persönlichen Vorbedingungen hinauserstrecken. Denn diese reichen offenbar nicht aus, um diejenigen Eigenschaften der Arbeit in der an- gegebenen Weise zu reduzieren, die ihre Höhe durch eine angeborene Begabung oder durch die Gunst dargebotener objektiver Vorbedingungen gewinnen. Hier muss man sich einer Vererbungshypothese bedienen, die freilich hier wie überall, wo sie insbesondere erworbene Eigen- schaften einbezieht, nur eine ganz allgemeine Denkmöglichkeit dar- bietet. Wollen wir die verbreitete Erklärung des Instinkts acceptieren, dass er aus den aufgehäuften Erfahrungen der Vorfahren besteht, die zu bestimmten zweckmässigen Nerven- und Muskelkoordinationen ge- führt haben und in dieser Form den Nachkommen vererbt sind, der- art, dass bei diesen die zweckmässige Bewegung auf den entsprechen- den Nervenreiz hin rein mechanisch und ohne eigner Erfahrung und Einübung zu bedürfen, erfolgt -- wenn wir dies acceptieren wollen, so kann man die angeborene spezielle Begabung als einen besonders günstigen Fall des Instinkts betrachten. Nämlich als denjenigen, in dem die Summierung solcher physisch verdichteten Erfahrungen ganz besonders entschieden nach einer Richtung hin und in einer solchen Lagerung der Elemente erfolgt ist, dass schon der leisesten Anregung ein fruchtbares Spiel bedeutsamer und zweckmässiger Funktionen antwortet. Dass das Genie so viel weniger zu lernen braucht, wie der gewöhn- liche Mensch zu der gleichartigen Leistung, dass es Dinge weiss, die es nicht erfahren hat -- dieses Wunder scheint auf eine ausnahmsweise reiche und leicht ansprechende Koordination vererbter Energien hin- zuweisen. Wenn man die hiermit angedeutete Vererbungsreihe weit genug zurückgliedert und sich klar macht, dass alle Erfahrungen und Fertigkeiten innerhalb derselben nur durch wirkliches Arbeiten und Ausüben gewonnen und weitergebildet werden konnten, so erscheint auch die individuelle Besonderheit der genialen Leistung als das kon- densierte Resultat der Arbeit von Generationen. Der besonders "be- gabte" Mensch wäre demnach derjenige, in dem ein Maximum von Arbeit seiner Vorfahren in latenter und zur Weiterverwertung dispo- nierter Form aufgehäuft ist; so dass der höhere Wert, den die Arbeit eines solchen durch ihre Qualität besitzt, im letzten Grunde auch auf ein quantitatives Mehr von Arbeit zurückgeht, das er freilich nicht persön- lich zu leisten brauchte, sondern dem er nur durch die Eigenart seiner Organisation das Weiterwirken ermöglicht. Die Leistung wäre dann, die gleiche aktuelle Arbeitsmühe der Subjekte vorausgesetzt, in dem Masse eine verschieden hohe, in dem die Struktur ihres psychisch-phy- sischen Systems eine verschieden grosse und mit verschiedener Leichtig- keit wirkende Summe erarbeiteter Erfahrungen und Geschicklichkeiten
persönlichen Vorbedingungen hinauserstrecken. Denn diese reichen offenbar nicht aus, um diejenigen Eigenschaften der Arbeit in der an- gegebenen Weise zu reduzieren, die ihre Höhe durch eine angeborene Begabung oder durch die Gunst dargebotener objektiver Vorbedingungen gewinnen. Hier muſs man sich einer Vererbungshypothese bedienen, die freilich hier wie überall, wo sie insbesondere erworbene Eigen- schaften einbezieht, nur eine ganz allgemeine Denkmöglichkeit dar- bietet. Wollen wir die verbreitete Erklärung des Instinkts acceptieren, daſs er aus den aufgehäuften Erfahrungen der Vorfahren besteht, die zu bestimmten zweckmäſsigen Nerven- und Muskelkoordinationen ge- führt haben und in dieser Form den Nachkommen vererbt sind, der- art, daſs bei diesen die zweckmäſsige Bewegung auf den entsprechen- den Nervenreiz hin rein mechanisch und ohne eigner Erfahrung und Einübung zu bedürfen, erfolgt — wenn wir dies acceptieren wollen, so kann man die angeborene spezielle Begabung als einen besonders günstigen Fall des Instinkts betrachten. Nämlich als denjenigen, in dem die Summierung solcher physisch verdichteten Erfahrungen ganz besonders entschieden nach einer Richtung hin und in einer solchen Lagerung der Elemente erfolgt ist, daſs schon der leisesten Anregung ein fruchtbares Spiel bedeutsamer und zweckmäſsiger Funktionen antwortet. Daſs das Genie so viel weniger zu lernen braucht, wie der gewöhn- liche Mensch zu der