Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite
Des 1. Capitels.
LXXI.
Es ist aber 1. schon offt angezeiget/ wie ferne unsere kirche Babel nicht seye. 2. in der teut
schen Theologia, so von der römischen kirchen unverworffen/ wird das rechtschaffene wesen/ das
Gottes wort fordert/ durch und durch/ kräfftiglich getrieben. 3. Mag man zusehen/ daß man nicht
seye/ wie gutartige kinder/ die aus kindlicher liebe/ ihrer mutter fehle nicht nur nicht sehen/ son-
dern noch wohl als tugend lieben. Es mag dieses etwa die kinder entschuldigen. Aber noch nicht
die mutter. Man sagt/ wer sich selbsten kennen wolle/ müße einen getreuen freund/ und häßigen
seind haben. Keiner allein ist gnugsam: weil der freund nicht so genau/ der feind viel zugenau
alles beobachtet. Wo aber beede zusammen stimmen/ da mag man wohl acht auff sich haben.
Practicirten wir dieses in prüffung unserer lehre/ es sollte manches mit andern augen angese-
hen werden.
LXXII.
Es mag VI. eingewandt werden/ man seye schuldig die fehler der lehre anzuzeigen. Aber
thun dieses solche/ die durch menschliche beynahmen von uns geschieden seynd/ so wirds geacht/
als ob uns eine ganß anpfiffe. Thuts aber jemand aus unserm mittel: So ist er/ als aus der
fürsten vorrede/ und täglicher erfahrung erhellet/ schon verdorben. Wo mit einem solchen gehan-
delt wird/ so geschihets keines weges/ umbs amt ihme die wahrheit zu untersuchen/ sondern ihn wie-
der herum zubringen. Will er nicht/ so wird er getödtet.
LXXIII.
Ja wann unsere liebe und gütige mutter Maria oder ihr sohn und pfleger Johannes hie nach-
fragte; o wie gerne/ wie demüthig würde man die mängel anzeigen: Aber diese haben sich schon
lang verkriechen müssen. Es fraget hiernach nur der böse knecht/ der sich vollsaufft mit den trun-
ckenen/ und nur zu dem ende/ daß er materie habe seine mittknechte zu schlagen.
LXXIV.
Jacobs größere sohne wollen kurtzum nicht leiden/ daß Joseph für den vater (die gemeine)
bringe/ wo ein böses geschrey wider sie ist. Ehe ziehen sie ihm seinen bunden rock aus/ (ver-
werffen seinen beruff und glauben) und tuncken den in blut (verruffens als schändlich und auff-
rührisch) daß Jacob (die gemeine) dencken solle: ein böses thier habe Joseph gefreßen (der teuf-
fel hat diesen schwärmer besessen) ja sie werffen ihn in die grube des elendes (nehmen ihm diemit-
tel seines stück brods (ob er doch verschmachten müsse) weil sie ihn nicht tödten dörffen.
Aber Gottes regierung ist wunderlich. Er kan wohl den Joseph retten/ und jener boßheit an den
tag bringen.
LXXV.
Es seind viel/ die davor halten: GOtt habe der Evangelischen kirchen vornehmlich durch
J. B. ihre fehler in lehr und leben zeigen/ und sie zu recht führen wollen. Es ist meines beruffes nicht
ehe ich gefraget werde/ mein bedencken über diesen authorem zugeben: die aber diesen beruff vor-
schützen/ wie gehen sie mit ihm umb? So viel ich noch gesehen/ also: daß der Antichrist auch bey
uns hersche/ man destoweniger zuzweiffelen hat.
LXXVI.
Es möchte vorgeworffen werden VII. Jerusalem sey von Babel unterschieden verblieben/ obschon
sehr verfallen/ warumb nicht auch unsere kirche? massen Jüden/ Türcken und heyden und andere
secten darumb nicht Babel seyen.
LXXVII.
Aber Babylon ist das reich des antichrists/ der unter Christi nahmen CHristo widerstehet/
das weder Juden/ türcken noch heyden zukommet. Andere Secten und Christen bet[r]effende/ wo
solche ihnen selbsten auch satzungen machen/ dabey sie als gewiß göttlichen halten wollen/ und da-
rüber die diener Christi/ die sie bestraffen/ verderben. So geschihet dieses eben auch aus gleicher
Antichristischer beherschung/ und seynd also auch ein theil das verwirrten großen Babylons mit.
LXXVII.
X x 3
Des 1. Capitels.
