Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.ARTIC. II. SECTIO XIII. so dann die Consistorial-arbeit/ von nicht geringer wichtigkeit. Also/ daßmir die stelle also vorkommt/ daß gelegenheit seye ein reiches pfund an ihrem ort mit völligem nutzen anzuwenden. 3. Die angedeuteten beschwehrnüssen wären bey mir auch noch nicht der erhebligkeit/ daß sie die änderung sonder- lich treiben könten. Dann (1. daß die Inspection über kirch-rechnung und ar- men-kasten nicht anvertrauet ist/ ist eine sache/ die insgemein bey den städten sich findet/ da solche verrichtungen dem weltlichen Magistrat und dero ver- ordneten heimgewiesen sind (wie auch in Straßburg und Franckfurt/ wo ich gewesen/ gebräuchlich) so halte ich solches aus Apost. Gesch. 6/ 2. 3. mehr vor eine wolthat/ als beschwehrde. (2. Die art des Status popularis schreck- te mich auch nicht: vielmehr bin der meinung/ daß bey einem solchen mit gu- ter frucht sich arbeiten lasse. Zwahr autoritate publica wird bey einem sol- chen statu selten etwas notables gutes öffentlich introduciret werden/ weil gut gesinnte in dem magistratu nicht leicht gegen die andere zu erhaltung der- gleichen verbesserungen durchtringen können/ hingegen ausser dergleichen dingen lässet sich in sachen die zur erbauung dienen/ so vielmehr thun/ und ist auch nicht zu sorgen/ daß das gute/ was ein Christlicher prediger vornimmet/ so leicht von dem Magistrat gehemmet werde/ in dem allezeit auch einige gute übrig sind/ so der andern boßheit entgegen stehen/ und das gute einigen schutz noch von ihnen findet. Daher an solchen orten/ wie das gute niemahls mit scheinbahrer macht durchtringen kan/ so kan es doch auch weniger als an an- dern von den bösen gantz untertruckt werden: sondern es bleibet alles gleich- sam in mediocritate. Hingegen leben wir in einer solchen zeit/ wo ich sorge/ daß in keiner art einer policey unter herrschafften oder städten/ etwas wichti- ges gutes mit öffentlicher autorität werde beständig eingeführet werden/ und eine nachtrückliche reformation von statten gehen: sondern wir müssen uns aller orten annoch vergnügen/ wo wir nur das gute auff solche art beför- dern/ wie es eben grosser anstalten nicht bedarff. Hier zu werden wir aber eher weniger als mehr hindernüssen finden bey dem statu populari, als unter grossen Herren/ und wo in dem magistrat einfältige/ obwol offt auch wunder- liche köpffe sich finden/ als wo klügere und abgefeimete politici, die uns viel gefährlicher und auffsätziger sind/ das regiment führen. (3. Daß die stadt an der nahrung abnehme/ hätte bey mir auch wenig gewicht. Jndem durch solches unser amt/ so es mit den seelen zu thun hat/ und unter den armen ge- meiniglich die meiste frucht schaffet/ nicht hindern mag. 4. Hingegen höre ich nicht/ daß sonsten klage geführet werde/ daß entweder die Collegae Christ- lichen vornehmen sich widersetzen und dero frucht hemmen/ noch auch die ge- meinde mit widersetzlichkeit der an sie wendenden treue sich unwürdig mache. Also 5. solte ich aus allem diesem schliessen/ daß sich göttlicher wille um die itzi- X x x