gleichartigen Leistung, daſs es Dinge weiſs, die es nicht erfahren hat — dieses Wunder scheint auf eine ausnahmsweise reiche und leicht ansprechende Koordination vererbter Energien hin- zuweisen. Wenn man die hiermit angedeutete Vererbungsreihe weit genug zurückgliedert und sich klar macht, daſs alle Erfahrungen und Fertigkeiten innerhalb derselben nur durch wirkliches Arbeiten und Ausüben gewonnen und weitergebildet werden konnten, so erscheint auch die individuelle Besonderheit der genialen Leistung als das kon- densierte Resultat der Arbeit von Generationen. Der besonders „be- gabte“ Mensch wäre demnach derjenige, in dem ein Maximum von Arbeit seiner Vorfahren in latenter und zur Weiterverwertung dispo- nierter Form aufgehäuft ist; so daſs der höhere Wert, den die Arbeit eines solchen durch ihre Qualität besitzt, im letzten Grunde auch auf ein quantitatives Mehr von Arbeit zurückgeht, das er freilich nicht persön- lich zu leisten brauchte, sondern dem er nur durch die Eigenart seiner Organisation das Weiterwirken ermöglicht. Die Leistung wäre dann, die gleiche aktuelle Arbeitsmühe der Subjekte vorausgesetzt, in dem Maſse eine verschieden hohe, in dem die Struktur ihres psychisch-phy- sischen Systems eine verschieden groſse und mit verschiedener Leichtig- keit wirkende Summe erarbeiteter Erfahrungen und Geschicklichkeiten
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persönlichen Vorbedingungen hinauserstrecken. Denn diese reichen
offenbar nicht aus, um diejenigen Eigenschaften der Arbeit in der an-
gegebenen Weise zu reduzieren, die ihre Höhe durch eine angeborene
Begabung oder durch die Gunst dargebotener objektiver Vorbedingungen
gewinnen. Hier muſs man sich einer Vererbungshypothese bedienen,
die freilich hier wie überall, wo sie insbesondere erworbene Eigen-
schaften einbezieht, nur eine ganz allgemeine Denkmöglichkeit dar-
bietet. Wollen wir die verbreitete Erklärung des Instinkts acceptieren,
daſs er aus den aufgehäuften Erfahrungen der Vorfahren besteht, die
zu bestimmten zweckmäſsigen Nerven- und Muskelkoordinationen ge-
führt haben und in dieser Form den Nachkommen vererbt sind, der-
art, daſs bei diesen die zweckmäſsige Bewegung auf den entsprechen-
den Nervenreiz hin rein mechanisch und ohne eigner Erfahrung und
Einübung zu bedürfen, erfolgt — wenn wir dies acceptieren wollen,
so kann man die angeborene spezielle Begabung als einen besonders
günstigen Fall des Instinkts betrachten. Nämlich als denjenigen, in
dem die Summierung solcher physisch verdichteten Erfahrungen ganz
besonders entschieden nach einer Richtung hin und in einer solchen
Lagerung der Elemente erfolgt ist, daſs schon der leisesten Anregung ein
fruchtbares Spiel bedeutsamer und zweckmäſsiger Funktionen antwortet.
Daſs das Genie so viel weniger zu lernen braucht, wie der gewöhn-
liche Mensch zu der gleichartigen Leistung, daſs es Dinge weiſs, die es
nicht erfahren hat — dieses Wunder scheint auf eine ausnahmsweise
reiche und leicht ansprechende Koordination vererbter Energien hin-
zuweisen. Wenn man die hiermit angedeutete Vererbungsreihe weit
genug zurückgliedert und sich klar macht, daſs alle Erfahrungen und
Fertigkeiten innerhalb derselben nur durch wirkliches Arbeiten und
Ausüben gewonnen und weitergebildet werden konnten, so erscheint
auch die individuelle Besonderheit der genialen Leistung als das kon-
densierte Resultat der Arbeit von Generationen. Der besonders „be-
gabte“ Mensch wäre demnach derjenige, in dem ein Maximum von
Arbeit seiner Vorfahren in latenter und zur Weiterverwertung dispo-
nierter Form aufgehäuft ist; so daſs der höhere Wert, den die Arbeit
eines solchen durch ihre Qualität besitzt, im letzten Grunde auch auf
ein quantitatives Mehr von Arbeit zurückgeht, das er freilich nicht persön-
lich zu leisten brauchte, sondern dem er nur durch die Eigenart seiner
Organisation das Weiterwirken ermöglicht. Die Leistung wäre dann,
die gleiche aktuelle Arbeitsmühe der Subjekte vorausgesetzt, in dem
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sischen Systems eine verschieden groſse und mit verschiedener Leichtig-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/462>, abgerufen am 22.11.2024.
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