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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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weise, wenn es aus Edelmetall besteht, oder völlig, wenn es Papier
oder Scheidemünze ist. Ein chinesisches Gesetz drückt im ersteren
Falle das Monopol der Regierung dadurch mit charakteristischer Schärfe
aus, dass es den Falschmünzer, der aus echtem Metall münzt, schwerer
bestraft als den, der es aus minderwertigem thut: weil, so wird dies
begründet, er grade damit in unziemlichere Konkurrenz mit der Re-
gierung träte und in ihre Prärogative tiefer eingriffe, als im letzteren
Fall! Wenn jeder Beliebige Geld prägen könnte, so würde sein
Wert allerdings auf Materialwert und Formwert sinken, -- womit
denn jenes Monopol mit seinen Vorteilen hinwegfiele. Deshalb ist
von ethnologischer Seite bemerkt worden, dass, wo jeder selbst Geld
beliebig herstellen kann, wie beim Muschelgeld, die Machtstellung der
Reichen und der Häuptlinge sehr leicht erschüttert wird. Umgekehrt
hat an dem Privileg des Staates für die Herstellung des Geldes jeder
Geldbesitzer pro rata teil -- wie der Käufer eines patentierten Gegen-
standes an dem Patent des Erfinders. Vermöge des der Zentralgewalt
vorbehaltenen Prägerechts, das dem Geld die stete Möglichkeit, wirk-
lich als Geld zu funktionieren, garantiert -- gewinnen diese Funk-
tionen nun ihrerseits die Möglichkeit, dem Material- und Formwert
des Geldes ein weiteres wirksames Wertquantum hinzuzufügen, oder,
wo jene fortfallen, ihm überhaupt einen Wert zu verschaffen. Sehr
bezeichnend ist hierfür eine Norm des römischen Rechts, schon aus
der republikanischen Zeit. Seit der Einführung der geprägten Münze
statt des gewogenen Kupfergeldes haben die Römer darauf gehalten,
dass dieselbe rechtlich für ihren konventionellen Wert acceptiert werde,
gleichviel, ob ihr Effektivwert damit stimmte oder nicht. Diese Un-
abhängigkeit vom Metall aber fordert sogleich die Zusatzbestimmung:
Geld sei überhaupt nur eben diese Münze, jede andre sei blosse
Ware; nur bei Forderung auf jene kann man mit der strengen Geld-
schuldklage vorgehen, alle sonstigen Geldschulden sind, wie Waren-
schulden, nur auf den wirklichen, also durch ihr Nominal als Geld
nicht beeinflussten Wert (quanti ea res est) einzuklagen. Das heisst
also, der Wert des anderen Geldes war nicht Geldwert, sondern Stoff-
wert, weil man der legalen Münze die Funktion des Geldes vorbehielt.
Eben dadurch erhielt sie den Wert, den die andern Münzen nur durch
ihren Gehalt erreichen konnten, und rechtfertigte es, dass sie unabhängig
von ihrem inneren Werte galt. Wie ein Litermass wirtschaftlichen
Wert hat, nicht weil es Material und Form enthält -- denn wenn es
nicht durch diese zu einem ausserhalb ihrer liegenden Zwecke ver-
wendbar wäre, so würde kein Mensch ihm nachfragen -- sondern weil
es die Funktion des Messens zweckmässig erfüllt, so hat auch das Geld

