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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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verständnisse unserer eigenen psychischen Inhalte unterscheiden sich
prinzipiell gar nicht von den subjektiven Veränderungen, die die Vor-
stellungen äusserlich aufgenommener Dinge in uns erleiden. Wie oft
täuschen wir uns nicht auch über Art und Mass unsrer eigenen Gefühle,
und zwar derart, dass das inhaltlich ganz irreale Bewusstseinsbild derselben
in der gleichen Weise weiterwirkt, als wenn es der inneren Wirk-
lichkeit entspräche; wie oft knüpfen sich an die Illusion, dass wir einen
Menschen lieben, oder dass er uns gleichgültig sei, sekundäre Gefühls-
und Willensfolgen von grosser Stärke, bis irgend ein Anstoss uns be-
lehrt, dass die letzte Instanz in uns ja ganz anders entschieden hat.
In welcher Weise dieser merkwürdige Prozess eigentlich stattfindet, in
dem eine imaginäre Grösse sich mit den Kräften einer ganz anders
gerichteten psychischen Realität ausstattet -- das können wir des näheren
nicht beschreiben. Für unsere augenblicklichen Zwecke hat aber die
Art der Verbindung zwischen subjektiven und objektiven Werten nur
die Bedeutung, zu zeigen, dass es überhaupt eine geben kann, damit
es möglich sei, eine Objektivität des Wertes selbst dann anzuerkennen,
wenn man die Subjektivität zu seinem Ausgangspunkt gemacht hat.

Dass der objektive Wert, seiner psychologischen Verwirklichung
nach, dem subjektiven so nahe rückt, droht die prinzipielle Wendung,
die er als verwirklichter vollzieht, zu verdecken. Deshalb versuche ich
jetzt, die Kategorien scharf gegeneinander abzugrenzen, in die er seinem
reinen Wesen nach und in die er nach seiner Beziehung zum subjektiven
gehört. Der Begriff des objektiven, gegen alles Anerkanntwerden gleich-
gültigen Wertes der Dinge ist metaphysisch -- wie es meta-
physisch ist, von der Schönheit des Kosmos als eines Ganzen zu
sprechen, von dem doch immer nur ein verschwindend kleiner Teil
uns ästhetisch fühlbar wird, oder von der sittlichen Weltordnung,
während die uns allein zugängliche Sittlichkeit nur die von Menschen
geleistete ist. Jene fundamentale Fähigkeit des menschlichen Geistes,
sich aus sich herauszusetzen, einen Inhalt zu empfinden, als ob nicht
er als Subjekt ihn empfände, sondern als wäre er nur der Träger
oder Vermittler, an dem eine überpersönliche Kraft oder Notwendig-
keit sich auslebt -- diese Fähigkeit schafft, absolut gewendet, die
metaphysischen Gebilde. Dass der objektive Wert eine empirisch-
psychologische Thatsache ist, darf nicht darüber täuschen, dass der
Inhalt derselben, dasjenige, was sie meint, metaphysischer Natur ist;
in der Praxis des Wertempfindens, in dem Zusammenhang der in
unserem Leben wirksamen Werte tritt der objektive Wert aus jenem
Fürsichsein heraus, oder richtiger: obgleich er in ihm verharrt, tritt
er in eine Beziehung zu seinem subjektiven Gefühltwerden und erhält

verständnisse unserer eigenen psychischen Inhalte unterscheiden sich
prinzipiell gar nicht von den subjektiven Veränderungen, die die Vor-
stellungen äuſserlich aufgenommener Dinge in uns erleiden. Wie oft
täuschen wir uns nicht auch über Art und Maſs unsrer eigenen Gefühle,
und zwar derart, daſs das inhaltlich ganz irreale Bewuſstseinsbild derselben
in der gleichen Weise weiterwirkt, als wenn es der inneren Wirk-
lichkeit entspräche; wie oft knüpfen sich an die Illusion, daſs wir einen
Menschen lieben, oder daſs er uns gleichgültig sei, sekundäre Gefühls-
und Willensfolgen von groſser Stärke, bis irgend ein Anstoſs uns be-
lehrt, daſs die letzte Instanz in uns ja ganz anders entschieden hat.
In welcher Weise dieser merkwürdige Prozeſs eigentlich stattfindet, in
dem eine imaginäre Gröſse sich mit den Kräften einer ganz anders
gerichteten psychischen Realität ausstattet — das können wir des näheren
nicht beschreiben. Für unsere augenblicklichen Zwecke hat aber die
Art der Verbindung zwischen subjektiven und objektiven Werten nur
die Bedeutung, zu zeigen, daſs es überhaupt eine geben kann, damit
es möglich sei, eine Objektivität des Wertes selbst dann anzuerkennen,
wenn man die Subjektivität zu seinem Ausgangspunkt gemacht hat.

