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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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Das erste Capitel.
leur avoit ordonne. Rom. 13/ 1. die Obrigkeit ist von Gott verordnet/
sont ordonnees de dieu, GOtt hat sie eingesetzt/ ihnen den gebrauch der ge-
walt und den unterthanen den gehorsam gegen sie befohlen/ damit alles in
rechter ordnung bliebe. Apost. Gesch. 22/ 10. heissets/ das dir zu thun
verordnet ist:
qui t' est ordonne de faire. 5. Wie nun aus allen solchen orten/
wo das wort in dem Neuen Testament vorkommet/ zusehen ist/ daß es nie von
dem ewigen rathschluß/ der nur in GOttes bestimmung bestünde/ und dabey
der mensch nichts zuthun hätte/ sondern nur mit sich thun lassen müßte/ ge-
braucht werde/ und daher auch an diesem ort keinen neuen und sonderbahren
verstand gewinnen könne/ so ist ferner zusuchen/ welches dann der
rechte verstand an dieser stelle seye/ nemlich/ welcher zu der sache selbs/
und der glaubens-regel sich am gemäßesten schicket. 6. Hiebey ist nun
in acht zunehmen/ daß GOtt den menschen gern bekehren und zum glauben
bringen wolle/ aber nicht anders/ als in der von ihm selbst gemachten ord-
nung. Diese ordnung bringet nun unterschiedliches mit sich: Von Gottes
seiten erfordert sie/ daß er sein wort predigen läßet/ und den Heil. Geist dazu
gibet/ welcher daßelbe in die hertzen der menschen eintrucken den glauben
dadurch zuwircken. An diesem stück der ordnung und also von Gottes sei-
ten/ mangelts nun niemahl. Es wird aber hingegen auch von der menschen
seiten etwas erfordert/ nicht zwahr/ daß sie den glauben in sich wircketen/ so
nur Gottes werck ist/ oder aus eigener krafft etwas gutes thäten/ welches ih-
nen unmöglich bleibet/ sondern allein/ daß der mensch/ der zwahr aus eige-
nen kräfften widerstreben. Luc. 7/ 30. Apost. Gesch. 7/ 57. aber von
selbs sich nicht bekehren kan/ der wirckenden gnade Gottes bey sich platz gebe/
und sie mit sich machen laße/ dabey in dem euserlichen den gehorsam erwei-
se/ daß er das wort höre/ und auff daßelbe acht gebe. Dieses ist die göttliche
ordnung/ in dero der mensch gläubig werden muß/ da hingegen/ wo der
mensch/ was diese ordnung von ihm erfordert/ nicht thut/ sondern sich boß-
hafftig widersetzt seine bekehrung von ihm selbst gehindert wird. 7. Wann
dann einer sich der göttl. ordnung nicht beqvemet/ sondern deroselben sich
widersetzet/ der ist nicht wohl geordnet zum ewigen leben/ nicht/ daß die
schuld daran wäre/ weil ihn Gott nicht dazu verordnen habe wollen/ son-
dern weil er aus der ordnung schreitet/ il se porte desordonnement. Welche
hingegen sich solcher ordnung beqvemen/ hören euserlich mit andacht zu/ und
widerstreben innerlich dem geiste Gottes nicht/ von denen mag ich sagen/ sie
sind geordnet/ das ist/ sie seynd in der rechten ordnung/ und haben sich von
GOtt in die rechte ordnung bringen lassen zum ewigen leben/ abermal nicht
aus der krafft einer sonderbahren verordnung/ die sie allein dazu bestimm-

te/

Das erſte Capitel.
leur avoit ordonné. Rom. 13/ 1. die Obrigkeit iſt von Gott verordnet/
ſont ordonnées de dieu, GOtt hat ſie eingeſetzt/ ihnen den gebrauch der ge-
walt und den unterthanen den gehorſam gegen ſie befohlen/ damit alles in
rechter ordnung bliebe. Apoſt. Geſch. 22/ 10. heiſſets/ das dir zu thun
verordnet iſt:
qui t’ eſt ordonné de faire. 5. Wie nun aus allen ſolchen orten/
wo das wort in dem Neuen Teſtament vorkommet/ zuſehen iſt/ daß es nie von
dem ewigen rathſchluß/ der nur in GOttes beſtimmung beſtuͤnde/ und dabey
der menſch nichts zuthun haͤtte/ ſondern nur mit ſich thun laſſen muͤßte/ ge-
braucht werde/ und daher auch an dieſem ort keinen neuen und ſonderbahren
verſtand gewinnen koͤnne/ ſo iſt ferner zuſuchen/ welches dann der
rechte verſtand an dieſer ſtelle ſeye/ nemlich/ welcher zu der ſache ſelbs/
und der glaubens-regel ſich am gemaͤßeſten ſchicket. 6. Hiebey iſt nun
in acht zunehmen/ daß GOtt den menſchen gern bekehren und zum glauben
bringen wolle/ aber nicht anders/ als in der von ihm ſelbſt gemachten ord-
nung. Dieſe ordnung bringet nun unterſchiedliches mit ſich: Von Gottes
ſeiten erfordert ſie/ daß er ſein wort predigen laͤßet/ und den Heil. Geiſt dazu
gibet/ welcher daßelbe in die hertzen der menſchen eintrucken den glauben
dadurch zuwircken. An dieſem ſtuͤck der ordnung und alſo von Gottes ſei-
ten/ mangelts nun niemahl. Es wird aber hingegen auch von der menſchen
ſeiten etwas erfordert/ nicht zwahr/ daß ſie den glauben in ſich wircketen/ ſo
nur Gottes werck iſt/ oder aus eigener krafft etwas gutes thaͤten/ welches ih-
nen unmoͤglich bleibet/ ſondern allein/ daß der menſch/ der zwahr aus eige-
nen kraͤfften widerſtreben. Luc. 7/ 30. Apoſt. Geſch. 7/ 57. aber von
ſelbs ſich nicht bekehren kan/ der wirckenden gnade Gottes bey ſich platz gebe/
und ſie mit ſich machen laße/ dabey in dem euſerlichen den gehorſam erwei-
ſe/ daß er das wort hoͤre/ und auff daßelbe acht gebe. Dieſes iſt die goͤttliche
ordnung/ in dero der menſch glaͤubig werden muß/ da hingegen/ wo der
menſch/ was dieſe ordnung von ihm erfordert/ nicht thut/ ſondern ſich boß-
hafftig widerſetzt ſeine bekehrung von ihm ſelbſt gehindert wird. 7. Wann
dann einer ſich der goͤttl. ordnung nicht beqvemet/ ſondern deroſelben ſich
widerſetzet/ der iſt nicht wohl geordnet zum ewigen leben/ nicht/ daß die
ſchuld daran waͤre/ weil ihn Gott nicht dazu verordnen habe wollen/ ſon-
dern weil er aus der ordnung ſchreitet/ il ſe porte deſordonnement. Welche
hingegen ſich ſolcher ordnung beqvemen/ hoͤren euſerlich mit andacht zu/ und
widerſtreben innerlich dem geiſte Gottes nicht/ von denen mag ich ſagen/ ſie
ſind geordnet/ das iſt/ ſie ſeynd in der rechten ordnung/ und haben ſich von
GOtt in die rechte ordnung bringen laſſen zum ewigen leben/ abermal nicht
aus der krafft einer ſonderbahren verordnung/ die ſie allein dazu beſtimm-

