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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
nehmen/ nicht sehende/ daß sie damit/ da sie überwinden wollen/ in der that
bezeugen/ daß sie selbst überwunden seyen. Weßwegen ich allezeit sorgfäl-
tig treibe/ wie wir unserseits uns fest genung damit setzen können/ daß wir
den grund der lehr und die controversien recht verstehen lernen/ so zwahr
freylich gut ist/ und vornemlich uns gegen die verführung verwahret/ son-
dern daß nothwendig seye/ daß alle solche wahrheit/ auch so durch des Heil.
Geistes krafft in unsere hertzen gedrucket werde/ damit wir dieselbige würdig
halten/ alles in der welt/ unsern stand/ würde/ güter/ leib und leben/ darüber
in die schantze zu schlagen/ wozu keine buchstäbliche erkäntnüß zulänglich seyn
will/ sondern die versiegelung des Heil. Geistes in der seele; zu dieser aber ein
solches von der welt und allem vorsätzlich sündlichen wesen gereinigtes leben/
bey dem man jener himmlischen wirckung fähig seye/ erfordert wird. Die
ewige weißheit und güte des treuesten Vaters wolle neben allen denen in ver-
suchung und der probe stehenden mit-Christen denselben auch in der wahr-
heit seines Evangelii erhalten/ ihn deswegen von allem was die göttliche gna-
de hindern möchte/ kräfftig in dem gantzen leben reinigen/ und zu einem zeug-
niß seiner herrlichen krafft/ auch zu anderer stärckung machen/ endlich auch
den feinden steuren/ und zeigen/ daß er sein armes Jerusalem nicht auff ewig/
sondern allein eine zeitlang der gewalt Babels überlassen habe/ aber zu seiner
zeit das zerstöhrete herrlich wieder auffbauen werde.

SECTIO LX.
Vortheil unserer kirchen vor der Römischen. Herrn
von Seckendorff Christen-staat.

JCh schätze den Hebräischen grund hoch/ aber finde in dem Griechischen
noch mehr liecht/ nachdem das liecht in die welt kommen ist. Daß wir
in unser kirchen nicht mehr vortheil haben solten/ als sie in der Römi-
schen zu GOtt gefälligem dienst/ wird mich niemand überreden/ und dan-
cke ich GOtt vor die gnade/ die er den unserigen gegeben. (Ach daß wir sie nur
danckbarer gebraucheten) Es ist ja eine grosse gnade/ in einer solchen freyheit
zu leben/ daß man zu keiner abgötterey/ aberglauben und billigung solcher
dinge in unserer kirchen verbunden wird/ welche dem in göttlicher wahrheit
erleuchteten gewissen entgegen sind/ wie in der Römischen kirchen in so vie-
len stücken geschihet. Daher fast unmüglich ist/ daß einer/ welcher erst wahr-
hafftig den grund unserer Evangelischen (oder auch Reformirten) wahrheit
erkannt hat/ sein lebenlang von grund der seelen Römisch-Päbstisch werden
kan. Welches mir das elend der in Franckreich seufftzenden so viel betrübter
macht. Jedoch wird sich der HERR auch derselben annehmen. Und wie

wann

Das erſte Capitel.
nehmen/ nicht ſehende/ daß ſie damit/ da ſie uͤberwinden wollen/ in der that
bezeugen/ daß ſie ſelbſt uͤberwunden ſeyen. Weßwegen ich allezeit ſorgfaͤl-
tig treibe/ wie wir unſerſeits uns feſt genung damit ſetzen koͤnnen/ daß wir
den grund der lehr und die controverſien recht verſtehen lernen/ ſo zwahr
freylich gut iſt/ und vornemlich uns gegen die verfuͤhrung verwahret/ ſon-
dern daß nothwendig ſeye/ daß alle ſolche wahrheit/ auch ſo durch des Heil.
Geiſtes krafft in unſere hertzen gedrucket werde/ damit wir dieſelbige wuͤrdig
halten/ alles in der welt/ unſern ſtand/ wuͤrde/ guͤter/ leib und leben/ daruͤber
in die ſchantze zu ſchlagen/ wozu keine buchſtaͤbliche erkaͤntnuͤß zulaͤnglich ſeyn
will/ ſondern die verſiegelung des Heil. Geiſtes in der ſeele; zu dieſer aber ein
ſolches von der welt und allem vorſaͤtzlich ſuͤndlichen weſen gereinigtes leben/
bey dem man jener himmliſchen wirckung faͤhig ſeye/ erfordert wird. Die
ewige weißheit und guͤte des treueſten Vaters wolle neben allen denen in ver-
ſuchung und der probe ſtehenden mit-Chriſten denſelben auch in der wahr-
heit ſeines Evangelii erhalten/ ihn deswegen von allem was die goͤttliche gna-
de hindern moͤchte/ kraͤfftig in dem gantzen leben reinigen/ und zu einem zeug-
niß ſeiner herrlichen krafft/ auch zu anderer ſtaͤrckung machen/ endlich auch
den feinden ſteuren/ und zeigen/ daß er ſein armes Jeruſalem nicht auff ewig/
ſondern allein eine zeitlang der gewalt Babels uͤberlaſſen habe/ aber zu ſeiner
zeit das zerſtoͤhrete herrlich wieder auffbauen werde.

