schenk annehmen möge. Also sogar bei so legitimen Transaktionen scheint es, als ob die eigentümliche Würde des Orientalen auf ein Verstecken des eigentlichen Geldinteresses hinwirkte.
Das derartige Verhalten des Bestechlichen und die ganze That- sache der Bestechlichkeit überhaupt wird durch nichts so erleichtert und ausgedehnt, als durch die Geldform derselben. Ganz prin- zipiell ermöglicht das Geld eine Heimlichkeit, Unsichtbarkeit, Laut- losigkeit des Besitzwechsels, wie keine andere Wertform. Seine Komprimierbarkeit gestattet, mit einem Stück Papier, das man in die Hand jemandes gleiten lässt, ihn zum reichen Manne zu machen; seine Formlosigkeit und Abstraktheit gestattet, es in den mannigfaltigsten und entferntesten Werten anzulegen und es dadurch dem Auge der nächsten Umgebung ganz zu entziehen; seine Anonymität und Farblosigkeit macht die Quelle unerkennbar, aus der es dem jetzigen Besitzer geflossen ist: es trägt kein Ursprungszeugnis an sich, wie, klarer oder verhüllter, so viele konkrete Besitzgegenstände es thun. Während die Ausdrückbarkeit aller Werte in Geld dem Wirtschaften- den selbst die klarste und unverhüllteste Einsicht in den Stand seines Besitzes ermöglicht, erlaubt sie Anderen gegenüber eine Verstecktheit und Unkenntlichkeit des Besitzes und der Transaktionen, wie die Formen des extensiven Eigentums sie niemals zuliessen. Darin liegt nun freilich eine grosse Gefahr für diejenigen, welche Ansprüche und Interessen an einer Wirtschaftsführung haben, ohne sie selbst und un- mittelbar kontrollieren oder beeinflussen zu können. Wenn die modernen Rechte die Öffentlichkeit für die Finanzgebarungen der Staaten wie der Aktiengesellschaften vorschreiben, so haben die Ge- fahren, die man so vermeiden will, einen ihrer wesentlichen Quell- punkte in der Geldform des Wirtschaftens, in der ihr eigenen Leichtig- keit des Verheimlichens, des irreführenden Ansatzes, der illegitimen Verwendung -- Bedenklichkeiten für alle Aussenstehenden, aber daran Interessierten, die nur durch prinzipielle Offenheit der Geschäfts- führung einigermassen zu paralysieren sind. Innerhalb und vermittels der Geldverhältnisse offenbart sich so eine allgemeine kulturelle Differenzierung: das Öffentliche wird immer öffentlicher, das Private immer privater. Früheren und engeren Kreisen liegt diese Sonderung ferner; in ihnen können sich die privaten Verhältnisse des Einzelnen nicht so verbergen, sich nicht so gegen das Hineinsehen und Sich-Ein- mischen Anderer schützen, wie der Stil des modernen Lebens es ge- stattet, andrerseits ist in solchen Kreisen den Trägern der öffent- lichen Interessen eine mystische Autorität und Verschleierung eher und zweckmässigererweise eigen als in weiten Kreisen, wo ihnen schon
schenk annehmen möge. Also sogar bei so legitimen Transaktionen scheint es, als ob die eigentümliche Würde des Orientalen auf ein Verstecken des eigentlichen Geldinteresses hinwirkte.
Das derartige Verhalten des Bestechlichen und die ganze That- sache der Bestechlichkeit überhaupt wird durch nichts so erleichtert und ausgedehnt, als durch die Geldform derselben. Ganz prin- zipiell ermöglicht das Geld eine Heimlichkeit, Unsichtbarkeit, Laut- losigkeit des Besitzwechsels, wie keine andere Wertform. Seine Komprimierbarkeit gestattet, mit einem Stück Papier, das man in die Hand jemandes gleiten läſst, ihn zum reichen Manne zu machen; seine Formlosigkeit und Abstraktheit gestattet, es in den mannigfaltigsten und entferntesten Werten anzulegen und es dadurch dem Auge der nächsten Umgebung ganz zu entziehen; seine Anonymität und Farblosigkeit macht die Quelle unerkennbar, aus der es dem jetzigen Besitzer geflossen ist: es trägt kein Ursprungszeugnis an sich, wie, klarer oder verhüllter, so viele konkrete Besitzgegenstände es thun. Während die Ausdrückbarkeit aller Werte in Geld dem Wirtschaften- den selbst die klarste und unverhüllteste Einsicht in den Stand seines Besitzes ermöglicht, erlaubt sie Anderen gegenüber eine Verstecktheit und Unkenntlichkeit des Besitzes und der Transaktionen, wie die Formen des extensiven Eigentums sie niemals zulieſsen. Darin liegt nun freilich eine groſse Gefahr für diejenigen, welche Ansprüche und Interessen an einer