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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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Höhe und Sicherheit der Lebenshaltung, mit der der Persönlichkeit
als ganzer das Äquivalent für ihre Bewährungen geboten wird, eben-
sogut auch in den primitiveren Wirtschaftsformen, durch Belehnung
mit einem Stück Land oder mit Regalien irgendwelcher Art eintreten
konnte. Die spezifische Bedeutung des Geldes innerhalb dieser Reihe
geht nicht von der Seite des Empfangenden, sondern des Gebenden
aus. Denn es ermöglicht, jenes Gesamtäquivalent für das Lebenswerk
eines Arbeitenden aus den Beiträgen vieler zusammenzusetzen,
mögen dies nun die Eintrittsgelder von Konzertbesuchern sein, oder
die Aufwendungen der Bücherkäufer, oder die Steuern der Bürger,
aus denen die Beamtengehälter gezahlt werden. Das tritt recht an
dem Zusammenhang hervor, den die Geldwirtschaft ersichtlich mit dem
Aufkommen mechanischer Reproduktionen hat. Sobald der Buchdruck
erfunden ist, wird für das elendeste Machwerk derselbe Bogenpreis be-
zahlt wie für die erhabenste Dichtung, sobald es Photographien
giebt, ist eine solche der Bella di Tiziano nicht teurer als die
einer Chansonettensängerin, sobald mechanische Herstellungsweisen von
Geräten bestehen, ist eines im edelsten Stil nicht kostbarer als manches
im geschmacklosesten. Wenn der Schöpfer des einen mehr Geld ver-
dient, als der des anderen, so bewirkt dies nur die grössere An-
zahl derer
, von denen jeder für das Produkt dennoch nur ebenso
viel zahlt, wie jeder Abnehmer des anderen. Liegt hierin schon an
und für sich der demokratische Charakter des Geldes, gegenüber den
Ausstattungen der zu honorierenden Persönlichkeiten durch Einzel-
personen in den Formen des Feudalismus oder des Mäzenatentums, so
dient diese Anonymität des Geldgebers, im Gegensatz zu den genannten
anderen Formen, sicherlich der subjektiven Unabhängigkeit und freien
Entwicklung der die Leistung anbietenden Person. Insbesondere das
Überhandnehmen der mechanischen Reproduktionsweisen mit jener
Folge, den Geldpreis von der Qualität unabhängig zu machen, zer-
schneidet das Band, das die spezifische Bezahlung für die spezifische
Leistung zwischen Abnehmern und Produzenten geknüpft hatte. So
thut in dem Differenzierungsprozesse zwischen Person und Leistung
das Geld seinen Dienst für die Unabhängigkeit des Leistenden schliess-
lich ebenso, wenn die Lösung jener ehemals verschmolzenen Elemente
von der Verselbständigung der Person, wie wenn sie von der Verselb-
ständigung der Leistung anhob.

Sehen wir hier auf den Anfang dieser Überlegungen zurück, so
zeigt sich der ganze beschriebene Sonderungsprozess zwischen der
Person und der Sache im genauen Sinne doch als eine Differenzierung
innerhalb der ersteren: es sind die verschiedenen Interessen und Be-

Höhe und Sicherheit der Lebenshaltung, mit der der Persönlichkeit
als ganzer das Äquivalent für ihre Bewährungen geboten wird, eben-
sogut auch in den primitiveren Wirtschaftsformen, durch Belehnung
mit einem Stück Land oder mit Regalien irgendwelcher Art eintreten
konnte. Die spezifische Bedeutung des Geldes innerhalb dieser Reihe
geht nicht von der Seite des Empfangenden, sondern des Gebenden
aus. Denn es ermöglicht, jenes Gesamtäquivalent für das Lebenswerk
eines Arbeitenden aus den Beiträgen vieler zusammenzusetzen,
mögen dies nun die Eintrittsgelder von Konzertbesuchern sein, oder
die Aufwendungen der Bücherkäufer, oder die Steuern der Bürger,
aus denen die Beamtengehälter gezahlt werden. Das tritt recht an
dem Zusammenhang hervor, den die Geldwirtschaft ersichtlich mit dem
Aufkommen mechanischer Reproduktionen hat. Sobald der Buchdruck
erfunden ist, wird für das elendeste Machwerk derselbe Bogenpreis be-
zahlt wie für die erhabenste Dichtung, sobald es Photographien
giebt, ist eine solche der Bella di Tiziano nicht teurer als die
einer Chansonettensängerin, sobald mechanische Herstellungsweisen von
Geräten bestehen, ist eines im edelsten Stil nicht kostbarer als manches
im geschmacklosesten. Wenn der Schöpfer des einen mehr Geld ver-
dient, als der des anderen, so bewirkt dies nur die gröſsere An-
zahl derer
, von denen jeder für das Produkt dennoch nur ebenso
viel zahlt, wie jeder Abnehmer des anderen. Liegt hierin schon an
und für sich der demokratische Charakter des Geldes, gegenüber den
Ausstattungen der zu honorierenden Persönlichkeiten durch Einzel-
personen in den Formen des Feudalismus oder des Mäzenatentums, so
dient diese Anonymität des Geldgebers, im Gegensatz zu den genannten
anderen Formen, sicherlich der subjektiven Unabhängigkeit und freien
Entwicklung der die Leistung anbietenden Person. Insbesondere das
Überhandnehmen der mechanischen Reproduktionsweisen mit jener
Folge, den Geldpreis von der Qualität unabhängig zu machen, zer-
schneidet das Band, das die spezifische Bezahlung für die spezifische
Leistung zwischen Abnehmern und Produzenten geknüpft hatte. So
thut in dem Differenzierungsprozesse zwischen Person und Leistung
das Geld seinen Dienst für die Unabhängigkeit des Leistenden schlieſs-
lich ebenso, wenn die Lösung jener ehemals verschmolzenen Elemente
von der Verselbständigung der Person, wie wenn sie von der Verselb-
ständigung der Leistung anhob.