SECTIO LX.
Vortheil unſerer kirchen vor der Roͤmiſchen. Herrn
von Seckendorff Chriſten-ſtaat.

JCh ſchaͤtze den Hebraͤiſchen grund hoch/ aber finde in dem Griechiſchen
noch mehr liecht/ nachdem das liecht in die welt kommen iſt. Daß wir
in unſer kirchen nicht mehr vortheil haben ſolten/ als ſie in der Roͤmi-
ſchen zu GOtt gefaͤlligem dienſt/ wird mich niemand uͤberreden/ und dan-
cke ich GOtt vor die gnade/ die er den unſerigen gegeben. (Ach daß wir ſie nur
danckbarer gebraucheten) Es iſt ja eine groſſe gnade/ in einer ſolchen freyheit
zu leben/ daß man zu keiner abgoͤtterey/ aberglauben und billigung ſolcher
dinge in unſerer kirchen verbunden wird/ welche dem in goͤttlicher wahrheit
erleuchteten gewiſſen entgegen ſind/ wie in der Roͤmiſchen kirchen in ſo vie-
len ſtuͤcken geſchihet. Daher faſt unmuͤglich iſt/ daß einer/ welcher erſt wahr-
hafftig den grund unſerer Evangeliſchen (oder auch Reformirten) wahrheit
erkannt hat/ ſein lebenlang von grund der ſeelen Roͤmiſch-Paͤbſtiſch werden
kan. Welches mir das elend der in Franckreich ſeufftzenden ſo viel betruͤbter
macht. Jedoch wird ſich der HERR auch derſelben annehmen. Und wie

wann
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[270/0286] Das erſte Capitel. nehmen/ nicht ſehende/ daß ſie damit/ da ſie uͤberwinden wollen/ in der that bezeugen/ daß ſie ſelbſt uͤberwunden ſeyen. Weßwegen ich allezeit ſorgfaͤl- tig treibe/ wie wir unſerſeits uns feſt genung damit ſetzen koͤnnen/ daß wir den grund der lehr und die controverſien recht verſtehen lernen/ ſo zwahr freylich gut iſt/ und vornemlich uns gegen die verfuͤhrung verwahret/ ſon- dern daß nothwendig ſeye/ daß alle ſolche wahrheit/ auch ſo durch des Heil. Geiſtes krafft in unſere hertzen gedrucket werde/ damit wir dieſelbige wuͤrdig halten/ alles in der welt/ unſern ſtand/ wuͤrde/ guͤter/ leib und leben/ daruͤber in die ſchantze zu ſchlagen/ wozu keine buchſtaͤbliche erkaͤntnuͤß zulaͤnglich ſeyn will/ ſondern die verſiegelung des Heil. Geiſtes in der ſeele; zu dieſer aber ein ſolches von der welt und allem vorſaͤtzlich ſuͤndlichen weſen gereinigtes leben/ bey dem man jener himmliſchen wirckung faͤhig ſeye/ erfordert wird. Die ewige weißheit und guͤte des treueſten Vaters wolle neben allen denen in ver- ſuchung und der probe ſtehenden mit-Chriſten denſelben auch in der wahr- heit ſeines Evangelii erhalten/ ihn deswegen von allem was die goͤttliche gna- de hindern moͤchte/ kraͤfftig in dem gantzen leben reinigen/ und zu einem zeug- niß ſeiner herrlichen krafft/ auch zu anderer ſtaͤrckung machen/ endlich auch den feinden ſteuren/ und zeigen/ daß er ſein armes Jeruſalem nicht auff ewig/ ſondern allein eine zeitlang der gewalt Babels uͤberlaſſen habe/ aber zu ſeiner zeit das zerſtoͤhrete herrlich wieder auffbauen werde. SECTIO LX. Vortheil unſerer kirchen vor der Roͤmiſchen. Herrn von Seckendorff Chriſten-ſtaat. JCh ſchaͤtze den Hebraͤiſchen grund hoch/ aber finde in dem Griechiſchen noch mehr liecht/ nachdem das liecht in die welt kommen iſt. Daß wir in unſer kirchen nicht mehr vortheil haben ſolten/ als ſie in der Roͤmi- ſchen zu GOtt gefaͤlligem dienſt/ wird mich niemand uͤberreden/ und dan- cke ich GOtt vor die gnade/ die er den unſerigen gegeben. (Ach daß wir ſie nur danckbarer gebraucheten) Es iſt ja eine groſſe gnade/ in einer ſolchen freyheit zu leben/ daß man zu keiner abgoͤtterey/ aberglauben und billigung ſolcher dinge in unſerer kirchen verbunden wird/ welche dem in goͤttlicher wahrheit erleuchteten gewiſſen entgegen ſind/ wie in der Roͤmiſchen kirchen in ſo vie- len ſtuͤcken geſchihet. Daher faſt unmuͤglich iſt/ daß einer/ welcher erſt wahr- hafftig den grund unſerer Evangeliſchen (oder auch Reformirten) wahrheit erkannt hat/ ſein lebenlang von grund der ſeelen Roͤmiſch-Paͤbſtiſch werden kan. Welches mir das elend der in Franckreich ſeufftzenden ſo viel betruͤbter macht. Jedoch wird ſich der HERR auch derſelben annehmen. Und wie wann

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/286>, abgerufen am 03.12.2024.