Daſs der objektive Wert, seiner psychologischen Verwirklichung
nach, dem subjektiven so nahe rückt, droht die prinzipielle Wendung,
die er als verwirklichter vollzieht, zu verdecken. Deshalb versuche ich
jetzt, die Kategorien scharf gegeneinander abzugrenzen, in die er seinem
reinen Wesen nach und in die er nach seiner Beziehung zum subjektiven
gehört. Der Begriff des objektiven, gegen alles Anerkanntwerden gleich-
gültigen Wertes der Dinge ist metaphysisch — wie es meta-
physisch ist, von der Schönheit des Kosmos als eines Ganzen zu
sprechen, von dem doch immer nur ein verschwindend kleiner Teil
uns ästhetisch fühlbar wird, oder von der sittlichen Weltordnung,
während die uns allein zugängliche Sittlichkeit nur die von Menschen
geleistete ist. Jene fundamentale Fähigkeit des menschlichen Geistes,
sich aus sich herauszusetzen, einen Inhalt zu empfinden, als ob nicht
er als Subjekt ihn empfände, sondern als wäre er nur der Träger
oder Vermittler, an dem eine überpersönliche Kraft oder Notwendig-
keit sich auslebt — diese Fähigkeit schafft, absolut gewendet, die
metaphysischen Gebilde. Daſs der objektive Wert eine empirisch-
psychologische Thatsache ist, darf nicht darüber täuschen, daſs der
Inhalt derselben, dasjenige, was sie meint, metaphysischer Natur ist;
in der Praxis des Wertempfindens, in dem Zusammenhang der in
unserem Leben wirksamen Werte tritt der objektive Wert aus jenem
Fürsichsein heraus, oder richtiger: obgleich er in ihm verharrt, tritt
er in eine Beziehung zu seinem subjektiven Gefühltwerden und erhält

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[12/0036] verständnisse unserer eigenen psychischen Inhalte unterscheiden sich prinzipiell gar nicht von den subjektiven Veränderungen, die die Vor- stellungen äuſserlich aufgenommener Dinge in uns erleiden. Wie oft täuschen wir uns nicht auch über Art und Maſs unsrer eigenen Gefühle, und zwar derart, daſs das inhaltlich ganz irreale Bewuſstseinsbild derselben in der gleichen Weise weiterwirkt, als wenn es der inneren Wirk- lichkeit entspräche; wie oft knüpfen sich an die Illusion, daſs wir einen Menschen lieben, oder daſs er uns gleichgültig sei, sekundäre Gefühls- und Willensfolgen von groſser Stärke, bis irgend ein Anstoſs uns be- lehrt, daſs die letzte Instanz in uns ja ganz anders entschieden hat. In welcher Weise dieser merkwürdige Prozeſs eigentlich stattfindet, in dem eine imaginäre Gröſse sich mit den Kräften einer ganz anders gerichteten psychischen Realität ausstattet — das können wir des näheren nicht beschreiben. Für unsere augenblicklichen Zwecke hat aber die Art der Verbindung zwischen subjektiven und objektiven Werten nur die Bedeutung, zu zeigen, daſs es überhaupt eine geben kann, damit es möglich sei, eine Objektivität des Wertes selbst dann anzuerkennen, wenn man die Subjektivität zu seinem Ausgangspunkt gemacht hat. Daſs der objektive Wert, seiner psychologischen Verwirklichung nach, dem subjektiven so nahe rückt, droht die prinzipielle Wendung, die er als verwirklichter vollzieht, zu verdecken. Deshalb versuche ich jetzt, die Kategorien scharf gegeneinander abzugrenzen, in die er seinem reinen Wesen nach und in die er nach seiner Beziehung zum subjektiven gehört. Der Begriff des objektiven, gegen alles Anerkanntwerden gleich- gültigen Wertes der Dinge ist metaphysisch — wie es meta- physisch ist, von der Schönheit des Kosmos als eines Ganzen zu sprechen, von dem doch immer nur ein verschwindend kleiner Teil uns ästhetisch fühlbar wird, oder von der sittlichen Weltordnung, während die uns allein zugängliche Sittlichkeit nur die von Menschen geleistete ist. Jene fundamentale Fähigkeit des menschlichen Geistes, sich aus sich herauszusetzen, einen Inhalt zu empfinden, als ob nicht er als Subjekt ihn empfände, sondern als wäre er nur der Träger oder Vermittler, an dem eine überpersönliche Kraft oder Notwendig- keit sich auslebt — diese Fähigkeit schafft, absolut gewendet, die metaphysischen Gebilde. Daſs der objektive Wert eine empirisch- psychologische Thatsache ist, darf nicht darüber täuschen, daſs der Inhalt derselben, dasjenige, was sie meint, metaphysischer Natur ist; in der Praxis des Wertempfindens, in dem Zusammenhang der in unserem Leben wirksamen Werte tritt der objektive Wert aus jenem Fürsichsein heraus, oder richtiger: obgleich er in ihm verharrt, tritt er in eine Beziehung zu seinem subjektiven Gefühltwerden und erhält

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/36>, abgerufen am 24.11.2024.