Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.Das andere Capitel. nen beruff bißher mit zimlichem segen gleichsam versiegelt hat/ so lang zublei-ben seye/ biß GOTT auff eine solche art/ daß das gemüth zu völliger gewiß- heit eines andern kommt/ und offenbahr reicherer nutzen vor augen stehet/ seinen willen zur änderung zeige. 2. Würde nun in der schul dergleichen eine stelle anerboten/ die man mit der jetzigen pfarrstelle wegen beiderseits arbeit beysammen zustehen nicht müglich achtete: wäre in der forcht des HErrn reifflich zu überlegen/ ob die frucht solcher schulstelle/ was sonderlich das je- nige betrifft/ daß der jugend seelen nicht allein mit wissenschafften und kün- sten erfüllet/ sondern vornehmlich das göttliche bild in ihnen mehr und mehr erneuret werde/ der jenigen frucht/ die man in dem predigamt an einer an- vertrauten gemeinde zu hoffen hat/ gleichkomme oder nicht. 3. Solte man solches nicht finden/ sondern alle arbeit allein etwa auf solche schulsachen an- gewendet werden müssen/ die den hauptzweck am wenigsten nahe berühren/ so getraute mir nicht zurathen/ daß man die arbeit/ welche auch an einfälti- gen seelen angewandt zu ihrer seligkeit mitwürcket/ um einer andern arbeit willen/ dero nutzen eigenlich nur auf dieses leben sich erstrecket/ hindansetzen sollte. 4. Wäre es aber hingegen sache/ daß in der schul-arbeit auch mit der jugend/ so wohl mit eigenem unterricht als auffsicht auf ande- rer unterweisung/ das jenige zu handeln wäre/ dardurch sie eigentlich in ih- rem Christenthum und dem geistlichen erbauet werden könten/ so wäre der darvon hoffende nutzen gegen dem jenigen zuvergleichen/ den man in der gegenwärtigen stelle sihet/ und da er diesen übertreffe/ so viel eher göttlicher wille auff diese seit zuerkennen. 5. Dabey hielte aber vor billig/ wo der Rath seiner zu der schul habenden guten qualitäten wegen ihn derselben vornehm- lich zu eignen will/ daß er hinwieder auch darauff bedacht seye/ wie sein zu dem predigamt nicht weniger verliehenes pfund gleichermaßen auffs wenig- ste zu einigem der schul-arbeit nicht hinderlichem gebrauch zugleich angewen- det würde/ etwa zugewißen zeiten in der stadt eine predigt zuverrichten/ oder bey examinibus und dergleichen exercitiis mit dem ministerio anzustehen: welches weil keine absonderliche seelen-sorge darbey/ das schul-amt wenig hindern/ hingegen dem gewißen/ weil man nicht eben gantz aus dem kirchen- dienst austrete/ so viel freudigkeit geben würde. Dieses wären meine vor- schläge: darzu noch setze/ wo man bey sich in dergleichen sache (wie es mir al- lezeit zuergehen pfleget) zu keiner versicherung kommen könte/ daß ich am lieb- sten rathen wolte/ mit vorstellung der wichtigkeit des wercks/ und was man auff beyden seiten zu bedencken hätte/ die sache an rath und ministerium ge- langen zulaßen/ und es dero Christlichen entscheidung zu übergeben: so dann nechst hertzlichem gebet/ daß GOTT durch solche ohne das ordentlich vorge- setzte seinen willen zu erkennen geben wolle/ den endlichen schluß darvor an- zuneh-
