der Konsumtionsakt in diesem letzteren Falle unterscheidet sich absolut nicht von dem im ersteren Falle: ob jemand die Frucht, die er isst, zu- fällig gefunden, gestohlen, selbst gezogen oder gekauft hat, macht in dem Essakt selber und seinen direkten Folgen für ihn nicht den geringsten Unterschied. Nun ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand überhaupt noch kein Wert, so lange er als unmittelbarer Erreger von Gefühlen in den subjektiven Vorgang eingeschmolzen ist, gleichsam eine selbstverständliche Kompetenz unseres Gefühlsvermögens bildet. Er muss von diesem erst getrennt sein, um die eigentümliche Bedeutung, die wir Wert nennen, für uns zu gewinnen. Denn es ist nicht nur sicher, dass das Begehren an und für sich überhaupt keinen Wert be- gründen könnte, wenn es nicht auf Hindernisse stiesse: wenn jedes Be- gehren seine Befriedigung kampflos und restlos fände, so würde ein wirt- schaftlicher Wertverkehr nie entstanden sein, -- sondern das Begehren selbst wäre nie zu einer erheblichen Höhe gestiegen, wenn es sich ohne weiteres befriedigen könnte. Erst der Aufschub der Befriedigung durch das Hindernis, die Besorgnis, das Objekt könne einem entgehen, die Spannung des Ringens darum, bringt die Summierung der Be- gehrungsmomente zustande: die Intensität des Wollens und die Kon- tinuität des Erwerbens. Wenn aber selbst die höchste Kraft des Be- gehrens rein von innen her entstanden wäre, so würde man -- wie unzähligemal hervorgehoben ist -- dem Objekt, das es befriedigt, doch keinen Wert zusprechen, wenn es uns in unbegrenzter Fülle zu- flösse. Wichtig wäre für uns dann freilich das ganze Genus, dessen Dasein uns die Befriedigung unserer Wünsche verbürgt, nicht aber dasjenige Teilquantum, dessen wir uns thatsächlich bemächtigen, weil dieses ebenso mühelos durch ein anderes ersetzt werden könnte; wobei aber auch jene Gesamtheit ein Wertbewusstsein nur von dem Gedanken ihres möglichen Fehlens aus gewänne. Unser Bewusstsein würde in diesem Falle einfach von dem Rhythmus der subjektiven Begehrungen und Befriedigungen erfüllt sein, ohne an das ver- mittelnde Objekt eine Aufmerksamkeit zu knüpfen. Das Bedürfen einerseits, der Genuss andererseits für sich allein enthalten weder den Wert noch die Wirtschaft in sich. Beides verwirklicht sich gleich- zeitig erst durch den Tausch zwischen zwei Subjekten, von denen jedes dem anderen einen Verzicht zur Bedingung des Befriedigungsgefühles macht, bezw. durch dessen Seitenstück in der solipsistischen Wirtschaft. Durch den Austausch, also die Wirtschaft, entstehen zugleich die Werte der Wirtschaft, weil er der Träger oder Produzent der Distanz zwischen dem Subjekt und dem Objekt ist, die den subjektiven Gefühlszustand in die objektive Wertung überführt. Kant hat einmal die Summe
der Konsumtionsakt in diesem letzteren Falle unterscheidet sich absolut nicht von dem im ersteren Falle: ob jemand die Frucht, die er iſst, zu- fällig gefunden, gestohlen, selbst gezogen oder gekauft hat, macht in dem Eſsakt selber und seinen direkten Folgen für ihn nicht den geringsten Unterschied. Nun ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand überhaupt noch kein Wert, so lange er als unmittelbarer Erreger von Gefühlen in den subjektiven Vorgang eingeschmolzen ist, gleichsam eine selbstverständliche Kompetenz unseres Gefühlsvermögens bildet. Er muſs von diesem erst getrennt sein, um die eigentümliche Bedeutung, die wir Wert nennen, für uns zu gewinnen. Denn es ist nicht nur sicher, daſs das Begehren an und für sich überhaupt keinen Wert be- gründen könnte, wenn es nicht auf Hindernisse stieſse: wenn jedes Be- gehren seine Befriedigung kampflos und restlos fände, so würde ein wirt- schaftlicher Wertverkehr nie entstanden sein, — sondern das Begehren selbst wäre nie zu einer erheblichen Höhe gestiegen, wenn es sich ohne weiteres befriedigen könnte. Erst der Aufschub der Befriedigung durch das Hindernis, die Besorgnis, das Objekt könne einem entgehen, die Spannung des Ringens darum, bringt die Summierung der Be- gehrungsmomente zustande: die Intensität des Wollens und die Kon- tinuität des Erwerbens. Wenn aber selbst die höchste Kraft des Be- gehrens rein von innen her entstanden wäre, so würde man — wie unzähligemal hervorgehoben ist — dem Objekt, das es befriedigt, doch keinen Wert zusprechen, wenn es uns in unbegrenzter Fülle zu- flösse. Wichtig wäre für uns dann freilich das ganze Genus, dessen Dasein uns die Befriedigung unserer Wünsche verbürgt, nicht aber dasjenige Teilquantum, dessen wir uns thatsächlich bemächtigen, weil dieses ebenso mühelos durch ein anderes ersetzt werden könnte; wobei aber auch jene Gesamtheit ein Wertbewuſstsein nur von dem Gedanken ihres möglichen Fehlens aus gewänne. Unser Bewuſstsein würde in diesem Falle einfach von dem Rhythmus der subjektiven Begehrungen und Befriedigungen erfüllt sein, ohne an das ver- mittelnde Objekt eine Aufmerksamkeit zu knüpfen. Das Bedürfen einerseits, der Genuſs andererseits für sich allein enthalten weder den Wert noch die Wirtschaft in sich. Beides verwirklicht sich gleich- zeitig erst durch den Tausch zwischen zwei Subjekten, von denen jedes dem anderen einen Verzicht zur Bedingung des Befriedigungsgefühles macht, bezw. durch dessen Seitenstück in der solipsistischen Wirtschaft. Durch den Austausch, also die Wirtschaft, entstehen zugleich die Werte der Wirtschaft, weil er der Träger oder Produzent der Distanz zwischen dem Subjekt und dem Objekt ist, die den subjektiven Gefühlszustand in die objektive Wertung überführt. Kant hat einmal die Summe
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der Konsumtionsakt in diesem letzteren Falle unterscheidet sich absolut
nicht von dem im ersteren Falle: ob jemand die Frucht, die er iſst, zu-
fällig gefunden, gestohlen, selbst gezogen oder gekauft hat, macht in dem
Eſsakt selber und seinen direkten Folgen für ihn nicht den geringsten
Unterschied. Nun ist, wie wir gesehen haben, der Gegenstand überhaupt
noch kein Wert, so lange er als unmittelbarer Erreger von Gefühlen
in den subjektiven Vorgang eingeschmolzen ist, gleichsam eine
selbstverständliche Kompetenz unseres Gefühlsvermögens bildet. Er
muſs von diesem erst getrennt sein, um die eigentümliche Bedeutung,
die wir Wert nennen, für uns zu gewinnen. Denn es ist nicht nur
sicher, daſs das Begehren an und für sich überhaupt keinen Wert be-
gründen könnte, wenn es nicht auf Hindernisse stieſse: wenn jedes Be-
gehren seine Befriedigung kampflos und restlos fände, so würde ein wirt-
schaftlicher Wertverkehr nie entstanden sein, — sondern das Begehren
selbst wäre nie zu einer erheblichen Höhe gestiegen, wenn es sich
ohne weiteres befriedigen könnte. Erst der Aufschub der Befriedigung
durch das Hindernis, die Besorgnis, das Objekt könne einem entgehen,
die Spannung des Ringens darum, bringt die Summierung der Be-
gehrungsmomente zustande: die Intensität des Wollens und die Kon-
tinuität des Erwerbens. Wenn aber selbst die höchste Kraft des Be-
gehrens rein von innen her entstanden wäre, so würde man — wie
unzähligemal hervorgehoben ist — dem Objekt, das es befriedigt,
doch keinen Wert zusprechen, wenn es uns in unbegrenzter Fülle zu-
flösse. Wichtig wäre für uns dann freilich das ganze Genus, dessen
Dasein uns die Befriedigung unserer Wünsche verbürgt, nicht aber
dasjenige Teilquantum, dessen wir uns thatsächlich bemächtigen, weil
dieses ebenso mühelos durch ein anderes ersetzt werden könnte; wobei
aber auch jene Gesamtheit ein Wertbewuſstsein nur von dem
Gedanken ihres möglichen Fehlens aus gewänne. Unser Bewuſstsein
würde in diesem Falle einfach von dem Rhythmus der subjektiven
Begehrungen und Befriedigungen erfüllt sein, ohne an das ver-
mittelnde Objekt eine Aufmerksamkeit zu knüpfen. Das Bedürfen
einerseits, der Genuſs andererseits für sich allein enthalten weder den
Wert noch die Wirtschaft in sich. Beides verwirklicht sich gleich-
zeitig erst durch den Tausch zwischen zwei Subjekten, von denen jedes
dem anderen einen Verzicht zur Bedingung des Befriedigungsgefühles
macht, bezw. durch dessen Seitenstück in der solipsistischen Wirtschaft.
Durch den Austausch, also die Wirtschaft, entstehen zugleich die Werte
der Wirtschaft, weil er der Träger oder Produzent der Distanz zwischen
dem Subjekt und dem Objekt ist, die den subjektiven Gefühlszustand
in die objektive Wertung überführt. Kant hat einmal die Summe
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/67>, abgerufen am 28.11.2024.
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