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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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psychologie beweisen. Und zwar ist nicht dies der Vorgang, dass zwei
an sich getrennte Reihen irrtümlich verschmelzen und sich verwirren;
sondern die Zweiheit besteht überhaupt noch nicht, weder abstrakt noch
in thatsächlicher Anwendung, die Vorstellungsinhalte treten von vorn-
herein als völlig einheitliche Gebilde auf, deren Einheit nicht in einem
Zusammengehen jener Gegensätze, sondern in der Unberührtheit durch
den Gegensatz überhaupt besteht. So entwickeln sich Lebensinhalte,
wie die vorhin genannten, unmittelbar in personaler Form; die Be-
tonung des Ich einerseits, der Sache andrerseits geht erst als Erfolg
eines langen, niemals ganz abzuschliessenden Differenzierungsprozesses
aus der ursprünglichen naiven Einheitsform hervor. Dieses Heraus-
bilden der Persönlichkeit aus dem Indifferenzzustande der Lebens-
inhalte, der nach der andern Seite hin die Objektivität der Dinge
aus sich hervortreibt, ist nun zugleich der Entstehungsprozess der
Freiheit. Was wir Freiheit nennen, steht mit dem Prinzip der
Persönlichkeit im engsten Zusammenhang, in so engem, dass die
Moralphilosophie oft genug beide Begriffe als identisch proklamiert
hat. Jene Einheit psychischer Elemente, jenes Zusammengeführtsein
ihrer wie in einem Punkt, jene feste Umschriebenheit und Unver-
wechselbarkeit des Wesens, die wir eben Persönlichkeit nennen -- be-
deutet doch die Unabhängigkeit und den Abschluss allem Äusseren
gegenüber, die Entwicklung ausschliesslich nach den Gesetzen des
eigenen Wesens, die wir Freiheit nennen. In beiden Begriffen liegt
gleichmässig die Betonung eines letzten und tiefsten Punktes in unserem
Wesen, der sich allem Dinglichen, Äusseren, Sinnlichen -- sowohl ausser-
halb wie innerhalb unserer eigenen Natur -- gegenüberstellt, beides
sind nur zwei Ausdrücke für die eine Thatsache, dass hier dem natür-
lichen, kontinuierlichen, sachlich bestimmten Sein ein Gegenpart ent-
standen ist, der seine Besonderung nicht nur in dem Anspruch auf eine
Ausnahmestellung diesen gegenüber, sondern ebenso in dem Ringen
nach einer Versöhnung mit ihnen zeigt. Wenn nun die Vorstellung der
Persönlichkeit, als Gegenstück und Korrelat zu der der Sachlich-
keit, im gleichen Masse wie diese erwachsen muss, so wird nun aus
diesem Zusammenhang klar, dass eine strengere Ausbildung der Sach-
lichkeitsbegriffe mit einer ebensolchen der individuellen Freiheit Hand
in Hand geht. So sehen wir die eigentümliche Parallelbewegung
der letzten drei Jahrhunderte: dass einerseits die Naturgesetzlichkeit,
die sachliche Ordnung der Dinge, die objektive Notwendigkeit des
Geschehens immer klarer und exakter hervortritt, und auf der andern
Seite die Betonung der unabhängigen Individualität, der persönlichen
Freiheit, des Fürsichseins gegenüber allen äusseren und Naturgewalten