LXXI.
Es iſt aber 1. ſchon offt angezeiget/ wie ferne unſere kirche Babel nicht ſeye. 2. in der teut
ſchen Theologia, ſo von der roͤmiſchen kirchen unverworffen/ wird das rechtſchaffene weſen/ das
Gottes wort fordert/ durch und durch/ kraͤfftiglich getrieben. 3. Mag man zuſehen/ daß man nicht
ſeye/ wie gutartige kinder/ die aus kindlicher liebe/ ihrer mutter fehle nicht nur nicht ſehen/ ſon-
dern noch wohl als tugend lieben. Es mag dieſes etwa die kinder entſchuldigen. Aber noch nicht
die mutter. Man ſagt/ wer ſich ſelbſten kennen wolle/ muͤße einen getreuen freund/ und haͤßigen
ſeind haben. Keiner allein iſt gnugſam: weil der freund nicht ſo genau/ der feind viel zugenau
alles beobachtet. Wo aber beede zuſammen ſtimmen/ da mag man wohl acht auff ſich haben.
Practicirten wir dieſes in pruͤffung unſerer lehre/ es ſollte manches mit andern augen angeſe-
hen werden.
LXXII.
Es mag VI. eingewandt werden/ man ſeye ſchuldig die fehler der lehre anzuzeigen. Aber
thun dieſes ſolche/ die durch menſchliche beynahmen von uns geſchieden ſeynd/ ſo wirds geacht/
als ob uns eine ganß anpfiffe. Thuts aber jemand aus unſerm mittel: So iſt er/ als aus der
fuͤrſten vorrede/ und taͤglicher erfahrung erhellet/ ſchon verdorben. Wo mit einem ſolchen gehan-
delt wird/ ſo geſchihets keines weges/ umbs amt ihme die wahrheit zu unterſuchen/ ſondern ihn wie-
der herum zubringen. Will er nicht/ ſo wird er getoͤdtet.
LXXIII.
Ja wañ unſere liebe und guͤtige mutter Maria oder ihr ſohn und pfleger Johannes hie nach-
fragte; o wie gerne/ wie demuͤthig wuͤrde man die maͤngel anzeigen: Aber dieſe haben ſich ſchon
lang verkriechen muͤſſen. Es fraget hiernach nur der boͤſe knecht/ der ſich vollſaufft mit den trun-
ckenen/ und nur zu dem ende/ daß er materie habe ſeine mittknechte zu ſchlagen.
LXXIV.
Jacobs groͤßere ſohne wollen kurtzum nicht leiden/ daß Joſeph fuͤr den vater (die gemeine)
bringe/ wo ein boͤſes geſchrey wider ſie iſt. Ehe ziehen ſie ihm ſeinen bunden rock aus/ (ver-
werffen ſeinen beruff und glauben) und tuncken den in blut (verruffens als ſchaͤndlich und auff-
ruͤhriſch) daß Jacob (die gemeine) dencken ſolle: ein boͤſes thier habe Joſeph gefreßen (der teuf-
fel hat dieſen ſchwaͤrmer beſeſſen) ja ſie werffen ihn in die grube des elendes (nehmen ihm diemit-
tel ſeines ſtuͤck brods (ob er doch verſchmachten muͤſſe) weil ſie ihn nicht toͤdten doͤrffen.
Aber Gottes regierung iſt wunderlich. Er kan wohl den Joſeph retten/ und jener boßheit an den
tag bringen.
LXXV.
Es ſeind viel/ die davor halten: GOtt habe der Evangeliſchen kirchen vornehmlich durch
J. B. ihre fehler in lehr und leben zeigen/ und ſie zu recht fuͤhren wollen. Es iſt meines beruffes nicht
ehe ich gefraget werde/ mein bedencken uͤber dieſen authorem zugeben: die aber dieſen beruff vor-
ſchuͤtzen/ wie gehen ſie mit ihm umb? So viel ich noch geſehen/ alſo: daß der Antichriſt auch bey
uns herſche/ man deſtoweniger zuzweiffelen hat.
LXXVI.
Es moͤchte vorgeworffen werden VII. Jeruſalem ſey von Babel unterſchieden verblieben/ obſchon
ſehr verfallen/ warumb nicht auch unſere kirche? maſſen Juͤden/ Tuͤrcken und heyden und andere
ſecten darumb nicht Babel ſeyen.
LXXVII.
