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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

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Die Macht der Wahrheit ist so groß,
ihre Flamme so verzehrend, daß sie selbst in
dem Munde eines Narren greift und un-
widerstehlich hinreißt.

Jst ihr Feuerbrand nur in eine Seele
geworfen, so ist er auch unlöschbar. Des-
wegen
ist das Daseyn des Hof-Narren
so wichtig.

Wenn die Hofschranze kriecht, wenn
selbst der redliche Rath schweigt, weil ihn
Abhängigkeit fesselt, so darf der Hof-Narr
sprechen. Er kann durch das Kolorit des
Lächerlichen manche despotische oder thörigte
höchste Verordnung zurükhalten, oder ver-
nichten; weil der Mensch, sey er auch
Fürst, mehr fürchtet, lächerlich zu werden,
als grausam und ungerecht zu scheinen.

Die Macht der Wahrheit iſt ſo groß,
ihre Flamme ſo verzehrend, daß ſie ſelbſt in
dem Munde eines Narren greift und un-
widerſtehlich hinreißt.

Jſt ihr Feuerbrand nur in eine Seele
geworfen, ſo iſt er auch unloͤſchbar. Des-
wegen
iſt das Daſeyn des Hof-Narren
ſo wichtig.

Wenn die Hofſchranze kriecht, wenn
ſelbſt der redliche Rath ſchweigt, weil ihn
Abhaͤngigkeit feſſelt, ſo darf der Hof-Narr
ſprechen. Er kann durch das Kolorit des
Laͤcherlichen manche despotiſche oder thoͤrigte
hoͤchſte Verordnung zuruͤkhalten, oder ver-
nichten; weil der Menſch, ſey er auch
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[226/0238] Die Macht der Wahrheit iſt ſo groß, ihre Flamme ſo verzehrend, daß ſie ſelbſt in dem Munde eines Narren greift und un- widerſtehlich hinreißt. Jſt ihr Feuerbrand nur in eine Seele geworfen, ſo iſt er auch unloͤſchbar. Des- wegen iſt das Daſeyn des Hof-Narren ſo wichtig. Wenn die Hofſchranze kriecht, wenn ſelbſt der redliche Rath ſchweigt, weil ihn Abhaͤngigkeit feſſelt, ſo darf der Hof-Narr ſprechen. Er kann durch das Kolorit des Laͤcherlichen manche despotiſche oder thoͤrigte hoͤchſte Verordnung zuruͤkhalten, oder ver- nichten; weil der Menſch, ſey er auch Fuͤrſt, mehr fuͤrchtet, laͤcherlich zu werden, als grauſam und ungerecht zu ſcheinen.

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Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/238>, abgerufen am 06.05.2024.