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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das andere Capitel.
SECTIO VI.
An einen prediger über unterschied-
liche amts-angelegen-
heiten.

JCh kan zum fordersten bezeugen/ über den meisten innhalt des brieffs/
so viel denselben selbs anginge/ freude empfunden zu haben. Son-
derlich was wegen göttlicher gnade/ demselben in erleichterung seines
amts/ und der gemeinde/ in gutem anfang eines geistlichen wachsthums er-
zeiget/ zu dem preiß GOTTES des gebers gerühmet worden: daher auch
mit ihm billig die himmlische güte vor solche wohlthaten preise: aber von
GOTTES wegen billig von demselben fordern kan/ daß er auch dessen
rath bey sich in diesem kräfftig seyn und erreichet werden lasse/ mit so viel
kindlicherem vertrauen aus deroselben noch ferner alles ihm nöthige hertz-
lich zu erwarten: als welche stärckung unsers glaubens und so viel getro-
sters vertrauen auff das künfftige jederzeit eine stück der göttlichen absicht
in dero wohlthaten ist/ und also auch derselben von uns platz gelassen wer-
den muß/ jede der empfangenen als ein pfand noch mehrerer folgender an-
zunehmen. Den kampff dessen gemüths anlangend/ ob wohl sonsten
eine vergnüglichere ruhe hertzlich gönnen möchte/ sehe doch als eine übung
an/ durch welche oder in welcher der HERR ihn einiges lernen lassen
will. Dann wir lernen/ was wir sind/ so dann unser vermögen und
unvermögen/ nie besser erkennen/ als wo uns GOTT in einen kampff
mit uns selbs gerathen/ sonderlich so er denselben eine zeit lang anhalten
lässet/ also daß wir/ ob wir wohl ein und anderer gedancken/ die uns
quälen/ gern loß wären/ dannoch nicht nach willen sie von uns bringen
können/ sondern dero widerstand leiden müssen. Nur lasset uns in
solchem stand eines theils uns so vielmehr vor GOTT/ eben wegen sol-
cher unserer fühlenden schwachheit demüthigen/ so dann wo sie uns an
dem guten hindern/ oder träge machen wollen/ gebührenden widerstand
erzeigen. Sonderlich wolte ich nicht gern/ daß wo aus der von GOtt
beschehrten fertigkeit in den amts-verrichtungen ferner die versuchung ei-
ner nachläßigkeit in dem meditiren ansetzen solte/ derselben im geringsten
gewichen würde: sondern wolte lieber rathen/ wo endlich/ was so zu re-
den/ das eusserliche anlangt/ mit concipiren oder memoriren/ nicht
mehr solche mühe/ wie vorhin/ erfordert wird/ sondern gantz leicht ist/
daß dann so vielmehr fleiß an das meditiren selbs und das gebet ange-

wen-
Das andere Capitel.
SECTIO VI.
An einen prediger uͤber unterſchied-
liche amts-angelegen-
heiten.

JCh kan zum forderſten bezeugen/ uͤber den meiſten innhalt des brieffs/
ſo viel denſelben ſelbs anginge/ freude empfunden zu haben. Son-
derlich was wegen goͤttlicher gnade/ demſelben in erleichterung ſeines
amts/ und der gemeinde/ in gutem anfang eines geiſtlichen wachsthums er-
zeiget/ zu dem preiß GOTTES des gebers geruͤhmet worden: daher auch
mit ihm billig die himmliſche guͤte vor ſolche wohlthaten preiſe: aber von
GOTTES wegen billig von demſelben fordern kan/ daß er auch deſſen
rath bey ſich in dieſem kraͤfftig ſeyn und erreichet werden laſſe/ mit ſo viel
kindlicherem vertrauen aus deroſelben noch ferner alles ihm noͤthige hertz-
lich zu erwarten: als welche ſtaͤrckung unſers glaubens und ſo viel getro-
ſters vertrauen auff das kuͤnfftige jederzeit eine ſtuͤck der goͤttlichen abſicht
in dero wohlthaten iſt/ und alſo auch derſelben von uns platz gelaſſen wer-
den muß/ jede der empfangenen als ein pfand noch mehrerer folgender an-
zunehmen. Den kampff deſſen gemuͤths anlangend/ ob wohl ſonſten
eine vergnuͤglichere ruhe hertzlich goͤnnen moͤchte/ ſehe doch als eine uͤbung
an/ durch welche oder in welcher der HERR ihn einiges lernen laſſen
will. Dann wir lernen/ was wir ſind/ ſo dann unſer vermoͤgen und
unvermoͤgen/ nie beſſer erkennen/ als wo uns GOTT in einen kampff
mit uns ſelbs gerathen/ ſonderlich ſo er denſelben eine zeit lang anhalten
laͤſſet/ alſo daß wir/ ob wir wohl ein und anderer gedancken/ die uns
quaͤlen/ gern loß waͤren/ dannoch nicht nach willen ſie von uns bringen
koͤnnen/ ſondern dero widerſtand leiden muͤſſen. Nur laſſet uns in
ſolchem ſtand eines theils uns ſo vielmehr vor GOTT/ eben wegen ſol-
cher unſerer fuͤhlenden ſchwachheit demuͤthigen/ ſo dann wo ſie uns an
dem guten hindern/ oder traͤge machen wollen/ gebuͤhrenden widerſtand
erzeigen. Sonderlich wolte ich nicht gern/ daß wo aus der von GOtt
beſchehrten fertigkeit in den amts-verrichtungen ferner die verſuchung ei-
ner nachlaͤßigkeit in dem meditiren anſetzen ſolte/ derſelben im geringſten
gewichen wuͤrde: ſondern wolte lieber rathen/ wo endlich/ was ſo zu re-
den/ das euſſerliche anlangt/ mit concipiren oder memoriren/ nicht
mehr ſolche muͤhe/ wie vorhin/ erfordert wird/ ſondern gantz leicht iſt/
daß dann ſo vielmehr fleiß an das meditiren ſelbs und das gebet ange-

