ist diejenige Wissenschaft, zu der unser Herz uns zieht, diejenige der auch unser Geist ge- wachsen ist: und nicht alles deswegen vor- trefflich, weil es con amore gearbeitet ist.
Ein kritischer Freund ausgerüstet mit Einsicht und mit dem Muthe, wahr zu blei- ben, mit der Kälte, seinen Kopf nicht durch das Herz bestechen zu lassen, ist ein sehr schäz- bares, aber warlich sehr seltenes Wesen.
Welcher Weg bleibt also dem angehen- den Schriftsteller, sich zu berichtigen und fort- zuschreiten, als die Presse? Den Bescheid- nen und Aengstlichen wird die Gefahr der Publizität zurük schreken, also das aufkei- mende Genie fesseln und erstiken. Ueber- windet er auch diese Furcht, so wird strenge Kritik seines ersten Ausflugs ihn betrüben,
iſt diejenige Wiſſenſchaft, zu der unſer Herz uns zieht, diejenige der auch unſer Geiſt ge- wachſen iſt: und nicht alles deswegen vor- trefflich, weil es con amore gearbeitet iſt.
Ein kritiſcher Freund ausgeruͤſtet mit Einſicht und mit dem Muthe, wahr zu blei- ben, mit der Kaͤlte, ſeinen Kopf nicht durch das Herz beſtechen zu laſſen, iſt ein ſehr ſchaͤz- bares, aber warlich ſehr ſeltenes Weſen.
Welcher Weg bleibt alſo dem angehen- den Schriftſteller, ſich zu berichtigen und fort- zuſchreiten, als die Preſſe? Den Beſcheid- nen und Aengſtlichen wird die Gefahr der Publizitaͤt zuruͤk ſchreken, alſo das aufkei- mende Genie feſſeln und erſtiken. Ueber- windet er auch dieſe Furcht, ſo wird ſtrenge Kritik ſeines erſten Ausflugs ihn betruͤben,
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iſt diejenige Wiſſenſchaft, zu der unſer Herz
uns zieht, diejenige der auch unſer Geiſt ge-
wachſen iſt: und nicht alles deswegen vor-
trefflich, weil es con amore gearbeitet iſt.
Ein kritiſcher Freund ausgeruͤſtet mit
Einſicht und mit dem Muthe, wahr zu blei-
ben, mit der Kaͤlte, ſeinen Kopf nicht durch
das Herz beſtechen zu laſſen, iſt ein ſehr ſchaͤz-
bares, aber warlich ſehr ſeltenes Weſen.
Welcher Weg bleibt alſo dem angehen-
den Schriftſteller, ſich zu berichtigen und fort-
zuſchreiten, als die Preſſe? Den Beſcheid-
nen und Aengſtlichen wird die Gefahr der
Publizitaͤt zuruͤk ſchreken, alſo das aufkei-
mende Genie feſſeln und erſtiken. Ueber-
windet er auch dieſe Furcht, ſo wird ſtrenge
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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/100>, abgerufen am 16.02.2025.
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