Wir seynd von dem Glauben vergwisset/ Daß jeder GOtt selbst gantz genüsset; Dann es ist die wahre Lehr/ Daß keiner bekomme noch weniger/ noch mehr.
Und wer anjetzo, da er dieses betrachtet, solte sich enthalten können, daß er nicht aufschreye: O unendliche Liebe meines GOttes! O ohn- vergleichliche Liebe! das ewige Wort zeigte uns eine grosse Liebe, als es einmal Mensch zu werden, von dem Himmel zum Heyl der gan- tzen Welt herab gestiegen; was zeigt es aber anjetzo für eine Liebe, da es nicht nur ein- sondern so viel tausendmal zu meinem Nutzen kommt? Gewiß ist, daß ich dir allein, o mein GOtt! also verpflichtet, als alle Menschen zu- sammen. Damahls vereinigte sich das Gött- liche Wort mit einer allerheiligsten und gna- denreichen Menschheit; nun vereiniget es sich mit meiner elenden und mangelhafften Mensch- heit. Wie bin ich dann also selbem nicht ver- bunden? wie muß ich nicht voll der Beschä- mung aufruffen: O unendliche Güte! wer bin ich dann, o HErr! daß du mich also aus- zierest? Was ist der Mensch, daß du ihne groß machest/ und ihme dein Göttliches Hertz schenckest?
II.
Christus gibt sich uns zur Speiß. Dieses ist das zweyte Zeichen der ohnaus- sprechlichen Liebe, und eine der grösten Guttha- ten, so uns GOtt angethan; nicht nur allein,
weilen
Betrachtungen
Wir ſeynd von dem Glauben vergwiſſet/ Daß jeder GOtt ſelbſt gantz genüſſet; Dann es iſt die wahre Lehr/ Daß keiner bekomme noch weniger/ noch mehr.
Und wer anjetzo, da er dieſes betrachtet, ſolte ſich enthalten können, daß er nicht aufſchreye: O unendliche Liebe meines GOttes! O ohn- vergleichliche Liebe! das ewige Wort zeigte uns eine groſſe Liebe, als es einmal Menſch zu werden, von dem Himmel zum Heyl der gan- tzen Welt herab geſtiegen; was zeigt es aber anjetzo für eine Liebe, da es nicht nur ein- ſondern ſo viel tauſendmal zu meinem Nutzen kommt? Gewiß iſt, daß ich dir allein, o mein GOtt! alſo verpflichtet, als alle Menſchen zu- ſammen. Damahls vereinigte ſich das Gött- liche Wort mit einer allerheiligſten und gna- denreichen Menſchheit; nun vereiniget es ſich mit meiner elenden und mangelhafften Menſch- heit. Wie bin ich dann alſo ſelbem nicht ver- bunden? wie muß ich nicht voll der Beſchä- mung aufruffen: O unendliche Güte! wer bin ich dann, o HErr! daß du mich alſo aus- ziereſt? Was iſt der Menſch, daß du ihne groß macheſt/ und ihme dein Göttliches Hertz ſchenckeſt?
II.
Chriſtus gibt ſich uns zur Speiß. Dieſes iſt das zweyte Zeichen der ohnaus- ſprechlichen Liebe, und eine der gröſten Guttha- ten, ſo uns GOtt angethan; nicht nur allein,
weilen
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Betrachtungen
Wir ſeynd von dem Glauben vergwiſſet/
Daß jeder GOtt ſelbſt gantz genüſſet;
Dann es iſt die wahre Lehr/
Daß keiner bekomme noch weniger/
noch mehr.
Und wer anjetzo, da er dieſes betrachtet, ſolte
ſich enthalten können, daß er nicht aufſchreye:
O unendliche Liebe meines GOttes! O ohn-
vergleichliche Liebe! das ewige Wort zeigte
uns eine groſſe Liebe, als es einmal Menſch zu
werden, von dem Himmel zum Heyl der gan-
tzen Welt herab geſtiegen; was zeigt es aber
anjetzo für eine Liebe, da es nicht nur ein-
ſondern ſo viel tauſendmal zu meinem Nutzen
kommt? Gewiß iſt, daß ich dir allein, o mein
GOtt! alſo verpflichtet, als alle Menſchen zu-
ſammen. Damahls vereinigte ſich das Gött-
liche Wort mit einer allerheiligſten und gna-
denreichen Menſchheit; nun vereiniget es ſich
mit meiner elenden und mangelhafften Menſch-
heit. Wie bin ich dann alſo ſelbem nicht ver-
bunden? wie muß ich nicht voll der Beſchä-
mung aufruffen: O unendliche Güte! wer
bin ich dann, o HErr! daß du mich alſo aus-
ziereſt? Was iſt der Menſch, daß du ihne
groß macheſt/ und ihme dein Göttliches
Hertz ſchenckeſt?
II.
Chriſtus gibt ſich uns zur Speiß.
Dieſes iſt das zweyte Zeichen der ohnaus-
ſprechlichen Liebe, und eine der gröſten Guttha-
ten, ſo uns GOtt angethan; nicht nur allein,
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Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siniscalchi_abendmahl_1752/91>, abgerufen am 16.02.2025.
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