ARTIC. II. SECTIO XIII. ſo dann die Conſiſtorial-arbeit/ von nicht geringer wichtigkeit. Alſo/ daßmir die ſtelle alſo vorkommt/ daß gelegenheit ſeye ein reiches pfund an ihrem ort mit voͤlligem nutzen anzuwenden. 3. Die angedeuteten beſchwehrnuͤſſen waͤren bey mir auch noch nicht der erhebligkeit/ daß ſie die aͤnderung ſonder- lich treiben koͤnten. Dann (1. daß die Inſpection uͤber kirch-rechnung und ar- men-kaſten nicht anvertrauet iſt/ iſt eine ſache/ die insgemein bey den ſtaͤdten ſich findet/ da ſolche verrichtungen dem weltlichen Magiſtrat und dero ver- ordneten heimgewieſen ſind (wie auch in Straßburg und Franckfurt/ wo ich geweſen/ gebraͤuchlich) ſo halte ich ſolches aus Apoſt. Geſch. 6/ 2. 3. mehr vor eine wolthat/ als beſchwehrde. (2. Die art des Status popularis ſchreck- te mich auch nicht: vielmehr bin der meinung/ daß bey einem ſolchen mit gu- ter frucht ſich arbeiten laſſe. Zwahr autoritate publica wird bey einem ſol- chen ſtatu ſelten etwas notables gutes oͤffentlich introduciret werden/ weil gut geſinnte in dem magiſtratu nicht leicht gegen die andere zu erhaltung der- gleichen verbeſſerungen durchtringen koͤnnen/ hingegen auſſer dergleichen dingen laͤſſet ſich in ſachen die zur erbauung dienen/ ſo vielmehr thun/ und iſt auch nicht zu ſorgen/ daß das gute/ was ein Chriſtlicher prediger vornimmet/ ſo leicht von dem Magiſtrat gehemmet werde/ in dem allezeit auch einige gute uͤbrig ſind/ ſo der andern boßheit entgegen ſtehen/ und das gute einigen ſchutz noch von ihnen findet. Daher an ſolchen orten/ wie das gute niemahls mit ſcheinbahrer macht durchtringen kan/ ſo kan es doch auch weniger als an an- dern von den boͤſen gantz untertruckt werden: ſondern es bleibet alles gleich- ſam in mediocritate. Hingegen leben wir in einer ſolchen zeit/ wo ich ſorge/ daß in keiner art einer policey unter herrſchafften oder ſtaͤdten/ etwas wichti- ges gutes mit oͤffentlicher autoritaͤt werde beſtaͤndig eingefuͤhret werden/ und eine nachtruͤckliche reformation von ſtatten gehen: ſondern wir muͤſſen uns aller orten annoch vergnuͤgen/ wo wir nur das gute auff ſolche art befoͤr- dern/ wie es eben groſſer anſtalten nicht bedarff. Hier zu werden wir aber eher weniger als mehr hindernuͤſſen finden bey dem ſtatu populari, als unter groſſen Herren/ und wo in dem magiſtrat einfaͤltige/ obwol offt auch wunder- liche koͤpffe ſich finden/ als wo kluͤgere und abgefeimete politici, die uns viel gefaͤhrlicher und auffſaͤtziger ſind/ das regiment fuͤhren. (3. Daß die ſtadt an der nahrung abnehme/ haͤtte bey mir auch wenig gewicht. Jndem durch ſolches unſer amt/ ſo es mit den ſeelen zu thun hat/ und unter den armen ge- meiniglich die meiſte frucht ſchaffet/ nicht hindern mag. 4. Hingegen hoͤre ich nicht/ daß ſonſten klage gefuͤhret werde/ daß entweder die Collegæ Chriſt- lichen vornehmen ſich widerſetzen und dero frucht hemmen/ noch auch die ge- meinde mit widerſetzlichkeit der an ſie wendenden treue ſich unwuͤrdig mache. Alſo 5. ſolte ich aus allem dieſem ſchlieſſen/ daß ſich goͤttlicher wille um die itzi- X x x
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ARTIC. II. SECTIO XIII.
