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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700.

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SECTIO XXVII.
bestehen: sie sind hingegen unterschieden/ da die eine eine neue bekehrung/
neue erlangung des glaubens und geistlichen lebens/ neue wiedergebuhrt ist:
die andere aber ist eine übung des bereits verhandenen glaubens/ und ge-
brauch des geistlichen lebens/ und eine erneuerung des bereits habenden:
Also sind sie gegeneinander gehalten zu vergleichen mit der täglichen cur an
einem krancken/ und der aufferweckung eines todten. Jndessen verstehet die
schrifft unter dem nahmen der buß/ meistentheils die sogenannte grosse buß/
der andern aber gibt sie fast mehr nur andere nahmen. Daher heist es auch
im gebet Manasse/ die buß seye nicht gesetzt den gerechten/ welche stelle
ohne diese distinction nicht kan verstanden werden. 2. Unsere Theologi
gebrauchen auch diese distinction, ob wol meistens unter dem nahmen poeni-
tentia lapsorum vel stantium,
da einige auch dazu setzen relapsorum. Also
redet D. Danhauer, in der Hodosoph. wie nicht weniger auch D. Koenig: an
einem ort in der Theol. positiv. 3. Der nahme der grossen und täglichen buß
stehet in dem Gothischen Catechismo: doch wolte ich fast lieber/ sonderlich
weil durch Stengeri handel solche wort fast in streit gezogen worden/ die an-
dere wort/ der buß der stehenden und der gefallenen gebrauchen. Jch
gehe so bald zu der andern frage wegen des mannes/ so die Englische erschei-
nungen gehabt haben solle. Da ich 1. bitte wol zu untersuchen/ wie viel des
mannes relation zu trauen seye: nicht allein/ ob gar einiger falscher vorwand
und betrug zu sorgen wäre/ sondern auch ob es ein melancholicus seye/ bey
dem die Phantasie aus der kranckheit in unordnung gerathen/ daß er nicht al-
lein innerlich sich einbildungen machte/ sondern auch zu sehen meinte/ was er
doch nicht sehe. Wie denn der Phantasie kräffte grösser sind/ als sie insge-
mein geglaubet werden. 2. Möchte wissen/ was die engel ihm offenbaret/ ob
es mit göttlichem wort einstimmig oder nicht. Denn/ wo darinnen solche
dinge wären/ welche klahr gezeiget werden könten/ der Heil. Schrifft nicht ge-
mäß zu seyn/ so würde das urtheil von derselben autore leicht zu fällen seyn:
wäre solches aber nicht/ so hätte man die dinge so wenig bloß zu verwerffen/
als anzunehmen. 3. Das gebet hoffe ich/ werde so abgefast seyn/ als sich zu
unserer unterwerffung unter göttlichem rath geziemet. Dann wie wir vor
uns selbst dergleichen Extraordinaria nicht zu verlangen oder zu bitten ha-
ben/ weil sie niemand verheissen/ und anbey gefährlich sind/ so mögen wir auch
wol aus erkäntnüß unserer schwachheit bitten/ daß der liebste Vater mit der-
gleichen dingen unser schonen wolte/ darein wir uns sorglich nicht recht rich-
ten/ oder uns derselben recht gebrauchen möchten: aber dannoch würde es
unserer gelassenheit entgegen seyn/ und mit jenem des lieben Mosis 2. Mos.
4/ 13. 14. sende/ welchen du senden wilst/
darüber aber sich der HErr erzür-

