hält ein derartiges Äquivalent nur von dem Standpunkt aus, dass es sich überhaupt gar nicht mit der einzelnen Leistung dem Werte nach decken, sondern nur zu demjenigen Unterhalt des Künstlers beitragen soll, der ein geeignetes Fundament für seine Leistung bildet. So scheint also grade bei den höchsten Produktionen die Entwicklung umzubiegen: das Geldäquivalent gilt nicht mehr der einzelnen Leistung, unter Be- ziehungslosigkeit zu der dahinterstehenden Person, sondern grade dieser Person als Ganzem, unter Beziehungslosigkeit zu ihrer einzelnen Leistung.
Sieht man aber näher zu, so strebt diese Erscheinungsreihe doch demselben Punkte zu, wie jene andere, die ihr Ideal in der reinen Sachlichkeit der ökonomischen Stellung fand. Beide münden gleich- mässig an einer völligen gegenseitigen Verselbständigung der ökono- mischen Leistung und der Persönlichkeit. Denn nichts anderes be- deutet es, wenn der Beamte oder der Künstler nicht für seine ein- zelne Leistung honoriert wird, sondern wenn es der Sinn seines Hono- rars ist, ihm eine gewisse persönliche Lebenshaltung zu ermöglichen. Allerdings ist hier, im Gegensatz zu der früheren Reihe, das Persön- liche mit dem Ökonomischen in Verbindung gesetzt; aber doch so, dass innerhalb des Komplexes der Persönlichkeit selbst die Leistungen, für welche allerdings im letzten Grunde das Äquivalent gegeben wird, sich grade sehr scharf gegen die Gesamtpersönlichkeit, als die Grundlage jener Leistungen, absetzen. Die Befreiung der Persönlichkeit, die in ihrer Differenzierung von der objektiven Leistung liegt, wird in gleicher Weise vollzogen: ob nun von der wachsenden Objektivierung der Leistung ausgehend, die schliesslich für sich allein in die ökonomische Zirkulation eintritt und die Persönlichkeit ganz draussen lässt -- oder anhebend von der Honorierung bezw. Unterhaltung der Persönlichkeit als ganzer, aus der dann die einzelne Leistung ohne direktes und singuläres ökonomisches Äquivalent hervorgeht. In beiden Fällen wird die Persönlichkeit von dem Zwange befreit, den ihre unmittelbare ökonomische Verkettung mit der einzelnen objektiven Leistung ihr auferlegt.
Nun erscheint freilich die zu zweit behandelte Reihe weniger geldwirtschaftlich bedingt als die erste. Wo die gegenseitige Verselb- ständigung zwischen Person und Leistung von der Betonung der letzteren ausgeht, muss das Geld eine grössere Rolle spielen, als wo umgekehrt die Persönlichkeit sozusagen das aktive Element in dem Prozesse ist, sich von der Leistung zu sondern; denn das Geld hat vermöge seines unpersönlichen Charakters und seiner unbedingten Nachgiebigkeit eine besonders starke Wahlverwandtschaft zu der einzelnen Leistung als solcher und eine besondere Kraft, sie hervorzuheben: wogegen jene
hält ein derartiges Äquivalent nur von dem Standpunkt aus, daſs es sich überhaupt gar nicht mit der einzelnen Leistung dem Werte nach decken, sondern nur zu demjenigen Unterhalt des Künstlers beitragen soll, der ein geeignetes Fundament für seine Leistung bildet. So scheint also grade bei den höchsten Produktionen die Entwicklung umzubiegen: das Geldäquivalent gilt nicht mehr der einzelnen Leistung, unter Be- ziehungslosigkeit zu der dahinterstehenden Person, sondern grade dieser Person als Ganzem, unter Beziehungslosigkeit zu ihrer einzelnen Leistung.
Sieht man aber näher zu, so strebt diese Erscheinungsreihe doch demselben Punkte zu, wie jene andere, die ihr Ideal in der reinen Sachlichkeit der ökonomischen Stellung fand. Beide münden gleich- mäſsig an einer völligen gegenseitigen Verselbständigung der ökono- mischen Leistung und der Persönlichkeit. Denn nichts anderes be- deutet es, wenn der Beamte oder der Künstler nicht für seine ein- zelne Leistung honoriert wird, sondern wenn es der Sinn seines Hono- rars ist, ihm eine gewisse persönliche Lebenshaltung zu ermöglichen. Allerdings ist hier, im Gegensatz zu der früheren Reihe, das Persön- liche mit dem Ökonomischen in Verbindung gesetzt; aber doch so, daſs innerhalb des Komplexes der Persönlichkeit selbst die Leistungen, für welche allerdings im letzten Grunde das Äquivalent gegeben wird, sich grade sehr scharf gegen die Gesamtpersönlichkeit, als die Grundlage jener Leistungen, absetzen. Die Befreiung der Persönlichkeit, die in ihrer Differenzierung von der objektiven Leistung liegt, wird in gleicher Weise vollzogen: ob nun von der wachsenden Objektivierung der Leistung ausgehend, die schlieſslich für sich allein in die ökonomische Zirkulation eintritt und die Persönlichkeit ganz drauſsen läſst — oder anhebend von der Honorierung bezw. Unterhaltung der Persönlichkeit als ganzer, aus der dann die einzelne Leistung ohne direktes und singuläres ökonomisches Äquivalent hervorgeht. In beiden Fällen wird die Persönlichkeit von dem Zwange befreit, den ihre unmittelbare ökonomische Verkettung mit der einzelnen objektiven Leistung ihr auferlegt.
