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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

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5.
Warum trauert man nur für Ver-
wandte?

Der Geist der Trauer -- Hoftrauern der
Etikette ausgenommen -- ist: den Schmerz
der Hinterlassenen über den Verlust der
Verstorbenen öffentlich zu bezeugen. Die
Empfindung hat sie geschaffen, sie die
wohlthätigen Trost, Balsam für die Wun-
de der Sehnsucht nach Entrissenen, darin
findet, öffentlich dem Andenken des Ge-
liebten zu huldigen. Dem Weisen ist dieser
Herold des innern Leids, dieses Gewand,
diese Verzierung des Schmerzes, wie sie
Hamlet nennt, ehrwürdig, und er sieht es
nicht ohne Kummer allmählig vertilgen.


5.
Warum trauert man nur fuͤr Ver-
wandte?

Der Geiſt der Trauer — Hoftrauern der
Etikette ausgenommen — iſt: den Schmerz
der Hinterlaſſenen uͤber den Verluſt der
Verſtorbenen oͤffentlich zu bezeugen. Die
Empfindung hat ſie geſchaffen, ſie die
wohlthaͤtigen Troſt, Balſam fuͤr die Wun-
de der Sehnſucht nach Entriſſenen, darin
findet, oͤffentlich dem Andenken des Ge-
liebten zu huldigen. Dem Weiſen iſt dieſer
Herold des innern Leids, dieſes Gewand,
dieſe Verzierung des Schmerzes, wie ſie
Hamlet nennt, ehrwuͤrdig, und er ſieht es
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[29/0041] 5. Warum trauert man nur fuͤr Ver- wandte? Der Geiſt der Trauer — Hoftrauern der Etikette ausgenommen — iſt: den Schmerz der Hinterlaſſenen uͤber den Verluſt der Verſtorbenen oͤffentlich zu bezeugen. Die Empfindung hat ſie geſchaffen, ſie die wohlthaͤtigen Troſt, Balſam fuͤr die Wun- de der Sehnſucht nach Entriſſenen, darin findet, oͤffentlich dem Andenken des Ge- liebten zu huldigen. Dem Weiſen iſt dieſer Herold des innern Leids, dieſes Gewand, dieſe Verzierung des Schmerzes, wie ſie Hamlet nennt, ehrwuͤrdig, und er ſieht es nicht ohne Kummer allmaͤhlig vertilgen.

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Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/41>, abgerufen am 21.11.2024.