wiederholt: seine allgemeine Zugängigkeit und Gültigkeit, sein poten- zieller Kommunismus beseitigt sowohl für die Oben- wie für die Unten- wie für die Gleichstehenden gewisse Schranken, die aus der apri- orischen, standesmässigen Abgrenzung der Besitzarten gefolgt waren. So lange der Grundbesitz und die Berufe in den Händen bestimmter Klassen waren, brachten sie Verpflichtungen gegen die Tieferstehen- den, Solidaritäten der Genossen, selbstverständliche Begehrlichkeits- grenzen der Ausgeschlossenen mit sich, zu denen für einen "aufgeklärten" Rationalismus kein Grund mehr vorliegt, sobald jeder Besitz in einen Wert überführbar ist, von dessen unbegrenzter Erwerbung niemand prinzipiell fernzuhalten ist -- womit natürlich die Frage nach der Gesamt- Zu- oder Abnahme des Egoismus im Lauf der Geschichte keineswegs entschieden ist.
Endlich erwähne ich das äusserst Charakteristische, dass auch jene Aufhäufung intellektueller Errungenschaften, die dem irgendwie Be- günstigten einen unverhältnismässigen und rapid wachsenden Vorsprung gönnt, in den Akkumulierungen des Geldkapitals ihre Analogie findet. Die Struktur der geldwirtschaftlichen Verhältnisse, die Art, wie das Geld Renten und Gewinn erzielt, bringt es mit sich, dass es von einer gewissen Höhe ab sich wie von selbst vermehrt, ohne durch verhältnis- mässige Arbeit des Besitzers befruchtet zu werden. Dies entspricht der Struktur der Erkenntnisse in der Kulturwelt, die von einem bestimmten Punkte an einen immer geringeren Selbsterwerb des Einzelnen fordern, weil sich die Wissensinhalte in verdichteter und mit ihrer grösseren Höhe immer konzentrierterer Form darbieten. Auf den Höhen der Bildung fordert jeder weitere Schritt oft im Verhältnis zu dem Tempo der Erwerbungen niederer Stufen ebenso viel weniger Mühe, wie er einen höheren Erkenntnisertrag liefert. Wie die Objektivität des Geldes ihm schliesslich ein von personalen Energien relativ unabhängiges "Arbeiten" gestattet, dessen sich aufhäufende Erträge wie automatisch zu weiteren Aufhäufungen in steigenden Proportionen führen -- so bewirkt das Objektivwerden der Erkenntnisse, die Lösung der Resul- tate der Intelligenz von dem Prozesse der letzteren selbst, dass diese Resultate sich zu verdichteten Abstraktionen aufhäufen, und dass man sie, wenn man nur schon hoch genug steht, wie Früchte pflücken kann, die ihren Reifeprozess ohne unser Zuthun vollzogen haben.
Als Erfolg von alledem wird das Geld, das seinem immanenten Wesen und seinen begrifflichen Bestimmungen nach ein absolut demo- kratisches, nivelliertes, jede individuelle Sonderbeziehung ausschliessen- des Gebilde ist, grade von den auf allgemeine Gleichheit ausgehenden Bestrebungen aufs entschiedenste verworfen -- die gleiche Konsequenz
wiederholt: seine allgemeine Zugängigkeit und Gültigkeit, sein poten- zieller Kommunismus beseitigt sowohl für die Oben- wie für die Unten- wie für die Gleichstehenden gewisse Schranken, die aus der apri- orischen, standesmäſsigen Abgrenzung der Besitzarten gefolgt waren. So lange der Grundbesitz und die Berufe in den Händen bestimmter Klassen waren, brachten sie Verpflichtungen gegen die Tieferstehen- den, Solidaritäten der Genossen, selbstverständliche Begehrlichkeits- grenzen der Ausgeschlossenen mit sich, zu denen für einen „aufgeklärten“ Rationalismus kein Grund mehr vorliegt, sobald jeder Besitz in einen Wert überführbar ist, von dessen unbegrenzter Erwerbung niemand prinzipiell fernzuhalten ist — womit natürlich die Frage nach der Gesamt- Zu- oder Abnahme des Egoismus im Lauf der Geschichte keineswegs entschieden ist.
