die nur nach dem Geld berechnet wäre, während das Geld selbst nur der ideale Massstab für alle Vermögenswerte wäre. Hier ist also das Prinzip des Markenskudo zu einer allgemeinen Theorie ge- worden, das Geld ist so sehr zu einer reinen Form und Verhältnis- begriff idealisiert, dass es überhaupt mit keiner greifbaren Wirklich- keit mehr identisch ist, sondern zu dieser sich nur noch verhält, wie das abstrakte Gesetz zu einem empirischen Fall. In den oben an- geführten Vorkommnissen hat die Funktion des Wertmessers sich von dem substanziellen Träger gelöst: die Rechenmünze tritt wie in einen absichtlichen Gegensatz zu der Metallmünze, um ihre Stellung jenseits dieser festzulegen. In der hier fraglichen Beziehung thut das ideale Geld dieselben Dienste wie das gute Geld, denn auch dieses ist hier eben gutes nur wegen seiner Funktion: der Sicherheit der Wert- abmessungen, die sich mit Hülfe seiner vollziehen.
Dies führt nun weiter auf die Vertretung des Geldwertes durch Äquivalente, insoweit diese die Mobilisierung der Werte als einen der wesentlichen Dienste des Geldes hervortreten lassen. Je mehr die Bedeutung des Geldes als Tauschmittel, Wertmass, Aufbewahrungs- mittel etc. aus ihrer ursprünglichen Geringfügigkeit zum Übergewicht über seinen sogenannten Substanzwert aufwächst, desto mehr Geld kann auch in anderer als grade in Metallform in der Welt zirkulieren. Und dieselbe Entwicklung, die von der eingeschränkten Starrheit und substanziellen Festgelegtheit des Geldes zu diesen Vertretungen führt, macht sich auch weiterhin innerhalb dieser selbst geltend. So etwa in der Entwicklung von dem von Person zu Person lautenden Schuld- schein zu dem Inhaberpapier. Die Stufen dieser Entwicklung sind noch zu verfolgen. Die Klausel des Schuldanerkenntnisses, dass der Inhaber desselben und nicht nur der eigentliche Ausleiher zur Ein- ziehung berechtigt sei, kommt zwar schon im Mittelalter vor; aber nicht um seinen Wert zu übertragen, sondern um die Einziehung durch einen Vertreter des Gläubigers zu erleichtern. Diese bloss formale Mobilisierung des Papiers wurde eine mehr thatsächliche in dem fran- zösischen billet en blanc, das an der Lyoner Börse kursierte. Dasselbe wies seiner Fassung nach noch auf einen individuellen Schuldner an, dessen Name freilich nicht ausgefüllt war; wurde ein solcher indes an die leere Stelle eingefügt, so war nun der Gläubiger individuell bestimmt. Der eigentliche Handelsverkehr mit reinen Inhaberpapieren begann im 16. Jahrhundert in Antwerpen; wir wissen, dass anfänglich denselben, wenn sie ohne besondere Zession in Zahlung gegeben waren, oft die Einlösung am Verfallstage verweigert wurde, so dass eine kaiser- liche Verordnung ihre prinzipielle Gültigkeit feststellen musste. Hier
die nur nach dem Geld berechnet wäre, während das Geld selbst nur der ideale Maſsstab für alle Vermögenswerte wäre. Hier ist also das Prinzip des Markenskudo zu einer allgemeinen Theorie ge- worden, das Geld ist so sehr zu einer reinen Form und Verhältnis- begriff idealisiert, daſs es überhaupt mit keiner greifbaren Wirklich- keit mehr identisch ist, sondern zu dieser sich nur noch verhält, wie das abstrakte Gesetz zu einem empirischen Fall. In den oben an- geführten Vorkommnissen hat die Funktion des Wertmessers sich von dem substanziellen Träger gelöst: die Rechenmünze tritt wie in einen absichtlichen Gegensatz zu der Metallmünze, um ihre Stellung jenseits dieser festzulegen. In der hier fraglichen Beziehung thut das ideale Geld dieselben Dienste wie das gute Geld, denn auch dieses ist hier eben gutes nur wegen seiner Funktion: der Sicherheit der Wert- abmessungen, die sich mit Hülfe seiner vollziehen.