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[12/0028] Das erſte Capitel. leur avoit ordonné. Rom. 13/ 1. die Obrigkeit iſt von Gott verordnet/ ſont ordonnées de dieu, GOtt hat ſie eingeſetzt/ ihnen den gebrauch der ge- walt und den unterthanen den gehorſam gegen ſie befohlen/ damit alles in rechter ordnung bliebe. Apoſt. Geſch. 22/ 10. heiſſets/ das dir zu thun verordnet iſt: qui t’ eſt ordonné de faire. 5. Wie nun aus allen ſolchen orten/ wo das wort in dem Neuen Teſtament vorkommet/ zuſehen iſt/ daß es nie von dem ewigen rathſchluß/ der nur in GOttes beſtimmung beſtuͤnde/ und dabey der menſch nichts zuthun haͤtte/ ſondern nur mit ſich thun laſſen muͤßte/ ge- braucht werde/ und daher auch an dieſem ort keinen neuen und ſonderbahren verſtand gewinnen koͤnne/ ſo iſt ferner zuſuchen/ welches dann der rechte verſtand an dieſer ſtelle ſeye/ nemlich/ welcher zu der ſache ſelbs/ und der glaubens-regel ſich am gemaͤßeſten ſchicket. 6. Hiebey iſt nun in acht zunehmen/ daß GOtt den menſchen gern bekehren und zum glauben bringen wolle/ aber nicht anders/ als in der von ihm ſelbſt gemachten ord- nung. Dieſe ordnung bringet nun unterſchiedliches mit ſich: Von Gottes ſeiten erfordert ſie/ daß er ſein wort predigen laͤßet/ und den Heil. Geiſt dazu gibet/ welcher daßelbe in die hertzen der menſchen eintrucken den glauben dadurch zuwircken. An dieſem ſtuͤck der ordnung und alſo von Gottes ſei- ten/ mangelts nun niemahl. Es wird aber hingegen auch von der menſchen ſeiten etwas erfordert/ nicht zwahr/ daß ſie den glauben in ſich wircketen/ ſo nur Gottes werck iſt/ oder aus eigener krafft etwas gutes thaͤten/ welches ih- nen unmoͤglich bleibet/ ſondern allein/ daß der menſch/ der zwahr aus eige- nen kraͤfften widerſtreben. Luc. 7/ 30. Apoſt. Geſch. 7/ 57. aber von ſelbs ſich nicht bekehren kan/ der wirckenden gnade Gottes bey ſich platz gebe/ und ſie mit ſich machen laße/ dabey in dem euſerlichen den gehorſam erwei- ſe/ daß er das wort hoͤre/ und auff daßelbe acht gebe. Dieſes iſt die goͤttliche ordnung/ in dero der menſch glaͤubig werden muß/ da hingegen/ wo der menſch/ was dieſe ordnung von ihm erfordert/ nicht thut/ ſondern ſich boß- hafftig widerſetzt ſeine bekehrung von ihm ſelbſt gehindert wird. 7. Wann dann einer ſich der goͤttl. ordnung nicht beqvemet/ ſondern deroſelben ſich widerſetzet/ der iſt nicht wohl geordnet zum ewigen leben/ nicht/ daß die ſchuld daran waͤre/ weil ihn Gott nicht dazu verordnen habe wollen/ ſon- dern weil er aus der ordnung ſchreitet/ il ſe porte deſordonnement. Welche hingegen ſich ſolcher ordnung beqvemen/ hoͤren euſerlich mit andacht zu/ und widerſtreben innerlich dem geiſte Gottes nicht/ von denen mag ich ſagen/ ſie ſind geordnet/ das iſt/ ſie ſeynd in der rechten ordnung/ und haben ſich von GOtt in die rechte ordnung bringen laſſen zum ewigen leben/ abermal nicht aus der krafft einer ſonderbahren verordnung/ die ſie allein dazu beſtimm- te/

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/28>, abgerufen am 24.11.2024.