Aber Babylon iſt das reich des antichriſts/ der unter Chriſti nahmen CHriſto widerſtehet/
das weder Juden/ tuͤrcken noch heyden zukommet. Andere Secten und Chriſten bet[r]effende/ wo
ſolche ihnen ſelbſten auch ſatzungen machen/ dabey ſie als gewiß goͤttlichen halten wollen/ und da-
ruͤber die diener Chriſti/ die ſie beſtraffen/ verderben. So geſchihet dieſes eben auch aus gleicher
Antichriſtiſcher beherſchung/ und ſeynd alſo auch ein theil das verwirꝛten großen Babylons mit.
LXXVII.
X x 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0365" n="349"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des 1. Capitels.</hi> </fw><lb/>
        <list>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">LXXI.</hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Es i&#x017F;t aber 1. &#x017F;chon offt angezeiget/ wie ferne un&#x017F;ere kirche Babel nicht &#x017F;eye. 2. in der teut<lb/>
&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Theologia,</hi> &#x017F;o von der ro&#x0364;mi&#x017F;chen kirchen unverworffen/ wird das recht&#x017F;chaffene we&#x017F;en/ das<lb/>
Gottes wort fordert/ durch und durch/ kra&#x0364;fftiglich getrieben. 3. Mag man zu&#x017F;ehen/ daß man nicht<lb/>
&#x017F;eye/ wie gutartige kinder/ die aus kindlicher liebe/ ihrer mutter fehle nicht nur nicht &#x017F;ehen/ &#x017F;on-<lb/>
dern noch wohl als tugend lieben. Es mag die&#x017F;es etwa die kinder ent&#x017F;chuldigen. Aber noch nicht<lb/>
die mutter. Man &#x017F;agt/ wer &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;ten kennen wolle/ mu&#x0364;ße einen getreuen freund/ und ha&#x0364;ßigen<lb/>
&#x017F;eind haben. Keiner allein i&#x017F;t gnug&#x017F;am: weil der freund nicht &#x017F;o genau/ der feind viel zugenau<lb/>
alles beobachtet. Wo aber beede zu&#x017F;ammen &#x017F;timmen/ da mag man wohl acht auff &#x017F;ich haben.<lb/><hi rendition="#aq">Practicir</hi>ten wir die&#x017F;es in pru&#x0364;ffung un&#x017F;erer lehre/ es &#x017F;ollte manches mit andern augen ange&#x017F;e-<lb/>
hen werden.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXII.</hi> </hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Es mag <hi rendition="#aq">VI.</hi> eingewandt werden/ man &#x017F;eye &#x017F;chuldig die fehler der lehre anzuzeigen. Aber<lb/>
thun die&#x017F;es &#x017F;olche/ die durch men&#x017F;chliche beynahmen von uns ge&#x017F;chieden &#x017F;eynd/ &#x017F;o wirds geacht/<lb/>
als ob uns eine ganß anpfiffe. Thuts aber jemand aus un&#x017F;erm mittel: So i&#x017F;t er/ als aus der<lb/>
fu&#x0364;r&#x017F;ten vorrede/ und ta&#x0364;glicher erfahrung erhellet/ &#x017F;chon verdorben. Wo mit einem &#x017F;olchen gehan-<lb/>
delt wird/ &#x017F;o ge&#x017F;chihets keines weges/ umbs amt ihme die wahrheit zu unter&#x017F;uchen/ &#x017F;ondern ihn wie-<lb/>
der herum zubringen. Will er nicht/ &#x017F;o wird er geto&#x0364;dtet.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">LXXIII.</hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Ja wan&#x0303; un&#x017F;ere liebe und gu&#x0364;tige mutter Maria oder ihr &#x017F;ohn und pfleger <hi rendition="#aq">Johannes</hi> hie nach-<lb/>
fragte; o wie gerne/ wie demu&#x0364;thig wu&#x0364;rde man die ma&#x0364;ngel anzeigen: Aber die&#x017F;e haben &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
lang verkriechen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Es fraget hiernach nur der bo&#x0364;&#x017F;e knecht/ der &#x017F;ich voll&#x017F;aufft mit den trun-<lb/>
