für den Bauern noch etwas ganz anderes als der blosse Vermögenswert: es war für ihn die Möglichkeit nützlichen Wirkens, ein Zentrum der Interessen, ein Richtung gebender Lebensinhalt, den er verlor, sobald er statt des Bodens nur seinen Wert in Geld besass. Grade die Re- duktion seines Landbesitzes auf dessen blossen Geldwert stösst ihn auf den Weg des Proletariertums. Eine andere Stufe der Agrarverhältnisse zeigt die gleiche Entwicklungsform. Auf Bauerngütern z. B. in Olden- burg herrscht vielfach noch das Heuermannsverhältnis; der Heuermann ist verpflichtet, dem Bauern eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahre Arbeit zu leisten, und zwar für einen geringeren Lohn als den der freien Tagelöhner; dafür erhält er vom Bauern Wohnung, Land- pacht, Fuhren u. s. w. zu einem billigeren Preise als dem ortsüblichen. Es ist also, wenigstens partiell, ein Austausch von Naturalwerten. Von diesem Verhältnis nun wird berichtet, es charakterisiere sich durch die soziale Gleichstellung zwischen dem Bauern und dem Heuerling: dieser habe nicht das Gefühl, ein durch seine weniger vermögende Lage zur Lohnarbeit gezwungener Mann zu sein; zugleich aber, dass die vor- dringende Geldwirtschaft dieses Verhältnis zerstöre, und dass die Um- wandlung des naturalen Tausches der Dienste in eine glatte Bezahlung dieser den Heuermann deklassiere -- wenngleich er auf diese Weise doch eine gewisse Freiheit des Schaltens mit seinem Arbeitsertrag gegenüber der Gebundenheit an vorherbestimmte naturale Empfänge gewinnen müsste. Dasselbe Gebiet zeigt dieselbe Entwicklung noch an einer anderen Stelle. So lange die Drescher auf den Gütern durch einen bestimmten Anteil am Erdrusch gelohnt wurden, hatten sie ein lebhaftes persönliches Interesse am Gedeihen der Wirtschaft des Herrn. Die Dreschmaschine verdrängte diese Löhnungsart, und der dafür ein- geführte Geldlohn lässt es zu jenem persönlichen Bande zwischen Herrn und Arbeiter nicht kommen, aus dem der letztere ein Selbstgefühl und einen sittlichen Halt, ganz anders als aus dem erhöhten Geldeinkommen, gezogen hatte.
Damit zeigt sich an der Bedeutung, welche das Geld für den Ge- winn individueller Freiheit hat, eine sehr folgenreiche Bestimmung des Freiheitsbegriffes. Die Freiheit scheint zunächst bloss negativen Cha- rakter zu tragen; nur im Gegensatz zu einer Bindung hat sie ihren Sinn, sie ist immer Freiheit von etwas und erfüllt ihren Begriff, indem sie die Abwesenheit von Hindernissen ausspricht. Allein in dieser negativen Bedeutung verharrt sie nicht; sie wäre ohne Sinn und Wert, wenn das Abstreifen der Bindung nicht sogleich durch einen Zuwachs an Besitz oder Macht ergänzt würde: wenn sie Freiheit von etwas ist, so ist sie doch zugleich Freiheit zu etwas. Erscheinungen der mannig-
für den Bauern noch etwas ganz anderes als der bloſse Vermögenswert: es war für ihn die Möglichkeit nützlichen Wirkens, ein Zentrum der Interessen, ein Richtung gebender Lebensinhalt, den er verlor, sobald er statt des Bodens nur seinen Wert in Geld besaſs. Grade die Re- duktion seines Landbesitzes auf dessen bloſsen Geldwert stöſst ihn auf den Weg des Proletariertums. Eine andere Stufe der Agrarverhältnisse zeigt die gleiche Entwicklungsform. Auf Bauerngütern z. B. in Olden- burg herrscht vielfach noch das Heuermannsverhältnis; der Heuermann ist verpflichtet, dem Bauern eine bestimmte Anzahl von Tagen im Jahre Arbeit zu leisten, und zwar für einen geringeren Lohn als den der freien Tagelöhner; dafür erhält er vom Bauern Wohnung, Land- pacht, Fuhren u. s. w. zu einem billigeren Preise als dem ortsüblichen. Es ist also, wenigstens partiell, ein Austausch von Naturalwerten. Von diesem Verhältnis nun wird berichtet, es charakterisiere sich durch die soziale Gleichstellung zwischen dem Bauern und dem Heuerling: dieser habe nicht das Gefühl, ein durch seine weniger vermögende Lage zur Lohnarbeit gezwungener Mann zu sein; zugleich aber, daſs die vor- dringende Geldwirtschaft dieses Verhältnis zerstöre, und daſs die Um- wandlung des naturalen Tausches der Dienste in eine glatte Bezahlung dieser den Heuermann deklassiere — wenngleich er auf diese Weise doch eine gewisse Freiheit des Schaltens mit seinem Arbeitsertrag gegenüber der Gebundenheit an vorherbestimmte naturale Empfänge gewinnen müſste. Dasselbe Gebiet zeigt dieselbe Entwicklung noch an einer anderen Stelle. So lange die Drescher auf den Gütern durch einen bestimmten Anteil am Erdrusch gelohnt wurden, hatten sie ein lebhaftes persönliches Interesse am Gedeihen der Wirtschaft des Herrn. Die Dreschmaschine verdrängte diese Löhnungsart, und der dafür ein- geführte Geldlohn läſst es zu jenem persönlichen Bande zwischen Herrn und Arbeiter nicht kommen, aus dem der letztere ein Selbstgefühl und einen sittlichen Halt, ganz anders als aus dem erhöhten Geldeinkommen, gezogen hatte.