psychologie beweisen. Und zwar ist nicht dies der Vorgang, daſs zwei
an sich getrennte Reihen irrtümlich verschmelzen und sich verwirren;
sondern die Zweiheit besteht überhaupt noch nicht, weder abstrakt noch
in thatsächlicher Anwendung, die Vorstellungsinhalte treten von vorn-
herein als völlig einheitliche Gebilde auf, deren Einheit nicht in einem
Zusammengehen jener Gegensätze, sondern in der Unberührtheit durch
den Gegensatz überhaupt besteht. So entwickeln sich Lebensinhalte,
wie die vorhin genannten, unmittelbar in personaler Form; die Be-
tonung des Ich einerseits, der Sache andrerseits geht erst als Erfolg
eines langen, niemals ganz abzuschlieſsenden Differenzierungsprozesses
aus der ursprünglichen naiven Einheitsform hervor. Dieses Heraus-
bilden der Persönlichkeit aus dem Indifferenzzustande der Lebens-
inhalte, der nach der andern Seite hin die Objektivität der Dinge
aus sich hervortreibt, ist nun zugleich der Entstehungsprozeſs der
Freiheit. Was wir Freiheit nennen, steht mit dem Prinzip der
Persönlichkeit im engsten Zusammenhang, in so engem, daſs die
Moralphilosophie oft genug beide Begriffe als identisch proklamiert
hat. Jene Einheit psychischer Elemente, jenes Zusammengeführtsein
ihrer wie in einem Punkt, jene feste Umschriebenheit und Unver-
wechselbarkeit des Wesens, die wir eben Persönlichkeit nennen — be-
deutet doch die Unabhängigkeit und den Abschluſs allem Äuſseren
gegenüber, die Entwicklung ausschlieſslich nach den Gesetzen des
eigenen Wesens, die wir Freiheit nennen. In beiden Begriffen liegt
gleichmäſsig die Betonung eines letzten und tiefsten Punktes in unserem
Wesen, der sich allem Dinglichen, Äuſseren, Sinnlichen — sowohl auſser-
halb wie innerhalb unserer eigenen Natur — gegenüberstellt, beides
sind nur zwei Ausdrücke für die eine Thatsache, daſs hier dem natür-
lichen, kontinuierlichen, sachlich bestimmten Sein ein Gegenpart ent-
standen ist, der seine Besonderung nicht nur in dem Anspruch auf eine
Ausnahmestellung diesen gegenüber, sondern ebenso in dem Ringen
nach einer Versöhnung mit ihnen zeigt. Wenn nun die Vorstellung der
Persönlichkeit, als Gegenstück und Korrelat zu der der Sachlich-
keit, im gleichen Maſse wie diese erwachsen muſs, so wird nun aus
diesem Zusammenhang klar, daſs eine strengere Ausbildung der Sach-
lichkeitsbegriffe mit einer ebensolchen der individuellen Freiheit Hand
in Hand geht. So sehen wir die eigentümliche Parallelbewegung
der letzten drei Jahrhunderte: daſs einerseits die Naturgesetzlichkeit,
die sachliche Ordnung der Dinge, die objektive Notwendigkeit des
Geschehens immer klarer und exakter hervortritt, und auf der andern
Seite die Betonung der unabhängigen Individualität, der persönlichen
Freiheit, des Fürsichseins gegenüber allen äuſseren und Naturgewalten

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[300/0324] psychologie beweisen. Und zwar ist nicht dies der Vorgang, daſs zwei an sich getrennte Reihen irrtümlich verschmelzen und sich verwirren; sondern die Zweiheit besteht überhaupt noch nicht, weder abstrakt noch in thatsächlicher Anwendung, die Vorstellungsinhalte treten von vorn- herein als völlig einheitliche Gebilde auf, deren Einheit nicht in einem Zusammengehen jener Gegensätze, sondern in der Unberührtheit durch den Gegensatz überhaupt besteht. So entwickeln sich Lebensinhalte, wie die vorhin genannten, unmittelbar in personaler Form; die Be- tonung des Ich einerseits, der Sache andrerseits geht erst als Erfolg eines langen, niemals ganz abzuschlieſsenden Differenzierungsprozesses aus der ursprünglichen naiven Einheitsform hervor. Dieses Heraus- bilden der Persönlichkeit aus dem Indifferenzzustande der Lebens- inhalte, der nach der andern Seite hin die Objektivität der Dinge aus sich hervortreibt, ist nun zugleich der Entstehungsprozeſs der Freiheit. Was wir Freiheit nennen, steht mit dem Prinzip der Persönlichkeit im engsten Zusammenhang, in so engem, daſs die Moralphilosophie oft genug beide Begriffe als identisch proklamiert hat. Jene Einheit psychischer Elemente, jenes Zusammengeführtsein ihrer wie in einem Punkt, jene feste Umschriebenheit und Unver- wechselbarkeit des Wesens, die wir eben Persönlichkeit nennen — be- deutet doch die Unabhängigkeit und den Abschluſs allem Äuſseren gegenüber, die Entwicklung ausschlieſslich nach den Gesetzen des eigenen Wesens, die wir Freiheit nennen. In beiden Begriffen liegt gleichmäſsig die Betonung eines letzten und tiefsten Punktes in unserem Wesen, der sich allem Dinglichen, Äuſseren, Sinnlichen — sowohl auſser- halb wie innerhalb unserer eigenen Natur — gegenüberstellt, beides sind nur zwei Ausdrücke für die eine Thatsache, daſs hier dem natür- lichen, kontinuierlichen, sachlich bestimmten Sein ein Gegenpart ent- standen ist, der seine Besonderung nicht nur in dem Anspruch auf eine Ausnahmestellung diesen gegenüber, sondern ebenso in dem Ringen nach einer Versöhnung mit ihnen zeigt. Wenn nun die Vorstellung der Persönlichkeit, als Gegenstück und Korrelat zu der der Sachlich- keit, im gleichen Maſse wie diese erwachsen muſs, so wird nun aus diesem Zusammenhang klar, daſs eine strengere Ausbildung der Sach- lichkeitsbegriffe mit einer ebensolchen der individuellen Freiheit Hand in Hand geht. So sehen wir die eigentümliche Parallelbewegung der letzten drei Jahrhunderte: daſs einerseits die Naturgesetzlichkeit, die sachliche Ordnung der Dinge, die objektive Notwendigkeit des Geschehens immer klarer und exakter hervortritt, und auf der andern Seite die Betonung der unabhängigen Individualität, der persönlichen Freiheit, des Fürsichseins gegenüber allen äuſseren und Naturgewalten

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/324>, abgerufen am 22.11.2024.