Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

Bild:
<< vorherige Seite

Das erste Capitel.
lande hinaus predigen. Welchem unwesen ich zeit meines amts mich mehr
als einigem andern übel/ allezeit widersetzet/ aber ein grosses stück des von so
vielen gegen mich gefaßten hasses dadurch auff mich geladen habe/ indessen
nicht auffhöre/ noch auffhören werde/ als lang mir GOtt gnade und kräffte
verleyhet/ dagegen zu eiffern. Es bestehet aber mein methodus darinn/ so
auch der schrifft und den Symbolischen büchern am gemässesten ist/ daß ich
blosser dings (wie ich dann darvon im geringsten nicht abweichen kan) die
rechtfertigung dem glauben allein/ mit ausschliessung aller wercke von solcher
wolthat und der absicht auff dieselbe/ mit allen unsren Theologen zuschreibe:
nachmals aber wiederum nechst der schrifft mit unsren Symbolischen büchern
und Luthero die art des lebendigen glaubens zeige/ wie derselbe unmüglich
bey gottlosem leben stehen könne/ hingegen allezeit/ wo er rechter art ist/ die
heiligung und dero fleiß nach sich ziehe. Welches ich so offt treibe/ daß es
auch vielen verdrießlich wird/ mich aber nicht gereuet: und solches die rechte
art zu seyn glaube/ wie die reine lehr ohne einige vermengung erhalten/ und
doch auch der schändlichen verkehrung und mißbrauch zum rohen leben ge-
wehret werden kan. Jch hoffe/ es werde meinen wehrten Herren diese von
denselben selbst veranlaßte erklährung unsrer lehr nicht unangenehm seyn:
der HErr erhalte dieselbe auch allezeit unter uns/ und mache unsre seelen dar-
innen feste. 1695.

SECTIO LIV.
Wie/ die ausser unserer Evangelischen kirchen ge-
meinschafft leben/ anzusehen seyen? Wie man das all-
gemeine verderben anzusehen habe?

ES ist mir aus dem an mich gesandten sehr angenehm gewesen der/ gegen
mich tragenden/ freundlichen liebe/ davor/ und vor daraus hergeflosse-
nen Christlichen wunsch ich hertzlichen danck sage/ versichert zu werden:
so hat mich auch solches darinnen vergnügt/ daß dessen gemüth so vielmehr
daraus lernen kennen/ welches mir bereits von andern gerühmt worden/ die-
ses schreiben aber mir eine weitere bekräfftigung gegeben hat/ in der guten
von demselben gefasten meinung zu bleiben/ daher auch mein vergnügen mit
dieser antwort bezeugen/ und hinwieder die gelegenheit mein hertz gleichfals
gegen ihn aus zuschütten nicht versäumen wollen/ der guten zuversicht gele-
bende/ daß er nicht weniger in liebe und sanfftmuth auch meine antwort auff-
nehmen werde/ und den himlischen Vater dabey inbrünstig anflehende/ der
was unter uns in liebe geschihet/ nicht ungesegnet bleiben lassen wolle. Daß
derselbe sich gegen mir einer Christlichen sanfftmuth und solchen hertzens ver-

sihet/

Das erſte Capitel.
lande hinaus predigen. Welchem unweſen ich zeit meines amts mich mehr
als einigem andern uͤbel/ allezeit widerſetzet/ aber ein groſſes ſtuͤck des von ſo
vielen gegen mich gefaßten haſſes dadurch auff mich geladen habe/ indeſſen
nicht auffhoͤre/ noch auffhoͤren werde/ als lang mir GOtt gnade und kraͤffte
verleyhet/ dagegen zu eiffern. Es beſtehet aber mein methodus darinn/ ſo
auch der ſchrifft und den Symboliſchen buͤchern am gemaͤſſeſten iſt/ daß ich
bloſſer dings (wie ich dann darvon im geringſten nicht abweichen kan) die
rechtfertigung dem glauben allein/ mit ausſchlieſſung aller wercke von ſolcher
wolthat und der abſicht auff dieſelbe/ mit allen unſren Theologen zuſchreibe:
nachmals aber wiederum nechſt der ſchrifft mit unſren Symboliſchen buͤchern
und Luthero die art des lebendigen glaubens zeige/ wie derſelbe unmuͤglich
bey gottloſem leben ſtehen koͤnne/ hingegen allezeit/ wo er rechter art iſt/ die
heiligung und dero fleiß nach ſich ziehe. Welches ich ſo offt treibe/ daß es
auch vielen verdrießlich wird/ mich aber nicht gereuet: und ſolches die rechte
art zu ſeyn glaube/ wie die reine lehr ohne einige vermengung erhalten/ und
doch auch der ſchaͤndlichen verkehrung und mißbrauch zum rohen leben ge-
wehret werden kan. Jch hoffe/ es werde meinen wehrten Herren dieſe von
denſelben ſelbſt veranlaßte erklaͤhrung unſrer lehr nicht unangenehm ſeyn:
der HErr erhalte dieſelbe auch allezeit unter uns/ und mache unſre ſeelen dar-
innen feſte. 1695.