Das andere Capitel. nen beruff bißher mit zimlichem ſegen gleichſam verſiegelt hat/ ſo lang zublei-ben ſeye/ biß GOTT auff eine ſolche art/ daß das gemuͤth zu voͤlliger gewiß- heit eines andern kommt/ und offenbahr reicherer nutzen vor augen ſtehet/ ſeinen willen zur aͤnderung zeige. 2. Wuͤrde nun in der ſchul dergleichen eine ſtelle anerboten/ die man mit der jetzigen pfarrſtelle wegen beiderſeits arbeit beyſammen zuſtehen nicht muͤglich achtete: waͤre in der forcht des HErrn reifflich zu uͤberlegen/ ob die frucht ſolcher ſchulſtelle/ was ſonderlich das je- nige betrifft/ daß der jugend ſeelen nicht allein mit wiſſenſchafften und kuͤn- ſten erfuͤllet/ ſondern vornehmlich das goͤttliche bild in ihnen mehr und mehr erneuret werde/ der jenigen frucht/ die man in dem predigamt an einer an- vertrauten gemeinde zu hoffen hat/ gleichkomme oder nicht. 3. Solte man ſolches nicht finden/ ſondern alle arbeit allein etwa auf ſolche ſchulſachen an- gewendet werden muͤſſen/ die den hauptzweck am wenigſten nahe beruͤhren/ ſo getraute mir nicht zurathen/ daß man die arbeit/ welche auch an einfaͤlti- gen ſeelen angewandt zu ihrer ſeligkeit mitwuͤrcket/ um einer andern arbeit willen/ dero nutzen eigenlich nur auf dieſes leben ſich erſtrecket/ hindanſetzen ſollte. 4. Waͤre es aber hingegen ſache/ daß in der ſchul-arbeit auch mit der jugend/ ſo wohl mit eigenem unterricht als auffſicht auf ande- rer unterweiſung/ das jenige zu handeln waͤre/ dardurch ſie eigentlich in ih- rem Chriſtenthum und dem geiſtlichen erbauet werden koͤnten/ ſo waͤre der darvon hoffende nutzen gegen dem jenigen zuvergleichen/ den man in der gegenwaͤrtigen ſtelle ſihet/ und da er dieſen uͤbertreffe/ ſo viel eher goͤttlicher wille auff dieſe ſeit zuerkennen. 5. Dabey hielte aber vor billig/ wo der Rath ſeiner zu der ſchul habenden guten qualitaͤten wegen ihn derſelben vornehm- lich zu eignen will/ daß er hinwieder auch darauff bedacht ſeye/ wie ſein zu dem predigamt nicht weniger verliehenes pfund gleichermaßen auffs wenig- ſte zu einigem der ſchul-arbeit nicht hinderlichem gebrauch zugleich angewen- det wuͤrde/ etwa zugewißen zeiten in der ſtadt eine predigt zuverrichten/ oder bey examinibus und dergleichen exercitiis mit dem miniſterio anzuſtehen: welches weil keine abſonderliche ſeelen-ſorge darbey/ das ſchul-amt wenig hindern/ hingegen dem gewißen/ weil man nicht eben gantz aus dem kirchen- dienſt austrete/ ſo viel freudigkeit geben wuͤrde. Dieſes waͤren meine vor- ſchlaͤge: darzu noch ſetze/ wo man bey ſich in dergleichen ſache (wie es mir al- lezeit zuergehen pfleget) zu keiner verſicherung kommen koͤnte/ daß ich am lieb- ſten rathen wolte/ mit vorſtellung der wichtigkeit des wercks/ und was man auff beyden ſeiten zu bedencken haͤtte/ die ſache an rath und miniſterium ge- langen zulaßen/ und es dero Chriſtlichen entſcheidung zu uͤbergeben: ſo dann nechſt hertzlichem gebet/ daß GOTT durch ſolche ohne das ordentlich vorge- ſetzte ſeinen willen zu erkennen geben wolle/ den endlichen ſchluß darvor an- zuneh-
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Das andere Capitel.