ſo dann die Conſiſtorial-arbeit/ von nicht geringer wichtigkeit. Alſo/ daß
mir die ſtelle alſo vorkommt/ daß gelegenheit ſeye ein reiches pfund an ihrem
ort mit voͤlligem nutzen anzuwenden. 3. Die angedeuteten beſchwehrnuͤſſen
waͤren bey mir auch noch nicht der erhebligkeit/ daß ſie die aͤnderung ſonder-
lich treiben koͤnten. Dann (1. daß die Inſpection uͤber kirch-rechnung und ar-
men-kaſten nicht anvertrauet iſt/ iſt eine ſache/ die insgemein bey den ſtaͤdten
ſich findet/ da ſolche verrichtungen dem weltlichen Magiſtrat und dero ver-
ordneten heimgewieſen ſind (wie auch in Straßburg und Franckfurt/ wo ich
geweſen/ gebraͤuchlich) ſo halte ich ſolches aus Apoſt. Geſch. 6/ 2. 3. mehr
vor eine wolthat/ als beſchwehrde. (2. Die art des Status popularis ſchreck-
te mich auch nicht: vielmehr bin der meinung/ daß bey einem ſolchen mit gu-
ter frucht ſich arbeiten laſſe. Zwahr autoritate publica wird bey einem ſol-
chen ſtatu ſelten etwas notables gutes oͤffentlich introduciret werden/ weil
gut geſinnte in dem magiſtratu nicht leicht gegen die andere zu erhaltung der-
gleichen verbeſſerungen durchtringen koͤnnen/ hingegen auſſer dergleichen
dingen laͤſſet ſich in ſachen die zur erbauung dienen/ ſo vielmehr thun/ und iſt
auch nicht zu ſorgen/ daß das gute/ was ein Chriſtlicher prediger vornimmet/
ſo leicht von dem Magiſtrat gehemmet werde/ in dem allezeit auch einige gute
uͤbrig ſind/ ſo der andern boßheit entgegen ſtehen/ und das gute einigen ſchutz
noch von ihnen findet. Daher an ſolchen orten/ wie das gute niemahls mit
ſcheinbahrer macht durchtringen kan/ ſo kan es doch auch weniger als an an-
dern von den boͤſen gantz untertruckt werden: ſondern es bleibet alles gleich-
ſam in mediocritate. Hingegen leben wir in einer ſolchen zeit/ wo ich ſorge/
daß in keiner art einer policey unter herrſchafften oder ſtaͤdten/ etwas wichti-
ges gutes mit oͤffentlicher autoritaͤt werde beſtaͤndig eingefuͤhret werden/
und eine nachtruͤckliche reformation von ſtatten gehen: ſondern wir muͤſſen
uns aller orten annoch vergnuͤgen/ wo wir nur das gute auff ſolche art befoͤr-
dern/ wie es eben groſſer anſtalten nicht bedarff. Hier zu werden wir aber
eher weniger als mehr hindernuͤſſen finden bey dem ſtatu populari, als unter
groſſen Herren/ und wo in dem magiſtrat einfaͤltige/ obwol offt auch wunder-
liche koͤpffe ſich finden/ als wo kluͤgere und abgefeimete politici, die uns viel
gefaͤhrlicher und auffſaͤtziger ſind/ das regiment fuͤhren. (3. Daß die ſtadt
an der nahrung abnehme/ haͤtte bey mir auch wenig gewicht. Jndem durch
ſolches unſer amt/ ſo es mit den ſeelen zu thun hat/ und unter den armen ge-
meiniglich die meiſte frucht ſchaffet/ nicht hindern mag. 4. Hingegen hoͤre
ich nicht/ daß ſonſten klage gefuͤhret werde/ daß entweder die Collegæ Chriſt-
lichen vornehmen ſich widerſetzen und dero frucht hemmen/ noch auch die ge-
meinde mit widerſetzlichkeit der an ſie wendenden treue ſich unwuͤrdig mache.
Alſo 5. ſolte ich aus allem dieſem ſchlieſſen/ daß ſich goͤttlicher wille um die
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Zitationshilfe: | Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/545>, abgerufen am 26.06.2024. |