SECTIO LIV.
Wie/ die auſſer unſerer Evangeliſchen kirchen ge-
meinſchafft leben/ anzuſehen ſeyen? Wie man das all-
gemeine verderben anzuſehen habe?

ES iſt mir aus dem an mich geſandten ſehr angenehm geweſen der/ gegen
mich tragenden/ freundlichen liebe/ davor/ und vor daraus hergefloſſe-
nen Chriſtlichen wunſch ich hertzlichen danck ſage/ verſichert zu werden:
ſo hat mich auch ſolches darinnen vergnuͤgt/ daß deſſen gemuͤth ſo vielmehr
daraus lernen kennen/ welches mir bereits von andern geruͤhmt worden/ die-
ſes ſchreiben aber mir eine weitere bekraͤfftigung gegeben hat/ in der guten
von demſelben gefaſten meinung zu bleiben/ daher auch mein vergnuͤgen mit
dieſer antwort bezeugen/ und hinwieder die gelegenheit mein hertz gleichfals
gegen ihn aus zuſchuͤtten nicht verſaͤumen wollen/ der guten zuverſicht gele-
bende/ daß er nicht weniger in liebe und ſanfftmuth auch meine antwort auff-
nehmen werde/ und den himliſchen Vater dabey inbruͤnſtig anflehende/ der
was unter uns in liebe geſchihet/ nicht ungeſegnet bleiben laſſen wolle. Daß
derſelbe ſich gegen mir einer Chriſtlichen ſanfftmuth und ſolchen hertzens ver-