Endlich erwähne ich das äuſserst Charakteristische, daſs auch jene Aufhäufung intellektueller Errungenschaften, die dem irgendwie Be- günstigten einen unverhältnismäſsigen und rapid wachsenden Vorsprung gönnt, in den Akkumulierungen des Geldkapitals ihre Analogie findet. Die Struktur der geldwirtschaftlichen Verhältnisse, die Art, wie das Geld Renten und Gewinn erzielt, bringt es mit sich, daſs es von einer gewissen Höhe ab sich wie von selbst vermehrt, ohne durch verhältnis- mäſsige Arbeit des Besitzers befruchtet zu werden. Dies entspricht der Struktur der Erkenntnisse in der Kulturwelt, die von einem bestimmten Punkte an einen immer geringeren Selbsterwerb des Einzelnen fordern, weil sich die Wissensinhalte in verdichteter und mit ihrer gröſseren Höhe immer konzentrierterer Form darbieten. Auf den Höhen der Bildung fordert jeder weitere Schritt oft im Verhältnis zu dem Tempo der Erwerbungen niederer Stufen ebenso viel weniger Mühe, wie er einen höheren Erkenntnisertrag liefert. Wie die Objektivität des Geldes ihm schlieſslich ein von personalen Energien relativ unabhängiges „Arbeiten“ gestattet, dessen sich aufhäufende Erträge wie automatisch zu weiteren Aufhäufungen in steigenden Proportionen führen — so bewirkt das Objektivwerden der Erkenntnisse, die Lösung der Resul- tate der Intelligenz von dem Prozesse der letzteren selbst, daſs diese Resultate sich zu verdichteten Abstraktionen aufhäufen, und daſs man sie, wenn man nur schon hoch genug steht, wie Früchte pflücken kann, die ihren Reifeprozeſs ohne unser Zuthun vollzogen haben.
Als Erfolg von alledem wird das Geld, das seinem immanenten Wesen und seinen begrifflichen Bestimmungen nach ein absolut demo- kratisches, nivelliertes, jede individuelle Sonderbeziehung ausschlieſsen- des Gebilde ist, grade von den auf allgemeine Gleichheit ausgehenden Bestrebungen aufs entschiedenste verworfen — die gleiche Konsequenz
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wiederholt: seine allgemeine Zugängigkeit und Gültigkeit, sein poten-
zieller Kommunismus beseitigt sowohl für die Oben- wie für die Unten-
wie für die Gleichstehenden gewisse Schranken, die aus der apri-
orischen, standesmäſsigen Abgrenzung der Besitzarten gefolgt waren.
So lange der Grundbesitz und die Berufe in den Händen bestimmter
Klassen waren, brachten sie Verpflichtungen gegen die Tieferstehen-
den, Solidaritäten der Genossen, selbstverständliche Begehrlichkeits-
grenzen der Ausgeschlossenen mit sich, zu denen für einen „aufgeklärten“
Rationalismus kein Grund mehr vorliegt, sobald jeder Besitz in einen
Wert überführbar ist, von dessen unbegrenzter Erwerbung niemand
prinzipiell fernzuhalten ist — womit natürlich die Frage nach der
Gesamt- Zu- oder Abnahme des Egoismus im Lauf der Geschichte
keineswegs entschieden ist.
Endlich erwähne ich das äuſserst Charakteristische, daſs auch jene
Aufhäufung intellektueller Errungenschaften, die dem irgendwie Be-
günstigten einen unverhältnismäſsigen und rapid wachsenden Vorsprung
gönnt, in den Akkumulierungen des Geldkapitals ihre Analogie findet.
Die Struktur der geldwirtschaftlichen Verhältnisse, die Art, wie das
Geld Renten und Gewinn erzielt, bringt es mit sich, daſs es von einer
gewissen Höhe ab sich wie von selbst vermehrt, ohne durch verhältnis-
mäſsige Arbeit des Besitzers befruchtet zu werden. Dies entspricht
der Struktur der Erkenntnisse in der Kulturwelt, die von einem bestimmten
Punkte an einen immer geringeren Selbsterwerb des Einzelnen fordern,
weil sich die Wissensinhalte in verdichteter und mit ihrer gröſseren
Höhe immer konzentrierterer Form darbieten. Auf den Höhen der
Bildung fordert jeder weitere Schritt oft im Verhältnis zu dem Tempo
der Erwerbungen niederer Stufen ebenso viel weniger Mühe, wie er
einen höheren Erkenntnisertrag liefert. Wie die Objektivität des
Geldes ihm schlieſslich ein von personalen Energien relativ unabhängiges
„Arbeiten“ gestattet, dessen sich aufhäufende Erträge wie automatisch
zu weiteren Aufhäufungen in steigenden Proportionen führen — so
bewirkt das Objektivwerden der Erkenntnisse, die Lösung der Resul-
tate der Intelligenz von dem Prozesse der letzteren selbst, daſs diese
Resultate sich zu verdichteten Abstraktionen aufhäufen, und daſs man
sie, wenn man nur schon hoch genug steht, wie Früchte pflücken kann,
die ihren Reifeprozeſs ohne unser Zuthun vollzogen haben.
Als Erfolg von alledem wird das Geld, das seinem immanenten
Wesen und seinen begrifflichen Bestimmungen nach ein absolut demo-
kratisches, nivelliertes, jede individuelle Sonderbeziehung ausschlieſsen-
des Gebilde ist, grade von den auf allgemeine Gleichheit ausgehenden
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/494>, abgerufen am 22.11.2024.
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