Dies führt nun weiter auf die Vertretung des Geldwertes durch Äquivalente, insoweit diese die Mobilisierung der Werte als einen der wesentlichen Dienste des Geldes hervortreten lassen. Je mehr die Bedeutung des Geldes als Tauschmittel, Wertmaſs, Aufbewahrungs- mittel etc. aus ihrer ursprünglichen Geringfügigkeit zum Übergewicht über seinen sogenannten Substanzwert aufwächst, desto mehr Geld kann auch in anderer als grade in Metallform in der Welt zirkulieren. Und dieselbe Entwicklung, die von der eingeschränkten Starrheit und substanziellen Festgelegtheit des Geldes zu diesen Vertretungen führt, macht sich auch weiterhin innerhalb dieser selbst geltend. So etwa in der Entwicklung von dem von Person zu Person lautenden Schuld- schein zu dem Inhaberpapier. Die Stufen dieser Entwicklung sind noch zu verfolgen. Die Klausel des Schuldanerkenntnisses, daſs der Inhaber desselben und nicht nur der eigentliche Ausleiher zur Ein- ziehung berechtigt sei, kommt zwar schon im Mittelalter vor; aber nicht um seinen Wert zu übertragen, sondern um die Einziehung durch einen Vertreter des Gläubigers zu erleichtern. Diese bloſs formale Mobilisierung des Papiers wurde eine mehr thatsächliche in dem fran- zösischen billet en blanc, das an der Lyoner Börse kursierte. Dasselbe wies seiner Fassung nach noch auf einen individuellen Schuldner an, dessen Name freilich nicht ausgefüllt war; wurde ein solcher indes an die leere Stelle eingefügt, so war nun der Gläubiger individuell bestimmt. Der eigentliche Handelsverkehr mit reinen Inhaberpapieren begann im 16. Jahrhundert in Antwerpen; wir wissen, daſs anfänglich denselben, wenn sie ohne besondere Zession in Zahlung gegeben waren, oft die Einlösung am Verfallstage verweigert wurde, so daſs eine kaiser- liche Verordnung ihre prinzipielle Gültigkeit feststellen muſste. Hier
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die nur nach dem Geld berechnet wäre, während das Geld selbst
nur der ideale Maſsstab für alle Vermögenswerte wäre. Hier ist
also das Prinzip des Markenskudo zu einer allgemeinen Theorie ge-
worden, das Geld ist so sehr zu einer reinen Form und Verhältnis-
begriff idealisiert, daſs es überhaupt mit keiner greifbaren Wirklich-
keit mehr identisch ist, sondern zu dieser sich nur noch verhält, wie
das abstrakte Gesetz zu einem empirischen Fall. In den oben an-
geführten Vorkommnissen hat die Funktion des Wertmessers sich von
dem substanziellen Träger gelöst: die Rechenmünze tritt wie in einen
absichtlichen Gegensatz zu der Metallmünze, um ihre Stellung jenseits
dieser festzulegen. In der hier fraglichen Beziehung thut das ideale
Geld dieselben Dienste wie das gute Geld, denn auch dieses ist hier
eben gutes nur wegen seiner Funktion: der Sicherheit der Wert-
abmessungen, die sich mit Hülfe seiner vollziehen.
Dies führt nun weiter auf die Vertretung des Geldwertes durch
Äquivalente, insoweit diese die Mobilisierung der Werte als einen
der wesentlichen Dienste des Geldes hervortreten lassen. Je mehr
die Bedeutung des Geldes als Tauschmittel, Wertmaſs, Aufbewahrungs-
mittel etc. aus ihrer ursprünglichen Geringfügigkeit zum Übergewicht
über seinen sogenannten Substanzwert aufwächst, desto mehr Geld
kann auch in anderer als grade in Metallform in der Welt zirkulieren.
Und dieselbe Entwicklung, die von der eingeschränkten Starrheit und
substanziellen Festgelegtheit des Geldes zu diesen Vertretungen führt,
macht sich auch weiterhin innerhalb dieser selbst geltend. So etwa in
der Entwicklung von dem von Person zu Person lautenden Schuld-
schein zu dem Inhaberpapier. Die Stufen dieser Entwicklung sind
noch zu verfolgen. Die Klausel des Schuldanerkenntnisses, daſs der
Inhaber desselben und nicht nur der eigentliche Ausleiher zur Ein-
ziehung berechtigt sei, kommt zwar schon im Mittelalter vor; aber
nicht um seinen Wert zu übertragen, sondern um die Einziehung durch
einen Vertreter des Gläubigers zu erleichtern. Diese bloſs formale
Mobilisierung des Papiers wurde eine mehr thatsächliche in dem fran-
zösischen billet en blanc, das an der Lyoner Börse kursierte. Dasselbe
wies seiner Fassung nach noch auf einen individuellen Schuldner an,
dessen Name freilich nicht ausgefüllt war; wurde ein solcher indes
an die leere Stelle eingefügt, so war nun der Gläubiger individuell
bestimmt. Der eigentliche Handelsverkehr mit reinen Inhaberpapieren
begann im 16. Jahrhundert in Antwerpen; wir wissen, daſs anfänglich
denselben, wenn sie ohne besondere Zession in Zahlung gegeben waren,
oft die Einlösung am Verfallstage verweigert wurde, so daſs eine kaiser-
liche Verordnung ihre prinzipielle Gültigkeit feststellen muſste. Hier
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/192>, abgerufen am 25.11.2024.
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