nen beruff bißher mit zimlichem ſegen gleichſam verſiegelt hat/ ſo lang zublei-
ben ſeye/ biß GOTT auff eine ſolche art/ daß das gemuͤth zu voͤlliger gewiß-
heit eines andern kommt/ und offenbahr reicherer nutzen vor augen ſtehet/
ſeinen willen zur aͤnderung zeige. 2. Wuͤrde nun in der ſchul dergleichen eine
ſtelle anerboten/ die man mit der jetzigen pfarrſtelle wegen beiderſeits arbeit
beyſammen zuſtehen nicht muͤglich achtete: waͤre in der forcht des HErrn
reifflich zu uͤberlegen/ ob die frucht ſolcher ſchulſtelle/ was ſonderlich das je-
nige betrifft/ daß der jugend ſeelen nicht allein mit wiſſenſchafften und kuͤn-
ſten erfuͤllet/ ſondern vornehmlich das goͤttliche bild in ihnen mehr und mehr
erneuret werde/ der jenigen frucht/ die man in dem predigamt an einer an-
vertrauten gemeinde zu hoffen hat/ gleichkomme oder nicht. 3. Solte man
ſolches nicht finden/ ſondern alle arbeit allein etwa auf ſolche ſchulſachen an-
gewendet werden muͤſſen/ die den hauptzweck am wenigſten nahe beruͤhren/
ſo getraute mir nicht zurathen/ daß man die arbeit/ welche auch an einfaͤlti-
gen ſeelen angewandt zu ihrer ſeligkeit mitwuͤrcket/ um einer andern arbeit
willen/ dero nutzen eigenlich nur auf dieſes leben ſich erſtrecket/ hindanſetzen
ſollte. 4. Waͤre es aber hingegen ſache/ daß in der ſchul-arbeit auch
mit der jugend/ ſo wohl mit eigenem unterricht als auffſicht auf ande-
rer unterweiſung/ das jenige zu handeln waͤre/ dardurch ſie eigentlich in ih-
rem Chriſtenthum und dem geiſtlichen erbauet werden koͤnten/ ſo waͤre der
darvon hoffende nutzen gegen dem jenigen zuvergleichen/ den man in der
gegenwaͤrtigen ſtelle ſihet/ und da er dieſen uͤbertreffe/ ſo viel eher goͤttlicher
wille auff dieſe ſeit zuerkennen. 5. Dabey hielte aber vor billig/ wo der Rath
ſeiner zu der ſchul habenden guten qualitaͤten wegen ihn derſelben vornehm-
lich zu eignen will/ daß er hinwieder auch darauff bedacht ſeye/ wie ſein zu
dem predigamt nicht weniger verliehenes pfund gleichermaßen auffs wenig-
ſte zu einigem der ſchul-arbeit nicht hinderlichem gebrauch zugleich angewen-
det wuͤrde/ etwa zugewißen zeiten in der ſtadt eine predigt zuverrichten/ oder
bey examinibus und dergleichen exercitiis mit dem miniſterio anzuſtehen:
welches weil keine abſonderliche ſeelen-ſorge darbey/ das ſchul-amt wenig
hindern/ hingegen dem gewißen/ weil man nicht eben gantz aus dem kirchen-
dienſt austrete/ ſo viel freudigkeit geben wuͤrde. Dieſes waͤren meine vor-
ſchlaͤge: darzu noch ſetze/ wo man bey ſich in dergleichen ſache (wie es mir al-
lezeit zuergehen pfleget) zu keiner verſicherung kommen koͤnte/ daß ich am lieb-
ſten rathen wolte/ mit vorſtellung der wichtigkeit des wercks/ und was man
auff beyden ſeiten zu bedencken haͤtte/ die ſache an rath und miniſterium ge-
langen zulaßen/ und es dero Chriſtlichen entſcheidung zu uͤbergeben: ſo dann
nechſt hertzlichem gebet/ daß GOTT durch ſolche ohne das ordentlich vorge-
ſetzte ſeinen willen zu erkennen geben wolle/ den endlichen ſchluß darvor an-
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/596>, abgerufen am 17.06.2024. |