nun bloss geistiger Arbeiter und sozusagen weiter nichts sein konnte. Das Geld ist so sehr nur wirtschaftlicher Wert überhaupt, es steht von jeder ökonomischen Einzelheit soweit ab, dass es, innerhalb der psycho- logischen Zusammenhänge, der rein geistigen Bethätigung die meiste Freiheit lässt; die Ablenkung dieser wird so ein Minimum, die Differen- zierung zwischen den inneren Reihen, die man auch hier als Sein und Haben bezeichnen kann, wird ein Maximum, so dass jene völlige Kon- zentration des Bewusstseins auf die immateriellen Interessen, jenes arbeitsteilige Sich-Selbst-Gehören der Intellektualität möglich wird, das sich in der Entstehung der oben genannten Klassen der bloss geistigen Produktion ausspricht. Man hat die geistige Blüte von Florenz, gegen- über den doch auch reichen und mit Talenten gesegneten Genua und Venedig, teilweise dem Umstande zugeschrieben, dass diese beiden während des Mittelalters wesentlich Warenhändler, die Florentiner aber schon seit dem 13. Jahrhundert hauptsächlich als Bankiers reich ge- worden waren. Die Natur dieses Erwerbes fordere weniger Einzel- arbeit, und so habe sie ihnen mehr Freiheit für die Ausbildung höherer Interessen gelassen! -- Eine Erscheinung, die auf den ersten Blick dieser befreienden Wirksamkeit des Geldes entgegengesetzt ist, weil sie es immer enger an die Person herandrängt, hat schliesslich dennoch den gleichen Sinn: die Entwicklung der direkten Steuer. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war dieselbe allenthalben an das Objekt geknüpft: der Grund und Boden, Gebäude, Gewerbe, der Besitz jeder Art trug die Steuer, gleichviel in welchen persönlichen Verhältnissen sich der Besitzer oder Gewerbetreibende befand, ob er verschuldet war, ob er wirklich den normalen Ertrag herauswirtschaftete. Zur Individualität als solcher verhält sich diese Steuerform nicht viel adäquater als die Kopfsteuer, die freilich von allen bekannten Steuer- formen die unpersönlichste ist; denn selbst die Realsteuer trifft doch eben den Besitzer des Objekts, der durch diesen Besitz irgendwie individuell bestimmt und von andern, die keinen genau gleichen zu eigen haben, unterschieden ist. Der Objektsteuer, die zwar nicht in der Zeitfolge, aber doch sozusagen systematisch die zweite, dem Perso- nalismus zustrebende Stufe bildet, folgte nun historisch die Klassen- steuer. Hier gab allerdings auch noch nicht das wirkliche individuelle Einkommen des Bürgers das Fundament ab, sondern es wurden nach den hauptsächlichsten sozialen und ökonomischen Unterschieden grosse Klassen gebildet, in deren weiter Grenze der Einzelne, aber immerhin doch nach seiner sozialen und wirtschaftlichen Gesamtlage, eingestellt wurde. Erst die heutige Staatssteuer fasst das genaue personale Ein- kommen, so dass alles einzelne Objektive zu einem blossen Element
nun bloſs geistiger Arbeiter und sozusagen weiter nichts sein konnte. Das Geld ist so sehr nur wirtschaftlicher Wert überhaupt, es steht von jeder ökonomischen Einzelheit soweit ab, daſs es, innerhalb der psycho- logischen Zusammenhänge, der rein geistigen Bethätigung die meiste Freiheit läſst; die Ablenkung dieser wird so ein Minimum, die Differen- zierung zwischen den inneren Reihen, die man auch hier als Sein und Haben bezeichnen kann, wird ein Maximum, so daſs jene völlige Kon- zentration des Bewuſstseins auf die immateriellen Interessen, jenes arbeitsteilige Sich-Selbst-Gehören der Intellektualität möglich wird, das sich in der Entstehung der oben genannten Klassen der bloſs geistigen Produktion ausspricht. Man hat die geistige Blüte von Florenz, gegen- über den doch auch reichen und mit Talenten gesegneten Genua und Venedig, teilweise dem Umstande zugeschrieben, daſs diese beiden während des Mittelalters wesentlich Warenhändler, die Florentiner aber schon seit dem 13. Jahrhundert hauptsächlich als Bankiers reich ge- worden waren. Die Natur dieses Erwerbes fordere weniger Einzel- arbeit, und so habe sie ihnen mehr Freiheit für die Ausbildung höherer Interessen gelassen! — Eine Erscheinung, die auf den ersten Blick dieser befreienden Wirksamkeit des Geldes entgegengesetzt ist, weil sie es immer enger an die Person herandrängt, hat schlieſslich dennoch den gleichen Sinn: die Entwicklung der direkten Steuer. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war dieselbe allenthalben an das Objekt geknüpft: der Grund und Boden, Gebäude, Gewerbe, der Besitz jeder Art trug die Steuer, gleichviel in welchen persönlichen Verhältnissen sich der Besitzer oder Gewerbetreibende befand, ob er verschuldet war, ob er wirklich den normalen Ertrag herauswirtschaftete. Zur Individualität als solcher verhält sich diese Steuerform nicht viel adäquater als die Kopfsteuer, die freilich von allen bekannten Steuer- formen die unpersönlichste ist; denn selbst die Realsteuer trifft doch eben den Besitzer des Objekts, der durch diesen Besitz irgendwie individuell bestimmt und von andern, die keinen genau gleichen zu eigen haben, unterschieden ist. Der Objektsteuer, die zwar nicht in der Zeitfolge, aber doch sozusagen systematisch die zweite, dem Perso- nalismus zustrebende Stufe bildet, folgte nun historisch die Klassen- steuer. Hier gab allerdings auch noch nicht das wirkliche individuelle Einkommen des Bürgers das Fundament ab, sondern es wurden nach den hauptsächlichsten sozialen und ökonomischen Unterschieden groſse Klassen gebildet, in deren weiter Grenze der Einzelne, aber immerhin doch nach seiner sozialen und wirtschaftlichen Gesamtlage, eingestellt wurde. Erst die heutige Staatssteuer faſst das genaue personale Ein- kommen, so daſs alles einzelne Objektive zu einem bloſsen Element
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nun bloſs geistiger Arbeiter und sozusagen weiter nichts sein konnte.
Das Geld ist so sehr nur wirtschaftlicher Wert überhaupt, es steht von
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logischen Zusammenhänge, der rein geistigen Bethätigung die meiste
Freiheit läſst; die Ablenkung dieser wird so ein Minimum, die Differen-
zierung zwischen den inneren Reihen, die man auch hier als Sein und
Haben bezeichnen kann, wird ein Maximum, so daſs jene völlige Kon-
zentration des Bewuſstseins auf die immateriellen Interessen, jenes
arbeitsteilige Sich-Selbst-Gehören der Intellektualität möglich wird, das
sich in der Entstehung der oben genannten Klassen der bloſs geistigen
Produktion ausspricht. Man hat die geistige Blüte von Florenz, gegen-
über den doch auch reichen und mit Talenten gesegneten Genua und
Venedig, teilweise dem Umstande zugeschrieben, daſs diese beiden
während des Mittelalters wesentlich Warenhändler, die Florentiner aber
schon seit dem 13. Jahrhundert hauptsächlich als Bankiers reich ge-
worden waren. Die Natur dieses Erwerbes fordere weniger Einzel-
arbeit, und so habe sie ihnen mehr Freiheit für die Ausbildung höherer
Interessen gelassen! — Eine Erscheinung, die auf den ersten Blick
dieser befreienden Wirksamkeit des Geldes entgegengesetzt ist, weil
sie es immer enger an die Person herandrängt, hat schlieſslich dennoch
den gleichen Sinn: die Entwicklung der direkten Steuer. In den
ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war dieselbe allenthalben an
das Objekt geknüpft: der Grund und Boden, Gebäude, Gewerbe, der
Besitz jeder Art trug die Steuer, gleichviel in welchen persönlichen
Verhältnissen sich der Besitzer oder Gewerbetreibende befand, ob er
verschuldet war, ob er wirklich den normalen Ertrag herauswirtschaftete.
Zur Individualität als solcher verhält sich diese Steuerform nicht viel
adäquater als die Kopfsteuer, die freilich von allen bekannten Steuer-
formen die unpersönlichste ist; denn selbst die Realsteuer trifft doch
eben den Besitzer des Objekts, der durch diesen Besitz irgendwie
individuell bestimmt und von andern, die keinen genau gleichen zu
eigen haben, unterschieden ist. Der Objektsteuer, die zwar nicht in
der Zeitfolge, aber doch sozusagen systematisch die zweite, dem Perso-
nalismus zustrebende Stufe bildet, folgte nun historisch die Klassen-
steuer. Hier gab allerdings auch noch nicht das wirkliche individuelle
Einkommen des Bürgers das Fundament ab, sondern es wurden nach
den hauptsächlichsten sozialen und ökonomischen Unterschieden groſse
Klassen gebildet, in deren weiter Grenze der Einzelne, aber immerhin
doch nach seiner sozialen und wirtschaftlichen Gesamtlage, eingestellt
wurde. Erst die heutige Staatssteuer faſst das genaue personale Ein-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/341>, abgerufen am 22.11.2024.
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