Sehen wir hier auf den Anfang dieser Überlegungen zurück, so
zeigt sich der ganze beschriebene Sonderungsprozeſs zwischen der
Person und der Sache im genauen Sinne doch als eine Differenzierung
innerhalb der ersteren: es sind die verschiedenen Interessen und Be-

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[349/0373] Höhe und Sicherheit der Lebenshaltung, mit der der Persönlichkeit als ganzer das Äquivalent für ihre Bewährungen geboten wird, eben- sogut auch in den primitiveren Wirtschaftsformen, durch Belehnung mit einem Stück Land oder mit Regalien irgendwelcher Art eintreten konnte. Die spezifische Bedeutung des Geldes innerhalb dieser Reihe geht nicht von der Seite des Empfangenden, sondern des Gebenden aus. Denn es ermöglicht, jenes Gesamtäquivalent für das Lebenswerk eines Arbeitenden aus den Beiträgen vieler zusammenzusetzen, mögen dies nun die Eintrittsgelder von Konzertbesuchern sein, oder die Aufwendungen der Bücherkäufer, oder die Steuern der Bürger, aus denen die Beamtengehälter gezahlt werden. Das tritt recht an dem Zusammenhang hervor, den die Geldwirtschaft ersichtlich mit dem Aufkommen mechanischer Reproduktionen hat. Sobald der Buchdruck erfunden ist, wird für das elendeste Machwerk derselbe Bogenpreis be- zahlt wie für die erhabenste Dichtung, sobald es Photographien giebt, ist eine solche der Bella di Tiziano nicht teurer als die einer Chansonettensängerin, sobald mechanische Herstellungsweisen von Geräten bestehen, ist eines im edelsten Stil nicht kostbarer als manches im geschmacklosesten. Wenn der Schöpfer des einen mehr Geld ver- dient, als der des anderen, so bewirkt dies nur die gröſsere An- zahl derer, von denen jeder für das Produkt dennoch nur ebenso viel zahlt, wie jeder Abnehmer des anderen. Liegt hierin schon an und für sich der demokratische Charakter des Geldes, gegenüber den Ausstattungen der zu honorierenden Persönlichkeiten durch Einzel- personen in den Formen des Feudalismus oder des Mäzenatentums, so dient diese Anonymität des Geldgebers, im Gegensatz zu den genannten anderen Formen, sicherlich der subjektiven Unabhängigkeit und freien Entwicklung der die Leistung anbietenden Person. Insbesondere das Überhandnehmen der mechanischen Reproduktionsweisen mit jener Folge, den Geldpreis von der Qualität unabhängig zu machen, zer- schneidet das Band, das die spezifische Bezahlung für die spezifische Leistung zwischen Abnehmern und Produzenten geknüpft hatte. So thut in dem Differenzierungsprozesse zwischen Person und Leistung das Geld seinen Dienst für die Unabhängigkeit des Leistenden schlieſs- lich ebenso, wenn die Lösung jener ehemals verschmolzenen Elemente von der Verselbständigung der Person, wie wenn sie von der Verselb- ständigung der Leistung anhob. Sehen wir hier auf den Anfang dieser Überlegungen zurück, so zeigt sich der ganze beschriebene Sonderungsprozeſs zwischen der Person und der Sache im genauen Sinne doch als eine Differenzierung innerhalb der ersteren: es sind die verschiedenen Interessen und Be-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/373>, abgerufen am 22.11.2024.