Wirtschaftsführung haben, ohne sie selbst und un- mittelbar kontrollieren oder beeinflussen zu können. Wenn die modernen Rechte die Öffentlichkeit für die Finanzgebarungen der Staaten wie der Aktiengesellschaften vorschreiben, so haben die Ge- fahren, die man so vermeiden will, einen ihrer wesentlichen Quell- punkte in der Geldform des Wirtschaftens, in der ihr eigenen Leichtig- keit des Verheimlichens, des irreführenden Ansatzes, der illegitimen Verwendung — Bedenklichkeiten für alle Auſsenstehenden, aber daran Interessierten, die nur durch prinzipielle Offenheit der Geschäfts- führung einigermaſsen zu paralysieren sind. Innerhalb und vermittels der Geldverhältnisse offenbart sich so eine allgemeine kulturelle Differenzierung: das Öffentliche wird immer öffentlicher, das Private immer privater. Früheren und engeren Kreisen liegt diese Sonderung ferner; in ihnen können sich die privaten Verhältnisse des Einzelnen nicht so verbergen, sich nicht so gegen das Hineinsehen und Sich-Ein- mischen Anderer schützen, wie der Stil des modernen Lebens es ge- stattet, andrerseits ist in solchen Kreisen den Trägern der öffent- lichen Interessen eine mystische Autorität und Verschleierung eher und zweckmäſsigererweise eigen als in weiten Kreisen, wo ihnen schon
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[402/0426]
schenk annehmen möge. Also sogar bei so legitimen Transaktionen
scheint es, als ob die eigentümliche Würde des Orientalen auf ein
Verstecken des eigentlichen Geldinteresses hinwirkte.
Das derartige Verhalten des Bestechlichen und die ganze That-
sache der Bestechlichkeit überhaupt wird durch nichts so erleichtert
und ausgedehnt, als durch die Geldform derselben. Ganz prin-
zipiell ermöglicht das Geld eine Heimlichkeit, Unsichtbarkeit, Laut-
losigkeit des Besitzwechsels, wie keine andere Wertform. Seine
Komprimierbarkeit gestattet, mit einem Stück Papier, das man
in die Hand jemandes gleiten läſst, ihn zum reichen Manne zu
machen; seine Formlosigkeit und Abstraktheit gestattet, es in den
mannigfaltigsten und entferntesten Werten anzulegen und es dadurch
dem Auge der nächsten Umgebung ganz zu entziehen; seine Anonymität
und Farblosigkeit macht die Quelle unerkennbar, aus der es dem
jetzigen Besitzer geflossen ist: es trägt kein Ursprungszeugnis an sich,
wie, klarer oder verhüllter, so viele konkrete Besitzgegenstände es thun.
Während die Ausdrückbarkeit aller Werte in Geld dem Wirtschaften-
den selbst die klarste und unverhüllteste Einsicht in den Stand seines
Besitzes ermöglicht, erlaubt sie Anderen gegenüber eine Verstecktheit
und Unkenntlichkeit des Besitzes und der Transaktionen, wie die
Formen des extensiven Eigentums sie niemals zulieſsen. Darin liegt
nun freilich eine groſse Gefahr für diejenigen, welche Ansprüche und
Interessen an einer Wirtschaftsführung haben, ohne sie selbst und un-
mittelbar kontrollieren oder beeinflussen zu können. Wenn die
modernen Rechte die Öffentlichkeit für die Finanzgebarungen der
Staaten wie der Aktiengesellschaften vorschreiben, so haben die Ge-
fahren, die man so vermeiden will, einen ihrer wesentlichen Quell-
punkte in der Geldform des Wirtschaftens, in der ihr eigenen Leichtig-
keit des Verheimlichens, des irreführenden Ansatzes, der illegitimen
Verwendung — Bedenklichkeiten für alle Auſsenstehenden, aber daran
Interessierten, die nur durch prinzipielle Offenheit der Geschäfts-
führung einigermaſsen zu paralysieren sind. Innerhalb und vermittels
der Geldverhältnisse offenbart sich so eine allgemeine kulturelle
Differenzierung: das Öffentliche wird immer öffentlicher, das Private
immer privater. Früheren und engeren Kreisen liegt diese Sonderung
ferner; in ihnen können sich die privaten Verhältnisse des Einzelnen
nicht so verbergen, sich nicht so gegen das Hineinsehen und Sich-Ein-
mischen Anderer schützen, wie der Stil des modernen Lebens es ge-
stattet, andrerseits ist in solchen Kreisen den Trägern der öffent-
lichen Interessen eine mystische Autorität und Verschleierung eher und
zweckmäſsigererweise eigen als in weiten Kreisen, wo ihnen schon
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/426>, abgerufen am 22.11.2024.
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