nomische Reaktion erst auf die Vorstellung des aufgewendeten Geldes hin. In sehr bezeichnender Weise tritt dies bei zwei äusserlich ganz entgegengesetzten Erscheinungen hervor. Geschenke werden von vielen Seiten erst als voll gerechnet, wenn der Schenker Geld dafür aus- gegeben hat; zu schenken, was man selbst besitzt, erscheint als schäbig, illegitim, unzureichend. Nur bei ganz feinsinnigen und hochstehenden Menschen begegnet es, dass sie ein Geschenk am höchsten schätzen, das der andere selbst besessen hat. Das Bewusstsein, dass der Geber ein Opfer für ihn gebracht hat, tritt also bei dem Beschenkten erst ein, wenn dieses Opfer in Geldform gebracht ist. Andrerseits wirkt doch grade ein Geldgeschenk in höheren Kreisen direkt deklassierend, und auch dienende Personen, Kutscher, Boten u. s. w. sind oft weit er- kenntlicher für eine Zigarre als für ein Trinkgeld, das vielleicht den Wert von drei Zigarren hat. Hier ist das Entscheidende, dass die Gabe eben nicht als ökonomische wirken darf oder dass wenigstens das Zurücktretenlassen ihres ökonomischen Charakters als besondere Kordialität wirkt. In dem ersteren wie in diesen Fällen reizt also der Wert erst in der Geldform das Bewusstsein als ökonomisches und je nach den Empfindungen, die dies weiterhin auslöst, wird das gleiche Verfahren erwünscht oder perhorresziert sein. In eine so kontinuierliche Reihe die ausgebildete Geldwirtschaft die wirtschaft- lichen Objekte fügen mag -- zwischen diesen und dem Geld selbst schafft sie (was Warengeld-Epochen weniger thun werden) einen so generellen Unterschied, dass das Entstehen einer grade nur auf den Geldwert reagierenden Bewusstseinsschwelle durchaus erklärlich wird.
Sehr durchsichtig ist die Bedeutung des Geldes bei den früher besprochenen Schwellen- und Unterschiedserscheinungen, die auf allen Gebieten der ökonomischen (und anderweitigen) Werte festzustellen sind und für deren Typus die durch das Geld bestimmten Verhält- nisse hier nur eine besonders reine und gesteigerte Form geben. Das ist zunächst die Folge der Qualitätlosigkeit des Geldes, die es völlig ausschliesst, dass ein Quantum desselben die Wirkungen, die es im Unterschiede gegen ein anderes ausübt, irgend welchen inneren spezifischen Eigenschaften verdanke. Wo sonst eine in einheitlicher Richtung aufsteigende Ursachenreihe in ihren verschiedenen Stadien alternierende Unterschiede ihrer Wirkungen hervorruft, da werden in der Regel nur ganz besondere Vorsichtsmassregeln des Erkennens uns sicher machen, dass der höhere Abschnitt jener Ursachenreihe an und für sich dem tieferen ununterscheidbar gleich ist und die Verschieden- heit seines Erfolges wirklich nur seinem Hinzukommen zu diesem verdankt. Beim Geld steht das von vornherein und seiner Natur nach
nomische Reaktion erst auf die Vorstellung des aufgewendeten Geldes hin. In sehr bezeichnender Weise tritt dies bei zwei äuſserlich ganz entgegengesetzten Erscheinungen hervor. Geschenke werden von vielen Seiten erst als voll gerechnet, wenn der Schenker Geld dafür aus- gegeben hat; zu schenken, was man selbst besitzt, erscheint als schäbig, illegitim, unzureichend. Nur bei ganz feinsinnigen und hochstehenden Menschen begegnet es, daſs sie ein Geschenk am höchsten schätzen, das der andere selbst besessen hat. Das Bewuſstsein, daſs der Geber ein Opfer für ihn gebracht hat, tritt also bei dem Beschenkten erst ein, wenn dieses Opfer in Geldform gebracht ist. Andrerseits wirkt doch grade ein Geldgeschenk in höheren Kreisen direkt deklassierend, und auch dienende Personen, Kutscher, Boten u. s. w. sind oft weit er- kenntlicher für eine Zigarre als für ein Trinkgeld, das vielleicht den Wert von drei Zigarren hat. Hier ist das Entscheidende, daſs die Gabe eben nicht als ökonomische wirken darf oder daſs wenigstens das Zurücktretenlassen ihres ökonomischen Charakters als besondere Kordialität wirkt. In dem ersteren wie in diesen Fällen reizt also der Wert erst in der Geldform das Bewuſstsein als ökonomisches und je nach den Empfindungen, die dies weiterhin auslöst, wird das gleiche Verfahren erwünscht oder perhorresziert sein. In eine so kontinuierliche Reihe die ausgebildete Geldwirtschaft die wirtschaft- lichen Objekte fügen mag — zwischen diesen und dem Geld selbst schafft sie (was Warengeld-Epochen weniger thun werden) einen so generellen Unterschied, daſs das Entstehen einer grade nur auf den Geldwert reagierenden Bewuſstseinsschwelle durchaus erklärlich wird.