ckenen/ und nur zu dem ende/ daß er materie habe &#x017F;eine mittknechte zu &#x017F;chlagen.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXIV.</hi> </hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Jacobs gro&#x0364;ßere &#x017F;ohne wollen kurtzum nicht leiden/ daß Jo&#x017F;eph fu&#x0364;r den vater (die gemeine)<lb/>
bringe/ wo ein bo&#x0364;&#x017F;es ge&#x017F;chrey wider &#x017F;ie i&#x017F;t. Ehe ziehen &#x017F;ie ihm &#x017F;einen bunden rock aus/ (ver-<lb/>
werffen &#x017F;einen beruff und glauben) und tuncken den in blut (verruffens als &#x017F;cha&#x0364;ndlich und auff-<lb/>
ru&#x0364;hri&#x017F;ch) daß Jacob (die gemeine) dencken &#x017F;olle: ein bo&#x0364;&#x017F;es thier habe Jo&#x017F;eph gefreßen (der teuf-<lb/>
fel hat die&#x017F;en &#x017F;chwa&#x0364;rmer be&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en) ja &#x017F;ie werffen ihn in die grube des elendes (nehmen ihm diemit-<lb/>
tel &#x017F;eines &#x017F;tu&#x0364;ck brods (ob er doch ver&#x017F;chmachten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e) weil &#x017F;ie ihn nicht to&#x0364;dten do&#x0364;rffen.<lb/>
Aber Gottes regierung i&#x017F;t wunderlich. Er kan wohl den Jo&#x017F;eph retten/ und jener boßheit an den<lb/>
tag bringen.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXV.</hi> </hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Es &#x017F;eind viel/ die davor halten: GOtt habe der Evangeli&#x017F;chen kirchen vornehmlich durch<lb/><hi rendition="#aq">J. B.</hi> ihre fehler in lehr und leben zeigen/ und &#x017F;ie zu recht fu&#x0364;hren wollen. Es i&#x017F;t meines beruffes nicht<lb/>
ehe ich gefraget werde/ mein bedencken u&#x0364;ber die&#x017F;en <hi rendition="#aq">authorem</hi> zugeben: die aber die&#x017F;en beruff vor-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen/ wie gehen &#x017F;ie mit ihm umb? So viel ich noch ge&#x017F;ehen/ al&#x017F;o: daß der Antichri&#x017F;t auch bey<lb/>
uns her&#x017F;che/ man de&#x017F;toweniger zuzweiffelen hat.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXVI.</hi> </hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Es mo&#x0364;chte vorgeworffen werden <hi rendition="#aq">VII.</hi> Jeru&#x017F;alem &#x017F;ey von Babel unter&#x017F;chieden verblieben/ ob&#x017F;chon<lb/>
&#x017F;ehr verfallen/ warumb nicht auch un&#x017F;ere kirche? ma&#x017F;&#x017F;en Ju&#x0364;den/ Tu&#x0364;rcken und heyden und andere<lb/>
&#x017F;ecten darumb nicht Babel &#x017F;eyen.</item><lb/>
          <item> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#g">LXXVII.</hi> </hi> </hi> </item><lb/>
          <item>Aber Babylon i&#x017F;t das reich des antichri&#x017F;ts/ der unter Chri&#x017F;ti nahmen CHri&#x017F;to wider&#x017F;tehet/<lb/>
das weder Juden/ tu&#x0364;rcken noch heyden zukommet. Andere <hi rendition="#aq">Secten</hi> und Chri&#x017F;ten bet<supplied>r</supplied>effende/ wo<lb/>
&#x017F;olche ihnen &#x017F;elb&#x017F;ten auch &#x017F;atzungen machen/ dabey &#x017F;ie als gewiß go&#x0364;ttlichen halten wollen/ und da-<lb/>
ru&#x0364;ber die diener Chri&#x017F;ti/ die &#x017F;ie be&#x017F;traffen/ verderben. So ge&#x017F;chihet die&#x017F;es eben auch aus gleicher<lb/>
Antichri&#x017F;ti&#x017F;cher beher&#x017F;chung/ und &#x017F;eynd al&#x017F;o auch ein theil das verwir&#xA75B;ten großen Babylons mit.</item>