Damit zeigt sich an der Bedeutung, welche das Geld für den Ge- winn individueller Freiheit hat, eine sehr folgenreiche Bestimmung des Freiheitsbegriffes. Die Freiheit scheint zunächst bloſs negativen Cha- rakter zu tragen; nur im Gegensatz zu einer Bindung hat sie ihren Sinn, sie ist immer Freiheit von etwas und erfüllt ihren Begriff, indem sie die Abwesenheit von Hindernissen ausspricht. Allein in dieser negativen Bedeutung verharrt sie nicht; sie wäre ohne Sinn und Wert, wenn das Abstreifen der Bindung nicht sogleich durch einen Zuwachs an Besitz oder Macht ergänzt würde: wenn sie Freiheit von etwas ist, so ist sie doch zugleich Freiheit zu etwas. Erscheinungen der mannig-
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für den Bauern noch etwas ganz anderes als der bloſse Vermögenswert:
es war für ihn die Möglichkeit nützlichen Wirkens, ein Zentrum der
Interessen, ein Richtung gebender Lebensinhalt, den er verlor, sobald
er statt des Bodens nur seinen Wert in Geld besaſs. Grade die Re-
duktion seines Landbesitzes auf dessen bloſsen Geldwert stöſst ihn auf
den Weg des Proletariertums. Eine andere Stufe der Agrarverhältnisse
zeigt die gleiche Entwicklungsform. Auf Bauerngütern z. B. in Olden-
burg herrscht vielfach noch das Heuermannsverhältnis; der Heuermann
ist verpflichtet, dem Bauern eine bestimmte Anzahl von Tagen im
Jahre Arbeit zu leisten, und zwar für einen geringeren Lohn als den
der freien Tagelöhner; dafür erhält er vom Bauern Wohnung, Land-
pacht, Fuhren u. s. w. zu einem billigeren Preise als dem ortsüblichen.
Es ist also, wenigstens partiell, ein Austausch von Naturalwerten. Von
diesem Verhältnis nun wird berichtet, es charakterisiere sich durch die
soziale Gleichstellung zwischen dem Bauern und dem Heuerling: dieser
habe nicht das Gefühl, ein durch seine weniger vermögende Lage zur
Lohnarbeit gezwungener Mann zu sein; zugleich aber, daſs die vor-
dringende Geldwirtschaft dieses Verhältnis zerstöre, und daſs die Um-
wandlung des naturalen Tausches der Dienste in eine glatte Bezahlung
dieser den Heuermann deklassiere — wenngleich er auf diese Weise
doch eine gewisse Freiheit des Schaltens mit seinem Arbeitsertrag
gegenüber der Gebundenheit an vorherbestimmte naturale Empfänge
gewinnen müſste. Dasselbe Gebiet zeigt dieselbe Entwicklung noch an
einer anderen Stelle. So lange die Drescher auf den Gütern durch
einen bestimmten Anteil am Erdrusch gelohnt wurden, hatten sie ein
lebhaftes persönliches Interesse am Gedeihen der Wirtschaft des Herrn.
Die Dreschmaschine verdrängte diese Löhnungsart, und der dafür ein-
geführte Geldlohn läſst es zu jenem persönlichen Bande zwischen Herrn
und Arbeiter nicht kommen, aus dem der letztere ein Selbstgefühl und
einen sittlichen Halt, ganz anders als aus dem erhöhten Geldeinkommen,
gezogen hatte.
Damit zeigt sich an der Bedeutung, welche das Geld für den Ge-
winn individueller Freiheit hat, eine sehr folgenreiche Bestimmung des
Freiheitsbegriffes. Die Freiheit scheint zunächst bloſs negativen Cha-
rakter zu tragen; nur im Gegensatz zu einer Bindung hat sie ihren
Sinn, sie ist immer Freiheit von etwas und erfüllt ihren Begriff, indem
sie die Abwesenheit von Hindernissen ausspricht. Allein in dieser
negativen Bedeutung verharrt sie nicht; sie wäre ohne Sinn und Wert,
wenn das Abstreifen der Bindung nicht sogleich durch einen Zuwachs
an Besitz oder Macht ergänzt würde: wenn sie Freiheit von etwas ist,
so ist sie doch zugleich Freiheit zu etwas. Erscheinungen der mannig-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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