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weise, wenn es aus Edelmetall besteht, oder völlig, wenn es Papier
oder Scheidemünze ist. Ein chinesisches Gesetz drückt im ersteren
Falle das Monopol der Regierung dadurch mit charakteristischer Schärfe
aus, daſs es den Falschmünzer, der aus echtem Metall münzt, schwerer
bestraft als den, der es aus minderwertigem thut: weil, so wird dies
begründet, er grade damit in unziemlichere Konkurrenz mit der Re-
gierung träte und in ihre Prärogative tiefer eingriffe, als im letzteren
Fall! Wenn jeder Beliebige Geld prägen könnte, so würde sein
Wert allerdings auf Materialwert und Formwert sinken, — womit
denn jenes Monopol mit seinen Vorteilen hinwegfiele. Deshalb ist
von ethnologischer Seite bemerkt worden, daſs, wo jeder selbst Geld
beliebig herstellen kann, wie beim Muschelgeld, die Machtstellung der
Reichen und der Häuptlinge sehr leicht erschüttert wird. Umgekehrt
hat an dem Privileg des Staates für die Herstellung des Geldes jeder
Geldbesitzer pro rata teil — wie der Käufer eines patentierten Gegen-
standes an dem Patent des Erfinders. Vermöge des der Zentralgewalt
vorbehaltenen Prägerechts, das dem Geld die stete Möglichkeit, wirk-
lich als Geld zu funktionieren, garantiert — gewinnen diese Funk-
tionen nun ihrerseits die Möglichkeit, dem Material- und Formwert
des Geldes ein weiteres wirksames Wertquantum hinzuzufügen, oder,
wo jene fortfallen, ihm überhaupt einen Wert zu verschaffen. Sehr
bezeichnend ist hierfür eine Norm des römischen Rechts, schon aus
der republikanischen Zeit. Seit der Einführung der geprägten Münze
statt des gewogenen Kupfergeldes haben die Römer darauf gehalten,
daſs dieselbe rechtlich für ihren konventionellen Wert acceptiert werde,
gleichviel, ob ihr Effektivwert damit stimmte oder nicht. Diese Un-
abhängigkeit vom Metall aber fordert sogleich die Zusatzbestimmung:
Geld sei überhaupt nur eben diese Münze, jede andre sei bloſse
Ware; nur bei Forderung auf jene kann man mit der strengen Geld-
schuldklage vorgehen, alle sonstigen Geldschulden sind, wie Waren-
schulden, nur auf den wirklichen, also durch ihr Nominal als Geld
nicht beeinfluſsten Wert (quanti ea res est) einzuklagen. Das heiſst
also, der Wert des anderen Geldes war nicht Geldwert, sondern Stoff-
wert, weil man der legalen Münze die Funktion des Geldes vorbehielt.
Eben dadurch erhielt sie den Wert, den die andern Münzen nur durch
ihren Gehalt erreichen konnten, und rechtfertigte es, daſs sie unabhängig
von ihrem inneren Werte galt. Wie ein Litermaſs wirtschaftlichen
Wert hat, nicht weil es Material und Form enthält — denn wenn es
nicht durch diese zu einem auſserhalb ihrer liegenden Zwecke ver-
wendbar wäre, so würde kein Mensch ihm nachfragen — sondern weil
es die Funktion des Messens zweckmäſsig erfüllt, so hat auch das Geld

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[179/0203] weise, wenn es aus Edelmetall besteht, oder völlig, wenn es Papier oder Scheidemünze ist. Ein chinesisches Gesetz drückt im ersteren Falle das Monopol der Regierung dadurch mit charakteristischer Schärfe aus, daſs es den Falschmünzer, der aus echtem Metall münzt, schwerer bestraft als den, der es aus minderwertigem thut: weil, so wird dies begründet, er grade damit in unziemlichere Konkurrenz mit der Re- gierung träte und in ihre Prärogative tiefer eingriffe, als im letzteren Fall! Wenn jeder Beliebige Geld prägen könnte, so würde sein Wert allerdings auf Materialwert und Formwert sinken, — womit denn jenes Monopol mit seinen Vorteilen hinwegfiele. Deshalb ist von ethnologischer Seite bemerkt worden, daſs, wo jeder selbst Geld beliebig herstellen kann, wie beim Muschelgeld, die Machtstellung der Reichen und der Häuptlinge sehr leicht erschüttert wird. Umgekehrt hat an dem Privileg des Staates für die Herstellung des Geldes jeder Geldbesitzer pro rata teil — wie der Käufer eines patentierten Gegen- standes an dem Patent des Erfinders. Vermöge des der Zentralgewalt vorbehaltenen Prägerechts, das dem Geld die stete Möglichkeit, wirk- lich als Geld zu funktionieren, garantiert — gewinnen diese Funk- tionen nun ihrerseits die Möglichkeit, dem Material- und Formwert des Geldes ein weiteres wirksames Wertquantum hinzuzufügen, oder, wo jene fortfallen, ihm überhaupt einen Wert zu verschaffen. Sehr bezeichnend ist hierfür eine Norm des römischen Rechts, schon aus der republikanischen Zeit. Seit der Einführung der geprägten Münze statt des gewogenen Kupfergeldes haben die Römer darauf gehalten, daſs dieselbe rechtlich für ihren konventionellen Wert acceptiert werde, gleichviel, ob ihr Effektivwert damit stimmte oder nicht. Diese Un- abhängigkeit vom Metall aber fordert sogleich die Zusatzbestimmung: Geld sei überhaupt nur eben diese Münze, jede andre sei bloſse Ware; nur bei Forderung auf jene kann man mit der strengen Geld- schuldklage vorgehen, alle sonstigen Geldschulden sind, wie Waren- schulden, nur auf den wirklichen, also durch ihr Nominal als Geld nicht beeinfluſsten Wert (quanti ea res est) einzuklagen. Das heiſst also, der Wert des anderen Geldes war nicht Geldwert, sondern Stoff- wert, weil man der legalen Münze die Funktion des Geldes vorbehielt. Eben dadurch erhielt sie den Wert, den die andern Münzen nur durch ihren Gehalt erreichen konnten, und rechtfertigte es, daſs sie unabhängig von ihrem inneren Werte galt. Wie ein Litermaſs wirtschaftlichen Wert hat, nicht weil es Material und Form enthält — denn wenn es nicht durch diese zu einem auſserhalb ihrer liegenden Zwecke ver- wendbar wäre, so würde kein Mensch ihm nachfragen — sondern weil es die Funktion des Messens zweckmäſsig erfüllt, so hat auch das Geld 12*

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/203>, abgerufen am 29.03.2024.