schmak. Noch jezt haben wir keine eigen- thümliche teutsche Tracht.
Woher das? Hat der Teutsche über- haupt keinen eigenthümlichen Karakter? Fehlt es ihm, der in jeder Tugend, in je- der Kunst, und in jeder Wissenschaft die er- sten Menschen aufzuzeigen hat, fehlt es ihm überhaupt an Originalität des Karakters?
Einst hatte er doch einen eigenthüm- lichen Karakter; das bezeugt selbst Tazitus. Ernst, nachdenkend, fest, unerschütterlich, bieder, beharrlich war der teutsche Mann; sanft, still, häuslich, keusch dasteutsche Weib.
So wie allmählig die Vereinigungs- Bande der Nazion erschlafften, verlohr sich auch die Originalität des Karakters, und
ſchmak. Noch jezt haben wir keine eigen- thuͤmliche teutſche Tracht.
Woher das? Hat der Teutſche uͤber- haupt keinen eigenthuͤmlichen Karakter? Fehlt es ihm, der in jeder Tugend, in je- der Kunſt, und in jeder Wiſſenſchaft die er- ſten Menſchen aufzuzeigen hat, fehlt es ihm uͤberhaupt an Originalitaͤt des Karakters?
Einſt hatte er doch einen eigenthuͤm- lichen Karakter; das bezeugt ſelbſt Tazitus. Ernſt, nachdenkend, feſt, unerſchuͤtterlich, bieder, beharrlich war der teutſche Mann; ſanft, ſtill, haͤuslich, keuſch dasteutſche Weib.
So wie allmaͤhlig die Vereinigungs- Bande der Nazion erſchlafften, verlohr ſich auch die Originalitaͤt des Karakters, und
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ſchmak. Noch jezt haben wir keine eigen-
thuͤmliche teutſche Tracht.
Woher das? Hat der Teutſche uͤber-
haupt keinen eigenthuͤmlichen Karakter?
Fehlt es ihm, der in jeder Tugend, in je-
der Kunſt, und in jeder Wiſſenſchaft die er-
ſten Menſchen aufzuzeigen hat, fehlt es ihm
uͤberhaupt an Originalitaͤt des Karakters?
Einſt hatte er doch einen eigenthuͤm-
lichen Karakter; das bezeugt ſelbſt Tazitus.
Ernſt, nachdenkend, feſt, unerſchuͤtterlich,
bieder, beharrlich war der teutſche Mann;
ſanft, ſtill, haͤuslich, keuſch dasteutſche Weib.
So wie allmaͤhlig die Vereinigungs-
Bande der Nazion erſchlafften, verlohr ſich
auch die Originalitaͤt des Karakters, und
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/83>, abgerufen am 23.07.2024.
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