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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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ARTIC. II. SECTIO XX.
weiß aber/ wie schwehr es bey solchen alten leuten hergehet (massen selbs ei-
nen solchen alten Collegam in Franckfurth gehabt) denselben ihr unvermö-
gen beyzubringen/ daher sie immer meinen/ man thue es aus haß/ man seye
ihrer müd/ und dergleichen/ können aber nicht glauben/ daß sie nicht solten
noch tüchtig gnug seyn/ sonderlich wenn sie etwa von einen und andern ihrer
alten zuhörer/ die ihrer lang gewohnt/ hören/ daß solche wol mit ihnen zu frie-
den. Da eines einigen solchen mit ihrer einbildung überein kommendes zeug-
nüß ihnen glaubwürdiger vorkommet/ als alle dagegen führende klagen.
Weil nun solche leute/ wo man allzustarck und mit gewalt an sie will/ sich
höchstens darüber beschwehren/ als welchen unrecht damit geschehe/ und sich
darüber ärgern: auch gemeiniglich in der gemeinde unterschiedliche durch ih-
re klagen zu mitleiden bewegen/ nicht weniger ärgernüß darob fassen/ rathete
ich nicht leicht/ mit gewalt/ so lang noch etlicher massen anders geholffen wer-
den kan/ mit demjenigen durchzutringen/ was sonsten an sich selbs das beste
ist. Daher hielte das beste zu seyn/ daß in gegenwärtigem zustand etwas we-
niges von den geistl. verrichtungen/ worinnen man sonderlich fände/ daß er
noch am besten fortkommen könte/ oder doch die versäumnüß am wenigsten
schadete/ dem alten pfarrer noch überlassen würde/ daß er das vergnügen
noch habe/ in verwaltung seines amts zu sterben: hingegen daß dem vor-
schlag nach nur eine interims-bestellung/ wie etwa zu den zeiten der unpäß-
lichkeit eines pfarrers zu geschehen pfleget (nur daß daselbs der vicinorum
mehr darzu erfordert würden/ hie aber rathsamer wäre bey einem zu bleiben)
beliebet würde. Dabey ferner davor halte/ daß geliebter bruder voraus ge-
setzt/ wie zugegeben wird/ daß ohne eigentliche sonderliche versäumnüß der ei-
gnen gemeinde solches geschehen könte/ und die kräfften von GOTT darzu
gnugsam befunden würden/ wolthäte/ wann er sich dazu verstünde. Da-
zu mich beweget/ weil solches ein liebes-werck gegen den alten und die ge-
meinde/ weil derer verlangen dahin gehet/ und ohne der itzt obligenden amts-
geschäfften abbruch das pfund eine weil noch an andern desto reichlicher an-
gewandt werden könte: daß ich also die sache ansehe/ daß GOtt eine thür ei-
ner mehrern erbauung öffnen wolle/ welche gelegenheit ohne wichtige ursach
nicht zu versäumen achte. Dazu kömmt noch/ nach dem auff den fall jenes
absterbens auff denselben wohl möchte starcke reflexion gemacht werden/ daß
diese interims-verwaltung gelegenheit gebe/ jene gemeinde auch desto innerli-
cher kennen zu lernen/ und sonderlich zu erfahren/ was bey derselben auszu-
richten seye/ um alsdann wo einmahl eine resolution zu fassen seyn möchte/
die beyden stellen/ und was an jeder zu thun oder zu hoffen/ desto besser mit
einander zu vergleichen/ und daraus mit mehr versicherung des gewissens dei-
nen schluß zu fassen.