ſihet/
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0268" n="252"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das er&#x017F;te Capitel.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">lande hinaus predigen.</hi> Welchem unwe&#x017F;en ich zeit meines amts mich mehr<lb/>
als einigem andern u&#x0364;bel/ allezeit wider&#x017F;etzet/ aber ein gro&#x017F;&#x017F;es &#x017F;tu&#x0364;ck des von &#x017F;o<lb/>
vielen gegen mich gefaßten ha&#x017F;&#x017F;es dadurch auff mich geladen habe/ inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
nicht auffho&#x0364;re/ noch auffho&#x0364;ren werde/ als lang mir GOtt gnade und kra&#x0364;ffte<lb/>
verleyhet/ dagegen zu eiffern. Es be&#x017F;tehet aber mein <hi rendition="#aq">methodus</hi> darinn/ &#x017F;o<lb/>
auch der &#x017F;chrifft und den Symboli&#x017F;chen bu&#x0364;chern am gema&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten i&#x017F;t/ daß ich<lb/>
blo&#x017F;&#x017F;er dings (wie ich dann darvon im gering&#x017F;ten nicht abweichen kan) die<lb/>
rechtfertigung dem glauben allein/ mit aus&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung aller wercke von &#x017F;olcher<lb/>
wolthat und der ab&#x017F;icht auff die&#x017F;elbe/ mit allen un&#x017F;ren Theologen zu&#x017F;chreibe:<lb/>
nachmals aber wiederum nech&#x017F;t der &#x017F;chrifft mit un&#x017F;ren Symboli&#x017F;chen bu&#x0364;chern<lb/>
und Luthero die art des lebendigen glaubens zeige/ wie der&#x017F;elbe unmu&#x0364;glich<lb/>
bey gottlo&#x017F;em leben &#x017F;tehen ko&#x0364;nne/ hingegen allezeit/ wo er rechter art i&#x017F;t/ die<lb/>
heiligung und dero fleiß nach &#x017F;ich ziehe. Welches ich &#x017F;o offt treibe/ daß es<lb/>
auch vielen verdrießlich wird/ mich aber nicht gereuet: und &#x017F;olches die rechte<lb/>
art zu &#x017F;eyn glaube/ wie die reine lehr ohne einige vermengung erhalten/ und<lb/>
doch auch der &#x017F;cha&#x0364;ndlichen verkehrung und mißbrauch zum rohen leben ge-<lb/>
wehret werden kan. Jch hoffe/ es werde meinen wehrten Herren die&#x017F;e von<lb/>
den&#x017F;elben &#x017F;elb&#x017F;t veranlaßte erkla&#x0364;hrung un&#x017F;rer lehr nicht unangenehm &#x017F;eyn:<lb/>
der HErr erhalte die&#x017F;elbe auch allezeit unter uns/ und mache un&#x017F;re &#x017F;eelen dar-<lb/>
innen fe&#x017F;te. 1695.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">SECTIO LIV.</hi></hi><lb/>
Wie/ die au&#x017F;&#x017F;er un&#x017F;erer Evangeli&#x017F;chen kirchen ge-<lb/>
mein&#x017F;chafft leben/ anzu&#x017F;ehen &#x017F;eyen? Wie man das all-<lb/>
gemeine verderben anzu&#x017F;ehen habe?</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>S i&#x017F;t mir aus dem an mich ge&#x017F;andten &#x017F;ehr angenehm gewe&#x017F;en der/ gegen<lb/>
mich tragenden/ freundlichen liebe/ davor/ und vor daraus hergeflo&#x017F;&#x017F;e-<lb/>
nen Chri&#x017F;tlichen wun&#x017F;ch ich hertzlichen danck &#x017F;age/ ver&#x017F;ichert zu werden:<lb/>
&#x017F;o hat mich auch &#x017F;olches darinnen vergnu&#x0364;gt/ daß de&#x017F;&#x017F;en gemu&#x0364;th &#x017F;o vielmehr<lb/>
daraus lernen kennen/ welches mir bereits von andern geru&#x0364;hmt worden/ die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;chreiben aber mir eine weitere bekra&#x0364;fftigung gegeben hat/ in der guten<lb/>
von dem&#x017F;elben gefa&#x017F;ten meinung zu bleiben/ daher auch mein vergnu&#x0364;gen mit<lb/>
die&#x017F;er antwort bezeugen/ und hinwieder die gelegenheit mein hertz gleichfals<lb/>
gegen ihn aus zu&#x017F;chu&#x0364;tten nicht ver&#x017F;a&#x0364;umen wollen/ der guten zuver&#x017F;icht gele-<lb/>
bende/ daß er nicht weniger in liebe und &#x017F;anfftmuth auch meine antwort auff-<lb/>
nehmen werde/ und den himli&#x017F;chen Vater dabey inbru&#x0364;n&#x017F;tig anflehende/ der<lb/>
was unter uns in liebe ge&#x017F;chihet/ nicht unge&#x017F;egnet bleiben la&#x017F;&#x017F;en wolle. Daß<lb/>
der&#x017F;elbe &#x017F;ich gegen mir einer Chri&#x017F;tlichen &#x017F;anfftmuth und &#x017F;olchen hertzens ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ihet/</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0268] Das erſte Capitel. lande hinaus predigen. Welchem unweſen ich zeit meines amts mich mehr als einigem andern uͤbel/ allezeit widerſetzet/ aber ein groſſes ſtuͤck des von ſo vielen gegen mich gefaßten haſſes dadurch auff mich geladen habe/ indeſſen nicht auffhoͤre/ noch auffhoͤren werde/ als lang mir GOtt gnade und kraͤffte verleyhet/ dagegen zu eiffern. Es beſtehet aber mein methodus darinn/ ſo auch der ſchrifft und den Symboliſchen buͤchern am gemaͤſſeſten iſt/ daß ich bloſſer dings (wie ich dann darvon im geringſten nicht abweichen kan) die rechtfertigung dem glauben allein/ mit ausſchlieſſung aller wercke von ſolcher wolthat und der abſicht auff dieſelbe/ mit allen unſren Theologen zuſchreibe: nachmals aber wiederum nechſt der ſchrifft mit unſren Symboliſchen buͤchern und Luthero die art des lebendigen glaubens zeige/ wie derſelbe unmuͤglich bey gottloſem leben ſtehen koͤnne/ hingegen allezeit/ wo er rechter art iſt/ die heiligung und dero fleiß nach ſich ziehe. Welches ich ſo offt treibe/ daß es auch vielen verdrießlich wird/ mich aber nicht gereuet: und ſolches die rechte art zu ſeyn glaube/ wie die reine lehr ohne einige vermengung erhalten/ und doch auch der ſchaͤndlichen verkehrung und mißbrauch zum rohen leben ge- wehret werden kan. Jch hoffe/ es werde meinen wehrten Herren dieſe von denſelben ſelbſt veranlaßte erklaͤhrung unſrer lehr nicht unangenehm ſeyn: der HErr erhalte dieſelbe auch allezeit unter uns/ und mache unſre ſeelen dar- innen feſte. 1695. SECTIO LIV. Wie/ die auſſer unſerer Evangeliſchen kirchen ge- meinſchafft leben/ anzuſehen ſeyen? Wie man das all- gemeine verderben anzuſehen habe? ES iſt mir aus dem an mich geſandten ſehr angenehm geweſen der/ gegen mich tragenden/ freundlichen liebe/ davor/ und vor daraus hergefloſſe- nen Chriſtlichen wunſch ich hertzlichen danck ſage/ verſichert zu werden: ſo hat mich auch ſolches darinnen vergnuͤgt/ daß deſſen gemuͤth ſo vielmehr daraus lernen kennen/ welches mir bereits von andern geruͤhmt worden/ die- ſes ſchreiben aber mir eine weitere bekraͤfftigung gegeben hat/ in der guten von demſelben gefaſten meinung zu bleiben/ daher auch mein vergnuͤgen mit dieſer antwort bezeugen/ und hinwieder die gelegenheit mein hertz gleichfals gegen ihn aus zuſchuͤtten nicht verſaͤumen wollen/ der guten zuverſicht gele- bende/ daß er nicht weniger in liebe und ſanfftmuth auch meine antwort auff- nehmen werde/ und den himliſchen Vater dabey inbruͤnſtig anflehende/ der was unter uns in liebe geſchihet/ nicht ungeſegnet bleiben laſſen wolle. Daß derſelbe ſich gegen mir einer Chriſtlichen ſanfftmuth und ſolchen hertzens ver- ſihet/

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/268
Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/268>, abgerufen am 22.11.2024.