        </list><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">X x 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">LXXVII.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0365] Des 1. Capitels. LXXI. Es iſt aber 1. ſchon offt angezeiget/ wie ferne unſere kirche Babel nicht ſeye. 2. in der teut ſchen Theologia, ſo von der roͤmiſchen kirchen unverworffen/ wird das rechtſchaffene weſen/ das Gottes wort fordert/ durch und durch/ kraͤfftiglich getrieben. 3. Mag man zuſehen/ daß man nicht ſeye/ wie gutartige kinder/ die aus kindlicher liebe/ ihrer mutter fehle nicht nur nicht ſehen/ ſon- dern noch wohl als tugend lieben. Es mag dieſes etwa die kinder entſchuldigen. Aber noch nicht die mutter. Man ſagt/ wer ſich ſelbſten kennen wolle/ muͤße einen getreuen freund/ und haͤßigen ſeind haben. Keiner allein iſt gnugſam: weil der freund nicht ſo genau/ der feind viel zugenau alles beobachtet. Wo aber beede zuſammen ſtimmen/ da mag man wohl acht auff ſich haben. Practicirten wir dieſes in pruͤffung unſerer lehre/ es ſollte manches mit andern augen angeſe- hen werden. LXXII. Es mag VI. eingewandt werden/ man ſeye ſchuldig die fehler der lehre anzuzeigen. Aber thun dieſes ſolche/ die durch menſchliche beynahmen von uns geſchieden ſeynd/ ſo wirds geacht/ als ob uns eine ganß anpfiffe. Thuts aber jemand aus unſerm mittel: So iſt er/ als aus der fuͤrſten vorrede/ und taͤglicher erfahrung erhellet/ ſchon verdorben. Wo mit einem ſolchen gehan- delt wird/ ſo geſchihets keines weges/ umbs amt ihme die wahrheit zu unterſuchen/ ſondern ihn wie- der herum zubringen. Will er nicht/ ſo wird er getoͤdtet. LXXIII. Ja wañ unſere liebe und guͤtige mutter Maria oder ihr ſohn und pfleger Johannes hie nach- fragte; o wie gerne/ wie demuͤthig wuͤrde man die maͤngel anzeigen: Aber dieſe haben ſich ſchon lang verkriechen muͤſſen. Es fraget hiernach nur der boͤſe knecht/ der ſich vollſaufft mit den trun- ckenen/ und nur zu dem ende/ daß er materie habe ſeine mittknechte zu ſchlagen. LXXIV. Jacobs groͤßere ſohne wollen kurtzum nicht leiden/ daß Joſeph fuͤr den vater (die gemeine) bringe/ wo ein boͤſes geſchrey wider ſie iſt. Ehe ziehen ſie ihm ſeinen bunden rock aus/ (ver- werffen ſeinen beruff und glauben) und tuncken den in blut (verruffens als ſchaͤndlich und auff- ruͤhriſch) daß Jacob (die gemeine) dencken ſolle: ein boͤſes thier habe Joſeph gefreßen (der teuf- fel hat dieſen ſchwaͤrmer beſeſſen) ja ſie werffen ihn in die grube des elendes (nehmen ihm diemit- tel ſeines ſtuͤck brods (ob er doch verſchmachten muͤſſe) weil ſie ihn nicht toͤdten doͤrffen. Aber Gottes regierung iſt wunderlich. Er kan wohl den Joſeph retten/ und jener boßheit an den tag bringen. LXXV. Es ſeind viel/ die davor halten: GOtt habe der Evangeliſchen kirchen vornehmlich durch J. B. ihre fehler in lehr und leben zeigen/ und ſie zu recht fuͤhren wollen. Es iſt meines beruffes nicht ehe ich gefraget werde/ mein bedencken uͤber dieſen authorem zugeben: die aber dieſen beruff vor- ſchuͤtzen/ wie gehen ſie mit ihm umb? So viel ich noch geſehen/ alſo: daß der Antichriſt auch bey uns herſche/ man deſtoweniger zuzweiffelen hat. LXXVI. Es moͤchte vorgeworffen werden VII. Jeruſalem ſey von Babel unterſchieden verblieben/ obſchon ſehr verfallen/ warumb nicht auch unſere kirche? maſſen Juͤden/ Tuͤrcken und heyden und andere ſecten darumb nicht Babel ſeyen. LXXVII. Aber Babylon iſt das reich des antichriſts/ der unter Chriſti nahmen CHriſto widerſtehet/ das weder Juden/ tuͤrcken noch heyden zukommet. Andere Secten und Chriſten betreffende/ wo ſolche ihnen ſelbſten auch ſatzungen machen/ dabey ſie als gewiß goͤttlichen halten wollen/ und da- ruͤber die diener Chriſti/ die ſie beſtraffen/ verderben. So geſchihet dieſes eben auch aus gleicher Antichriſtiſcher beherſchung/ und ſeynd alſo auch ein theil das verwirꝛten großen Babylons mit. LXXVII. X x 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/365
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/365>, abgerufen am 25.11.2024.