wen-
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[620/0636] Das andere Capitel. SECTIO VI. An einen prediger uͤber unterſchied- liche amts-angelegen- heiten. JCh kan zum forderſten bezeugen/ uͤber den meiſten innhalt des brieffs/ ſo viel denſelben ſelbs anginge/ freude empfunden zu haben. Son- derlich was wegen goͤttlicher gnade/ demſelben in erleichterung ſeines amts/ und der gemeinde/ in gutem anfang eines geiſtlichen wachsthums er- zeiget/ zu dem preiß GOTTES des gebers geruͤhmet worden: daher auch mit ihm billig die himmliſche guͤte vor ſolche wohlthaten preiſe: aber von GOTTES wegen billig von demſelben fordern kan/ daß er auch deſſen rath bey ſich in dieſem kraͤfftig ſeyn und erreichet werden laſſe/ mit ſo viel kindlicherem vertrauen aus deroſelben noch ferner alles ihm noͤthige hertz- lich zu erwarten: als welche ſtaͤrckung unſers glaubens und ſo viel getro- ſters vertrauen auff das kuͤnfftige jederzeit eine ſtuͤck der goͤttlichen abſicht in dero wohlthaten iſt/ und alſo auch derſelben von uns platz gelaſſen wer- den muß/ jede der empfangenen als ein pfand noch mehrerer folgender an- zunehmen. Den kampff deſſen gemuͤths anlangend/ ob wohl ſonſten eine vergnuͤglichere ruhe hertzlich goͤnnen moͤchte/ ſehe doch als eine uͤbung an/ durch welche oder in welcher der HERR ihn einiges lernen laſſen will. Dann wir lernen/ was wir ſind/ ſo dann unſer vermoͤgen und unvermoͤgen/ nie beſſer erkennen/ als wo uns GOTT in einen kampff mit uns ſelbs gerathen/ ſonderlich ſo er denſelben eine zeit lang anhalten laͤſſet/ alſo daß wir/ ob wir wohl ein und anderer gedancken/ die uns quaͤlen/ gern loß waͤren/ dannoch nicht nach willen ſie von uns bringen koͤnnen/ ſondern dero widerſtand leiden muͤſſen. Nur laſſet uns in ſolchem ſtand eines theils uns ſo vielmehr vor GOTT/ eben wegen ſol- cher unſerer fuͤhlenden ſchwachheit demuͤthigen/ ſo dann wo ſie uns an dem guten hindern/ oder traͤge machen wollen/ gebuͤhrenden widerſtand erzeigen. Sonderlich wolte ich nicht gern/ daß wo aus der von GOtt beſchehrten fertigkeit in den amts-verrichtungen ferner die verſuchung ei- ner nachlaͤßigkeit in dem meditiren anſetzen ſolte/ derſelben im geringſten gewichen wuͤrde: ſondern wolte lieber rathen/ wo endlich/ was ſo zu re- den/ das euſſerliche anlangt/ mit concipiren oder memoriren/ nicht mehr ſolche muͤhe/ wie vorhin/ erfordert wird/ ſondern gantz leicht iſt/ daß dann ſo vielmehr fleiß an das meditiren ſelbs und das gebet ange- wen-

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/636>, abgerufen am 24.11.2024.