Nun erscheint freilich die zu zweit behandelte Reihe weniger geldwirtschaftlich bedingt als die erste. Wo die gegenseitige Verselb- ständigung zwischen Person und Leistung von der Betonung der letzteren ausgeht, muſs das Geld eine gröſsere Rolle spielen, als wo umgekehrt die Persönlichkeit sozusagen das aktive Element in dem Prozesse ist, sich von der Leistung zu sondern; denn das Geld hat vermöge seines unpersönlichen Charakters und seiner unbedingten Nachgiebigkeit eine besonders starke Wahlverwandtschaft zu der einzelnen Leistung als solcher und eine besondere Kraft, sie hervorzuheben: wogegen jene
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hält ein derartiges Äquivalent nur von dem Standpunkt aus, daſs es
sich überhaupt gar nicht mit der einzelnen Leistung dem Werte nach
decken, sondern nur zu demjenigen Unterhalt des Künstlers beitragen
soll, der ein geeignetes Fundament für seine Leistung bildet. So scheint
also grade bei den höchsten Produktionen die Entwicklung umzubiegen:
das Geldäquivalent gilt nicht mehr der einzelnen Leistung, unter Be-
ziehungslosigkeit zu der dahinterstehenden Person, sondern grade dieser
Person als Ganzem, unter Beziehungslosigkeit zu ihrer einzelnen Leistung.
Sieht man aber näher zu, so strebt diese Erscheinungsreihe doch
demselben Punkte zu, wie jene andere, die ihr Ideal in der reinen
Sachlichkeit der ökonomischen Stellung fand. Beide münden gleich-
mäſsig an einer völligen gegenseitigen Verselbständigung der ökono-
mischen Leistung und der Persönlichkeit. Denn nichts anderes be-
deutet es, wenn der Beamte oder der Künstler nicht für seine ein-
zelne Leistung honoriert wird, sondern wenn es der Sinn seines Hono-
rars ist, ihm eine gewisse persönliche Lebenshaltung zu ermöglichen.
Allerdings ist hier, im Gegensatz zu der früheren Reihe, das Persön-
liche mit dem Ökonomischen in Verbindung gesetzt; aber doch so, daſs
innerhalb des Komplexes der Persönlichkeit selbst die Leistungen, für
welche allerdings im letzten Grunde das Äquivalent gegeben wird, sich
grade sehr scharf gegen die Gesamtpersönlichkeit, als die Grundlage
jener Leistungen, absetzen. Die Befreiung der Persönlichkeit, die in
ihrer Differenzierung von der objektiven Leistung liegt, wird in gleicher
Weise vollzogen: ob nun von der wachsenden Objektivierung der
Leistung ausgehend, die schlieſslich für sich allein in die ökonomische
Zirkulation eintritt und die Persönlichkeit ganz drauſsen läſst — oder
anhebend von der Honorierung bezw. Unterhaltung der Persönlichkeit
als ganzer, aus der dann die einzelne Leistung ohne direktes und
singuläres ökonomisches Äquivalent hervorgeht. In beiden Fällen wird
die Persönlichkeit von dem Zwange befreit, den ihre unmittelbare
ökonomische Verkettung mit der einzelnen objektiven Leistung ihr
auferlegt.
Nun erscheint freilich die zu zweit behandelte Reihe weniger
geldwirtschaftlich bedingt als die erste. Wo die gegenseitige Verselb-
ständigung zwischen Person und Leistung von der Betonung der letzteren
ausgeht, muſs das Geld eine gröſsere Rolle spielen, als wo umgekehrt
die Persönlichkeit sozusagen das aktive Element in dem Prozesse ist,
sich von der Leistung zu sondern; denn das Geld hat vermöge seines
unpersönlichen Charakters und seiner unbedingten Nachgiebigkeit eine
besonders starke Wahlverwandtschaft zu der einzelnen Leistung als
solcher und eine besondere Kraft, sie hervorzuheben: wogegen jene
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/372>, abgerufen am 22.11.2024.
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