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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. III. SECTIO VIII.
then Bruder mitzutheilen/ ist die sache allzu generaf, und wo ses die gan-
tze führung des amts angehet/ kan derselbige leicht erachten/ daß solches
ein werck nicht eines brieffs ist/ sondern gantze bücher darzu gehören/
und ich in allen meinen schrifften davon handle: wo aber die absicht auff
etwas besonders solte gerichtet seyn/ so wüste doch auch nicht zuerrathen/
worinnen oder wovon derselbe meine anweisung verlange. Damit ich
aber gleichwohl sein an mich gethanes begehren nicht gantz vergebens
seyn lasse/ so will nur etzlicher mittel/ oder vorschläge meldung thun/ da-
durch etwa die erbauung einer gemeinde sonderlich befördert werden
kan. Die erste ist eine fleißige catechisation, davon folgende stücke
vornehmlich in acht zunehmen dienlich achte. 1. daß zwahr die jugend
allein ordinarie examiniret/ aber dahin getrachtet werde/ daß man
die alte mit zu auditoribus darzu bekomme: aber 2. solches nicht so
wohl durch zwang oder leges poenales als vielmehr durch freundliche
einladung/ und eine solche anstellung des examinis mit der jugend/
daß die alten selbs aus der erfahrung sehen/ wie erbaulich ihnen das zu-
hören seye/ und also willig sich einstelten; auffs wenigste wolte ich nicht
leicht jemand darzu nöthigen/ es wäre denn ein exercitium schon eine
gute weile im schwange gewesen/ würde von den meisten frequentiret/
und etwa nur von einigen widerspenstigen zu anderer ärgernüß vermieden/
da endlich nicht zuwider seyn wolte/ wo man die mittel hätte/ solche auch
herbey zunöthigen. 3. solle die jugend billich nichts auswendig zu ler-
nen getrieben werden/ als den allgemeinen Catechismum Lutheri, was
andere catechetische erklährungen anlangt/ mögen sie den examina-
toribus
oder auch den examinandis, aber nur zu lesen dienlich seyn;
will aber jemand so bey der jugend nicht unrathsam/ etwas weiter ler-
nen/ so ists am besten/ man lerne sprüche. 4. Die examina müssen
nicht nur in fragen und recitirung der im Catechismo besindlicher ant-
wort bestehen/ sondern in zertheilung einer jeglichen frage in viel an-
dere fragen/ die also mit eingerichtet werden müssen/ daß sie eine erkläh-
rung mit gleichsam in sich fassen/ und die jugend gewehnt werde/ der sache
selbst nachzudencken/ und aus eigenem verstand zu antworten. Welches
viel möglicher ist/ als manche glauben/ die es nicht erfahren haben/
wie weit kinder und einfältige leute durch treue information und exa-
mina
gebracht werden können. Bey solchen ist auch allein die rechte
absicht der catechisation erhalten/ die nicht nur bestehen muß/ daß