2. Wird
A a a a 2

ARTIC. II. SECTIO XX.
weiß aber/ wie ſchwehr es bey ſolchen alten leuten hergehet (maſſen ſelbs ei-
nen ſolchen alten Collegam in Franckfurth gehabt) denſelben ihr unvermoͤ-
gen beyzubringen/ daher ſie immer meinen/ man thue es aus haß/ man ſeye
ihrer muͤd/ und dergleichen/ koͤnnen aber nicht glauben/ daß ſie nicht ſolten
noch tuͤchtig gnug ſeyn/ ſonderlich wenn ſie etwa von einen und andern ihrer
alten zuhoͤrer/ die ihrer lang gewohnt/ hoͤren/ daß ſolche wol mit ihnen zu frie-
den. Da eines einigen ſolchen mit ihrer einbildung uͤberein kommendes zeug-
nuͤß ihnen glaubwuͤrdiger vorkommet/ als alle dagegen fuͤhrende klagen.
Weil nun ſolche leute/ wo man allzuſtarck und mit gewalt an ſie will/ ſich
hoͤchſtens daruͤber beſchwehren/ als welchen unrecht damit geſchehe/ und ſich
daruͤber aͤrgern: auch gemeiniglich in der gemeinde unterſchiedliche durch ih-
re klagen zu mitleiden bewegen/ nicht weniger aͤrgernuͤß darob faſſen/ rathete
ich nicht leicht/ mit gewalt/ ſo lang noch etlicher maſſen anders geholffen wer-
den kan/ mit demjenigen durchzutringen/ was ſonſten an ſich ſelbs das beſte
iſt. Daher hielte das beſte zu ſeyn/ daß in gegenwaͤrtigem zuſtand etwas we-
niges von den geiſtl. verrichtungen/ worinnen man ſonderlich faͤnde/ daß er
noch am beſten fortkommen koͤnte/ oder doch die verſaͤumnuͤß am wenigſten
ſchadete/ dem alten pfarrer noch uͤberlaſſen wuͤrde/ daß er das vergnuͤgen
noch habe/ in verwaltung ſeines amts zu ſterben: hingegen daß dem vor-
ſchlag nach nur eine interims-beſtellung/ wie etwa zu den zeiten der unpaͤß-
lichkeit eines pfarrers zu geſchehen pfleget (nur daß daſelbs der vicinorum
mehr darzu erfordert wuͤrden/ hie aber rathſamer waͤre bey einem zu bleiben)
beliebet wuͤrde. Dabey ferner davor halte/ daß geliebter bruder voraus ge-
ſetzt/ wie zugegeben wird/ daß ohne eigentliche ſonderliche verſaͤumnuͤß der ei-
gnen gemeinde ſolches geſchehen koͤnte/ und die kraͤfften von GOTT darzu
gnugſam befunden wuͤrden/ wolthaͤte/ wann er ſich dazu verſtuͤnde. Da-
zu mich beweget/ weil ſolches ein liebes-werck gegen den alten und die ge-
meinde/ weil derer verlangen dahin gehet/ und ohne der itzt obligenden amts-
geſchaͤfften abbruch das pfund eine weil noch an andern deſto reichlicher an-
gewandt werden koͤnte: daß ich alſo die ſache anſehe/ daß GOtt eine thuͤr ei-
ner mehrern erbauung oͤffnen wolle/ welche gelegenheit ohne wichtige urſach
nicht zu verſaͤumen achte. Dazu koͤmmt noch/ nach dem auff den fall jenes
abſterbens auff denſelben wohl moͤchte ſtarcke reflexion gemacht werden/ daß
dieſe interims-veꝛwaltung gelegenheit gebe/ jene gemeinde auch deſto innerli-
cher kennen zu lernen/ und ſonderlich zu erfahren/ was bey derſelben auszu-
richten ſeye/ um alsdann wo einmahl eine reſolution zu faſſen ſeyn moͤchte/
die beyden ſtellen/ und was an jeder zu thun oder zu hoffen/ deſto beſſer mit
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nen ſchluß zu faſſen.