Sehr durchsichtig ist die Bedeutung des Geldes bei den früher besprochenen Schwellen- und Unterschiedserscheinungen, die auf allen Gebieten der ökonomischen (und anderweitigen) Werte festzustellen sind und für deren Typus die durch das Geld bestimmten Verhält- nisse hier nur eine besonders reine und gesteigerte Form geben. Das ist zunächst die Folge der Qualitätlosigkeit des Geldes, die es völlig ausschlieſst, daſs ein Quantum desselben die Wirkungen, die es im Unterschiede gegen ein anderes ausübt, irgend welchen inneren spezifischen Eigenschaften verdanke. Wo sonst eine in einheitlicher Richtung aufsteigende Ursachenreihe in ihren verschiedenen Stadien alternierende Unterschiede ihrer Wirkungen hervorruft, da werden in der Regel nur ganz besondere Vorsichtsmaſsregeln des Erkennens uns sicher machen, daſs der höhere Abschnitt jener Ursachenreihe an und für sich dem tieferen ununterscheidbar gleich ist und die Verschieden- heit seines Erfolges wirklich nur seinem Hinzukommen zu diesem verdankt. Beim Geld steht das von vornherein und seiner Natur nach
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[263/0287]
nomische Reaktion erst auf die Vorstellung des aufgewendeten Geldes
hin. In sehr bezeichnender Weise tritt dies bei zwei äuſserlich ganz
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Seiten erst als voll gerechnet, wenn der Schenker Geld dafür aus-
gegeben hat; zu schenken, was man selbst besitzt, erscheint als schäbig,
illegitim, unzureichend. Nur bei ganz feinsinnigen und hochstehenden
Menschen begegnet es, daſs sie ein Geschenk am höchsten schätzen,
das der andere selbst besessen hat. Das Bewuſstsein, daſs der Geber
ein Opfer für ihn gebracht hat, tritt also bei dem Beschenkten erst ein,
wenn dieses Opfer in Geldform gebracht ist. Andrerseits wirkt doch
grade ein Geldgeschenk in höheren Kreisen direkt deklassierend, und
auch dienende Personen, Kutscher, Boten u. s. w. sind oft weit er-
kenntlicher für eine Zigarre als für ein Trinkgeld, das vielleicht den
Wert von drei Zigarren hat. Hier ist das Entscheidende, daſs die
Gabe eben nicht als ökonomische wirken darf oder daſs wenigstens
das Zurücktretenlassen ihres ökonomischen Charakters als besondere
Kordialität wirkt. In dem ersteren wie in diesen Fällen reizt also
der Wert erst in der Geldform das Bewuſstsein als ökonomisches
und je nach den Empfindungen, die dies weiterhin auslöst, wird das
gleiche Verfahren erwünscht oder perhorresziert sein. In eine so
kontinuierliche Reihe die ausgebildete Geldwirtschaft die wirtschaft-
lichen Objekte fügen mag — zwischen diesen und dem Geld selbst
schafft sie (was Warengeld-Epochen weniger thun werden) einen so
generellen Unterschied, daſs das Entstehen einer grade nur auf den
Geldwert reagierenden Bewuſstseinsschwelle durchaus erklärlich wird.
Sehr durchsichtig ist die Bedeutung des Geldes bei den früher
besprochenen Schwellen- und Unterschiedserscheinungen, die auf allen
Gebieten der ökonomischen (und anderweitigen) Werte festzustellen
sind und für deren Typus die durch das Geld bestimmten Verhält-
nisse hier nur eine besonders reine und gesteigerte Form geben.
Das ist zunächst die Folge der Qualitätlosigkeit des Geldes, die es
völlig ausschlieſst, daſs ein Quantum desselben die Wirkungen, die es
im Unterschiede gegen ein anderes ausübt, irgend welchen inneren
spezifischen Eigenschaften verdanke. Wo sonst eine in einheitlicher
Richtung aufsteigende Ursachenreihe in ihren verschiedenen Stadien
alternierende Unterschiede ihrer Wirkungen hervorruft, da werden in
der Regel nur ganz besondere Vorsichtsmaſsregeln des Erkennens uns
sicher machen, daſs der höhere Abschnitt jener Ursachenreihe an und
für sich dem tieferen ununterscheidbar gleich ist und die Verschieden-
heit seines Erfolges wirklich nur seinem Hinzukommen zu diesem
verdankt. Beim Geld steht das von vornherein und seiner Natur nach
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/287>, abgerufen am 24.11.2024.
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