Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.Von dem H. Altars-Sacrament. Nachmahls schlosse sich die Mauer anwieder,jedoch also, daß man anjetzo noch ein Wahr- zeichen daran sihet.... Noch ein anderes Wunder hat sich mit einem Franciscaner zu- getragen: Diesem wurde von seinem Oberen am heiligen grünen Donnerstag aufgetragen, er solle Allmosen bettlen. Er gehorchte, in der Hoffnung, daß er zu gehöriger Zeit wieder ein- treffen werde, das Göttliche Abendmahl zu empfangen. Allein, da er zuruck gekommen, mußte er erfahren, daß der heilige Gottesdienst schon zu Ende gegangen. Er legte dann also seinen Bettel-Sack ab; gienge gantz trostlos in die Kirch, warffe sich vor dem Hochwürdi- gen Gut zur Erden nider, seuffzte, und bittete den GErrn, er möchte ihne doch an so heiligem Tag dieser Gnad nicht berauben. Und sihe Wunder! das Thürlein öffnete sich von selbst; aus selbem geht ein schöner Knab hervor, wel- cher beständig im Gehen grösser wurde, bis er einen gestandenen Mann vorstellte. Er gien- ge auf den Bruder zu; dieser, weilen er sich so grosser Gnad unwürdig schätzte, zohe sich zu- ruck. Allein der HErr folgte ihme nach. Der geistliche Ordens-Mann kame endlichen bis an die Kirchen-Thür; allda holte ihne der HErr ein, und küßte ihne gantz Lieb-voll an die Stirn. Der Bruder fühlte ein solches Vergnügen deßwegen, daß er aus einer süssen Ohnmacht zur Erden gefallen. Also fanden ihne auch seine geistliche Mitbrüder, nebst de- nen,
Von dem H. Altars-Sacrament. Nachmahls ſchloſſe ſich die Mauer anwieder,jedoch alſo, daß man anjetzo noch ein Wahr- zeichen daran ſihet.... Noch ein anderes Wunder hat ſich mit einem Franciſcaner zu- getragen: Dieſem wurde von ſeinem Oberen am heiligen grünen Donnerſtag aufgetragen, er ſolle Allmoſen bettlen. Er gehorchte, in der Hoffnung, daß er zu gehöriger Zeit wieder ein- treffen werde, das Göttliche Abendmahl zu empfangen. Allein, da er zuruck gekommen, mußte er erfahren, daß der heilige Gottesdienſt ſchon zu Ende gegangen. Er legte dann alſo ſeinen Bettel-Sack ab; gienge gantz troſtlos in die Kirch, warffe ſich vor dem Hochwürdi- gen Gut zur Erden nider, ſeuffzte, und bittete den GErrn, er möchte ihne doch an ſo heiligem Tag dieſer Gnad nicht berauben. Und ſihe Wunder! das Thürlein öffnete ſich von ſelbſt; aus ſelbem geht ein ſchöner Knab hervor, wel- cher beſtändig im Gehen gröſſer wurde, bis er einen geſtandenen Mann vorſtellte. Er gien- ge auf den Bruder zu; dieſer, weilen er ſich ſo groſſer Gnad unwürdig ſchätzte, zohe ſich zu- ruck. Allein der HErr folgte ihme nach. Der geiſtliche Ordens-Mann kame endlichen bis an die Kirchen-Thür; allda holte ihne der HErr ein, und küßte ihne gantz Lieb-voll an die Stirn. Der Bruder fühlte ein ſolches Vergnügen deßwegen, daß er aus einer ſüſſen Ohnmacht zur Erden gefallen. Alſo fanden ihne auch ſeine geiſtliche Mitbrüder, nebſt de- nen,
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Von dem H. Altars-Sacrament.
Nachmahls ſchloſſe ſich die Mauer anwieder,
jedoch alſo, daß man anjetzo noch ein Wahr-
zeichen daran ſihet.... Noch ein anderes
Wunder hat ſich mit einem Franciſcaner zu-
getragen: Dieſem wurde von ſeinem Oberen
am heiligen grünen Donnerſtag aufgetragen,
er ſolle Allmoſen bettlen. Er gehorchte, in der
Hoffnung, daß er zu gehöriger Zeit wieder ein-
treffen werde, das Göttliche Abendmahl zu
empfangen. Allein, da er zuruck gekommen,
mußte er erfahren, daß der heilige Gottesdienſt
ſchon zu Ende gegangen. Er legte dann alſo
ſeinen Bettel-Sack ab; gienge gantz troſtlos
in die Kirch, warffe ſich vor dem Hochwürdi-
gen Gut zur Erden nider, ſeuffzte, und bittete
den GErrn, er möchte ihne doch an ſo heiligem
Tag dieſer Gnad nicht berauben. Und ſihe
Wunder! das Thürlein öffnete ſich von ſelbſt;
aus ſelbem geht ein ſchöner Knab hervor, wel-
cher beſtändig im Gehen gröſſer wurde, bis er
einen geſtandenen Mann vorſtellte. Er gien-
ge auf den Bruder zu; dieſer, weilen er ſich
ſo groſſer Gnad unwürdig ſchätzte, zohe ſich zu-
ruck. Allein der HErr folgte ihme nach. Der
geiſtliche Ordens-Mann kame endlichen bis
an die Kirchen-Thür; allda holte ihne der
HErr ein, und küßte ihne gantz Lieb-voll an
die Stirn. Der Bruder fühlte ein ſolches
Vergnügen deßwegen, daß er aus einer ſüſſen
Ohnmacht zur Erden gefallen. Alſo fanden
ihne auch ſeine geiſtliche Mitbrüder, nebſt de-
nen,
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