine gleiche bewandnuͤß aber hat es nun mit dem Atheiſmo an ſich
ſelbs/ in vergleichung gegen andere ſuͤnden.
§. XIX. Es machet aber die ſuͤnde viel ſchwehrer/ nicht allein weil ſie ge-
rade gegen GOtt gehet/ ſondern auch weil ſich GOtt allen menſchen ſo weit
gnugſam geoffenbahret hat/ daß keiner eine entſchuldigung ſeiner gottloſig-
keit haben kan/ wie Paulus Rom. 1. alle Heiden deſſen uͤberzeuget: Daher
es eine ſuͤnde iſt/ mit dero man nicht als aus menſchlicher bloſſer ſchwachheit
herkommende mitleiden zutragen/ ſondern dero boßheit zu verurtheilen hat.
Wie nun ſolches auch denen gilt/ die kein ander mittel der erkaͤntnuͤß als das
buch der natur und des gewiſſens gehabt haben/ ſo iſts noch ſo viel unſchuld-
barer/ wo einige darein verfallen/ die unter Chriſten gebohren und erzogen
ſind/ und ihnen alſo an den nechſten mitteln zu derſelbigen erkaͤntnuͤß nichts
abgegangen iſt/ ſie aber entweder aus verdammlicher verachtung dieſelbe
gantz
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/72 |
Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/72>, abgerufen am 16.02.2025. |