Kunst, die sich erst allmählig lernt, und Ovid hätte den Dank aller empfindenden Wesen verdient, wenn er sie und nicht einzig den sinnlichen Genuß zergliedert, und in ein Sy- stem gebracht hätte. Es ist irgend einem großen Genie vorbehalten, sie aus den un- sterblichen Materialien der Sappho, des Ti- bull, Petrarch, des Prior, Göthe, Hölty, Wie- land, Salis, des ältern und jüngern Kleist u. a. zusammenzusezen.
Aber die Kunst der Liebe fordert Kul- tur des Herzens und Geistes. Sie ist es welche die Freuden der Liebe ins Un- endliche vervielfältigt. Wüßten doch unsre Weiber, welche Wucher-Zinße sie in der Lie- be trägt!
Gerechtigkeit fordert, dem Weibe mehr Vollkommenheit in dieser Kunst zuzugeste-
Kunſt, die ſich erſt allmaͤhlig lernt, und Ovid haͤtte den Dank aller empfindenden Weſen verdient, wenn er ſie und nicht einzig den ſinnlichen Genuß zergliedert, und in ein Sy- ſtem gebracht haͤtte. Es iſt irgend einem großen Genie vorbehalten, ſie aus den un- ſterblichen Materialien der Sappho, des Ti- bull, Petrarch, des Prior, Goͤthe, Hoͤlty, Wie- land, Salis, des aͤltern und juͤngern Kleiſt u. a. zuſammenzuſezen.
Aber die Kunſt der Liebe fordert Kul- tur des Herzens und Geiſtes. Sie iſt es welche die Freuden der Liebe ins Un- endliche vervielfaͤltigt. Wuͤßten doch unſre Weiber, welche Wucher-Zinße ſie in der Lie- be traͤgt!
Gerechtigkeit fordert, dem Weibe mehr Vollkommenheit in dieſer Kunſt zuzugeſte-
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Kunſt, die ſich erſt allmaͤhlig lernt, und Ovid
haͤtte den Dank aller empfindenden Weſen
verdient, wenn er ſie und nicht einzig den
ſinnlichen Genuß zergliedert, und in ein Sy-
ſtem gebracht haͤtte. Es iſt irgend einem
großen Genie vorbehalten, ſie aus den un-
ſterblichen Materialien der Sappho, des Ti-
bull, Petrarch, des Prior, Goͤthe, Hoͤlty, Wie-
land, Salis, des aͤltern und juͤngern Kleiſt
u. a. zuſammenzuſezen.
Aber die Kunſt der Liebe fordert Kul-
tur des Herzens und Geiſtes. Sie
iſt es welche die Freuden der Liebe ins Un-
endliche vervielfaͤltigt. Wuͤßten doch unſre
Weiber, welche Wucher-Zinße ſie in der Lie-
be traͤgt!
Gerechtigkeit fordert, dem Weibe mehr
Vollkommenheit in dieſer Kunſt zuzugeſte-
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/229>, abgerufen am 16.02.2025.
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