einige

ARTIC. III. SECTIO VIII.
then Bruder mitzutheilen/ iſt die ſache allzu generaf, und wo ſes die gan-
tze fuͤhrung des amts angehet/ kan derſelbige leicht erachten/ daß ſolches
ein werck nicht eines brieffs iſt/ ſondern gantze buͤcher darzu gehoͤren/
und ich in allen meinen ſchrifften davon handle: wo aber die abſicht auff
etwas beſonders ſolte gerichtet ſeyn/ ſo wuͤſte doch auch nicht zuerrathen/
worinnen oder wovon derſelbe meine anweiſung verlange. Damit ich
aber gleichwohl ſein an mich gethanes begehren nicht gantz vergebens
ſeyn laſſe/ ſo will nur etzlicher mittel/ oder vorſchlaͤge meldung thun/ da-
durch etwa die erbauung einer gemeinde ſonderlich befoͤrdert werden
kan. Die erſte iſt eine fleißige catechiſation, davon folgende ſtuͤcke
vornehmlich in acht zunehmen dienlich achte. 1. daß zwahr die jugend
allein ordinarie examiniret/ aber dahin getrachtet werde/ daß man
die alte mit zu auditoribus darzu bekomme: aber 2. ſolches nicht ſo
wohl durch zwang oder leges pœnales als vielmehr durch freundliche
einladung/ und eine ſolche anſtellung des examinis mit der jugend/
daß die alten ſelbs aus der erfahrung ſehen/ wie erbaulich ihnen das zu-
hoͤren ſeye/ und alſo willig ſich einſtelten; auffs wenigſte wolte ich nicht
leicht jemand darzu noͤthigen/ es waͤre denn ein exercitium ſchon eine
gute weile im ſchwange geweſen/ wuͤrde von den meiſten frequentiret/
und etwa nur von einigen widerſpenſtigen zu anderer aͤrgernuͤß vermieden/
da endlich nicht zuwider ſeyn wolte/ wo man die mittel haͤtte/ ſolche auch
herbey zunoͤthigen. 3. ſolle die jugend billich nichts auswendig zu ler-
nen getrieben werden/ als den allgemeinen Catechiſmum Lutheri, was
andere catechetiſche erklaͤhrungen anlangt/ moͤgen ſie den examina-
toribus
oder auch den examinandis, aber nur zu leſen dienlich ſeyn;
will aber jemand ſo bey der jugend nicht unrathſam/ etwas weiter ler-
nen/ ſo iſts am beſten/ man lerne ſpruͤche. 4. Die examina muͤſſen
nicht nur in fragen und recitirung der im Catechiſmo beſindlicher ant-
wort beſtehen/ ſondern in zertheilung einer jeglichen frage in viel an-
dere fragen/ die alſo mit eingerichtet werden muͤſſen/ daß ſie eine erklaͤh-
rung mit gleichſam in ſich faſſen/ und die jugend gewehnt werde/ der ſache
ſelbſt nachzudencken/ und aus eigenem verſtand zu antworten. Welches
viel moͤglicher iſt/ als manche glauben/ die es nicht erfahren haben/
wie weit kinder und einfaͤltige leute durch treue information und exa-
mina
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einige
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[731[631]/0647] ARTIC. III. SECTIO VIII. then Bruder mitzutheilen/ iſt die ſache allzu generaf, und wo ſes die gan- tze fuͤhrung des amts angehet/ kan derſelbige leicht erachten/ daß ſolches ein werck nicht eines brieffs iſt/ ſondern gantze buͤcher darzu gehoͤren/ und ich in allen meinen ſchrifften davon handle: wo aber die abſicht auff etwas beſonders ſolte gerichtet ſeyn/ ſo wuͤſte doch auch nicht zuerrathen/ worinnen oder wovon derſelbe meine anweiſung verlange. Damit ich aber gleichwohl ſein an mich gethanes begehren nicht gantz vergebens ſeyn laſſe/ ſo will nur etzlicher mittel/ oder vorſchlaͤge meldung thun/ da- durch etwa die erbauung einer gemeinde ſonderlich befoͤrdert werden kan. Die erſte iſt eine fleißige catechiſation, davon folgende ſtuͤcke vornehmlich in acht zunehmen dienlich achte. 1. daß zwahr die jugend allein ordinarie examiniret/ aber dahin getrachtet werde/ daß man die alte mit zu auditoribus darzu bekomme: aber 2. ſolches nicht ſo wohl durch zwang oder leges pœnales als vielmehr durch freundliche einladung/ und eine ſolche anſtellung des examinis mit der jugend/ daß die alten ſelbs aus der erfahrung ſehen/ wie erbaulich ihnen das zu- hoͤren ſeye/ und alſo willig ſich einſtelten; auffs wenigſte wolte ich nicht leicht jemand darzu noͤthigen/ es waͤre denn ein exercitium ſchon eine gute weile im ſchwange geweſen/ wuͤrde von den meiſten frequentiret/ und etwa nur von einigen widerſpenſtigen zu anderer aͤrgernuͤß vermieden/ da endlich nicht zuwider ſeyn wolte/ wo man die mittel haͤtte/ ſolche auch herbey zunoͤthigen. 3. ſolle die jugend billich nichts auswendig zu ler- nen getrieben werden/ als den allgemeinen Catechiſmum Lutheri, was andere catechetiſche erklaͤhrungen anlangt/ moͤgen ſie den examina- toribus oder auch den examinandis, aber nur zu leſen dienlich ſeyn; will aber jemand ſo bey der jugend nicht unrathſam/ etwas weiter ler- nen/ ſo iſts am beſten/ man lerne ſpruͤche. 4. Die examina muͤſſen nicht nur in fragen und recitirung der im Catechiſmo beſindlicher ant- wort beſtehen/ ſondern in zertheilung einer jeglichen frage in viel an- dere fragen/ die alſo mit eingerichtet werden muͤſſen/ daß ſie eine erklaͤh- rung mit gleichſam in ſich faſſen/ und die jugend gewehnt werde/ der ſache ſelbſt nachzudencken/ und aus eigenem verſtand zu antworten. Welches viel moͤglicher iſt/ als manche glauben/ die es nicht erfahren haben/ wie weit kinder und einfaͤltige leute durch treue information und exa- mina gebracht werden koͤnnen. Bey ſolchen iſt auch allein die rechte abſicht der catechiſation erhalten/ die nicht nur beſtehen muß/ daß einige

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 731[631]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/647>, abgerufen am 26.06.2024.