2. Wird
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[555/0571] ARTIC. II. SECTIO XX. weiß aber/ wie ſchwehr es bey ſolchen alten leuten hergehet (maſſen ſelbs ei- nen ſolchen alten Collegam in Franckfurth gehabt) denſelben ihr unvermoͤ- gen beyzubringen/ daher ſie immer meinen/ man thue es aus haß/ man ſeye ihrer muͤd/ und dergleichen/ koͤnnen aber nicht glauben/ daß ſie nicht ſolten noch tuͤchtig gnug ſeyn/ ſonderlich wenn ſie etwa von einen und andern ihrer alten zuhoͤrer/ die ihrer lang gewohnt/ hoͤren/ daß ſolche wol mit ihnen zu frie- den. Da eines einigen ſolchen mit ihrer einbildung uͤberein kommendes zeug- nuͤß ihnen glaubwuͤrdiger vorkommet/ als alle dagegen fuͤhrende klagen. Weil nun ſolche leute/ wo man allzuſtarck und mit gewalt an ſie will/ ſich hoͤchſtens daruͤber beſchwehren/ als welchen unrecht damit geſchehe/ und ſich daruͤber aͤrgern: auch gemeiniglich in der gemeinde unterſchiedliche durch ih- re klagen zu mitleiden bewegen/ nicht weniger aͤrgernuͤß darob faſſen/ rathete ich nicht leicht/ mit gewalt/ ſo lang noch etlicher maſſen anders geholffen wer- den kan/ mit demjenigen durchzutringen/ was ſonſten an ſich ſelbs das beſte iſt. Daher hielte das beſte zu ſeyn/ daß in gegenwaͤrtigem zuſtand etwas we- niges von den geiſtl. verrichtungen/ worinnen man ſonderlich faͤnde/ daß er noch am beſten fortkommen koͤnte/ oder doch die verſaͤumnuͤß am wenigſten ſchadete/ dem alten pfarrer noch uͤberlaſſen wuͤrde/ daß er das vergnuͤgen noch habe/ in verwaltung ſeines amts zu ſterben: hingegen daß dem vor- ſchlag nach nur eine interims-beſtellung/ wie etwa zu den zeiten der unpaͤß- lichkeit eines pfarrers zu geſchehen pfleget (nur daß daſelbs der vicinorum mehr darzu erfordert wuͤrden/ hie aber rathſamer waͤre bey einem zu bleiben) beliebet wuͤrde. Dabey ferner davor halte/ daß geliebter bruder voraus ge- ſetzt/ wie zugegeben wird/ daß ohne eigentliche ſonderliche verſaͤumnuͤß der ei- gnen gemeinde ſolches geſchehen koͤnte/ und die kraͤfften von GOTT darzu gnugſam befunden wuͤrden/ wolthaͤte/ wann er ſich dazu verſtuͤnde. Da- zu mich beweget/ weil ſolches ein liebes-werck gegen den alten und die ge- meinde/ weil derer verlangen dahin gehet/ und ohne der itzt obligenden amts- geſchaͤfften abbruch das pfund eine weil noch an andern deſto reichlicher an- gewandt werden koͤnte: daß ich alſo die ſache anſehe/ daß GOtt eine thuͤr ei- ner mehrern erbauung oͤffnen wolle/ welche gelegenheit ohne wichtige urſach nicht zu verſaͤumen achte. Dazu koͤmmt noch/ nach dem auff den fall jenes abſterbens auff denſelben wohl moͤchte ſtarcke reflexion gemacht werden/ daß dieſe interims-veꝛwaltung gelegenheit gebe/ jene gemeinde auch deſto innerli- cher kennen zu lernen/ und ſonderlich zu erfahren/ was bey derſelben auszu- richten ſeye/ um alsdann wo einmahl eine reſolution zu faſſen ſeyn moͤchte/ die beyden ſtellen/ und was an jeder zu thun oder zu hoffen/ deſto beſſer mit einander zu vergleichen/ und daraus mit mehr verſicherung des gewiſſens dei- nen ſchluß zu faſſen. 2. Wird A a a a 2

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/571>, abgerufen am 22.11.2024.