nete/
Z

SECTIO XXVII.
beſtehen: ſie ſind hingegen unterſchieden/ da die eine eine neue bekehrung/
neue erlangung des glaubens und geiſtlichen lebens/ neue wiedergebuhrt iſt:
die andere aber iſt eine uͤbung des bereits verhandenen glaubens/ und ge-
brauch des geiſtlichen lebens/ und eine erneuerung des bereits habenden:
Alſo ſind ſie gegeneinander gehalten zu vergleichen mit der taͤglichen cur an
einem krancken/ und der aufferweckung eines todten. Jndeſſen verſtehet die
ſchrifft unter dem nahmen der buß/ meiſtentheils die ſogenannte groſſe buß/
der andern aber gibt ſie faſt mehr nur andere nahmen. Daher heiſt es auch
im gebet Manaſſe/ die buß ſeye nicht geſetzt den gerechten/ welche ſtelle
ohne dieſe diſtinction nicht kan verſtanden werden. 2. Unſere Theologi
gebrauchen auch dieſe diſtinction, ob wol meiſtens unter dem nahmen pœni-
tentia lapſorum vel ſtantium,
da einige auch dazu ſetzen relapſorum. Alſo
redet D. Danhauer, in der Hodoſoph. wie nicht weniger auch D. Koenig: an
einem ort in der Theol. poſitiv. 3. Der nahme der groſſen und taͤglichen buß
ſtehet in dem Gothiſchen Catechiſmo: doch wolte ich faſt lieber/ ſonderlich
weil durch Stengeri handel ſolche wort faſt in ſtreit gezogen worden/ die an-
dere wort/ der buß der ſtehenden und der gefallenen gebrauchen. Jch
gehe ſo bald zu der andern frage wegen des mannes/ ſo die Engliſche erſchei-
nungen gehabt haben ſolle. Da ich 1. bitte wol zu unterſuchen/ wie viel des
mannes relation zu trauen ſeye: nicht allein/ ob gar einiger falſcher vorwand
und betrug zu ſorgen waͤre/ ſondern auch ob es ein melancholicus ſeye/ bey
dem die Phantaſie aus der kranckheit in unordnung gerathen/ daß er nicht al-
lein innerlich ſich einbildungen machte/ ſondern auch zu ſehen meinte/ was er
doch nicht ſehe. Wie denn der Phantaſie kraͤffte groͤſſer ſind/ als ſie insge-
mein geglaubet werden. 2. Moͤchte wiſſen/ was die engel ihm offenbaret/ ob
es mit goͤttlichem wort einſtimmig oder nicht. Denn/ wo darinnen ſolche
dinge waͤren/ welche klahr gezeiget werden koͤnten/ der Heil. Schrifft nicht ge-
maͤß zu ſeyn/ ſo wuͤrde das urtheil von derſelben autore leicht zu faͤllen ſeyn:
waͤre ſolches aber nicht/ ſo haͤtte man die dinge ſo wenig bloß zu verwerffen/
als anzunehmen. 3. Das gebet hoffe ich/ werde ſo abgefaſt ſeyn/ als ſich zu
unſerer unterwerffung unter goͤttlichem rath geziemet. Dann wie wir vor
uns ſelbſt dergleichen Extraordinaria nicht zu verlangen oder zu bitten ha-
ben/ weil ſie niemand verheiſſen/ und anbey gefaͤhrlich ſind/ ſo moͤgen wir auch
wol aus erkaͤntnuͤß unſerer ſchwachheit bitten/ daß der liebſte Vater mit der-
gleichen dingen unſer ſchonen wolte/ darein wir uns ſorglich nicht recht rich-
ten/ oder uns derſelben recht gebrauchen moͤchten: aber dannoch wuͤrde es
unſerer gelaſſenheit entgegen ſeyn/ und mit jenem des lieben Moſis 2. Moſ.
4/ 13. 14. ſende/ welchen du ſenden wilſt/
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nete/
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[177/0193] SECTIO XXVII. beſtehen: ſie ſind hingegen unterſchieden/ da die eine eine neue bekehrung/ neue erlangung des glaubens und geiſtlichen lebens/ neue wiedergebuhrt iſt: die andere aber iſt eine uͤbung des bereits verhandenen glaubens/ und ge- brauch des geiſtlichen lebens/ und eine erneuerung des bereits habenden: Alſo ſind ſie gegeneinander gehalten zu vergleichen mit der taͤglichen cur an einem krancken/ und der aufferweckung eines todten. Jndeſſen verſtehet die ſchrifft unter dem nahmen der buß/ meiſtentheils die ſogenannte groſſe buß/ der andern aber gibt ſie faſt mehr nur andere nahmen. Daher heiſt es auch im gebet Manaſſe/ die buß ſeye nicht geſetzt den gerechten/ welche ſtelle ohne dieſe diſtinction nicht kan verſtanden werden. 2. Unſere Theologi gebrauchen auch dieſe diſtinction, ob wol meiſtens unter dem nahmen pœni- tentia lapſorum vel ſtantium, da einige auch dazu ſetzen relapſorum. Alſo redet D. Danhauer, in der Hodoſoph. wie nicht weniger auch D. Koenig: an einem ort in der Theol. poſitiv. 3. Der nahme der groſſen und taͤglichen buß ſtehet in dem Gothiſchen Catechiſmo: doch wolte ich faſt lieber/ ſonderlich weil durch Stengeri handel ſolche wort faſt in ſtreit gezogen worden/ die an- dere wort/ der buß der ſtehenden und der gefallenen gebrauchen. Jch gehe ſo bald zu der andern frage wegen des mannes/ ſo die Engliſche erſchei- nungen gehabt haben ſolle. Da ich 1. bitte wol zu unterſuchen/ wie viel des mannes relation zu trauen ſeye: nicht allein/ ob gar einiger falſcher vorwand und betrug zu ſorgen waͤre/ ſondern auch ob es ein melancholicus ſeye/ bey dem die Phantaſie aus der kranckheit in unordnung gerathen/ daß er nicht al- lein innerlich ſich einbildungen machte/ ſondern auch zu ſehen meinte/ was er doch nicht ſehe. Wie denn der Phantaſie kraͤffte groͤſſer ſind/ als ſie insge- mein geglaubet werden. 2. Moͤchte wiſſen/ was die engel ihm offenbaret/ ob es mit goͤttlichem wort einſtimmig oder nicht. Denn/ wo darinnen ſolche dinge waͤren/ welche klahr gezeiget werden koͤnten/ der Heil. Schrifft nicht ge- maͤß zu ſeyn/ ſo wuͤrde das urtheil von derſelben autore leicht zu faͤllen ſeyn: waͤre ſolches aber nicht/ ſo haͤtte man die dinge ſo wenig bloß zu verwerffen/ als anzunehmen. 3. Das gebet hoffe ich/ werde ſo abgefaſt ſeyn/ als ſich zu unſerer unterwerffung unter goͤttlichem rath geziemet. Dann wie wir vor uns ſelbſt dergleichen Extraordinaria nicht zu verlangen oder zu bitten ha- ben/ weil ſie niemand verheiſſen/ und anbey gefaͤhrlich ſind/ ſo moͤgen wir auch wol aus erkaͤntnuͤß unſerer ſchwachheit bitten/ daß der liebſte Vater mit der- gleichen dingen unſer ſchonen wolte/ darein wir uns ſorglich nicht recht rich- ten/ oder uns derſelben recht gebrauchen moͤchten: aber dannoch wuͤrde es unſerer gelaſſenheit entgegen ſeyn/ und mit jenem des lieben Moſis 2. Moſ. 4/ 13. 14. ſende/ welchen du ſenden wilſt/ daruͤber aber ſich der HErr erzuͤr- nete/ Z

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 1. Halle (Saale), 1700, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken01_1700/193>, abgerufen am 21.11.2024.