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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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an dem, was es an und für sich ist, besitzt, sondern an dem, was es
leistet: seine Entwicklung hat es aus einem starren, der Produktion
innerlich fremden Elemente in lebendige Funktion in und an derselben
übergeführt. -- Sehen wir nun noch einmal auf die Garantierung des
Geldes als seinen Lebensnerv zurück, so verliert sie natürlich in dem
Masse an Bündigkeit, in dem das objektive, die Gesamtheit vertretende
Gebilde nur beschränkte Abteilungen derselben oder ihre Interessen
nur unvollständig repräsentiert. So ist z. B. auch eine Privatbank ein
relativ objektives überpersönliches Wesen, das sich zwischen den Ver-
kehr individueller Interessenten schiebt. Dieser soziologische Charakter
ihrer befähigt sie allerdings zur Ausgabe von Geld, allein sobald
nicht staatliche Aufsicht die Garantie auf das wirklich allgemeine
Zentralgebilde überträgt, wird die blosse Partialität des in ihr objek-
tivierten Bezirkes sich in der Unvollkommenheit des "Geld" charakters
ihrer Noten zeigen. Die Missstände der nordamerikanischen Papier-
geldwirtschaft entstammten zum Teil der Meinung, die Münze sei zwar
Staatssache, die Herstellung von Papiergeld aber komme den Privat-
banken zu und der Staat habe sich nicht hineinzumischen. Man über-
sah dabei die blosse Relativität des Unterschiedes zwischen Metall- und
Papiergeld, dass beide, insofern sie eben Geld sind, nur in einer Sub-
stanziierung der Tauschfunktion durch gemeinsames Verhältnis der In-
teressenten zu einem objektiven Organe bestehen, und dass das Geld
seine Funktion nur insoweit üben, d. h. nur insoweit die unmittel-
baren Werte vertreten kann, als jenes emittierende Organ wirklich den
Interessenkreis in sich vertritt oder zum Ausdruck bringt. Deshalb
suchen die Münzen lokaler Machthaber auch manchmal wenigstens den
Anschein der Zugehörigkeit zu einem umfassenden Gebilde zu gewinnen.
Noch Jahrhunderte nach dem Tode Philipps und Alexanders wurden
an den verschiedensten Plätzen Münzen mit ihren Namen und Stempeln
geprägt -- formell königliche, materiell städtische Münzen. Die auf-
wärts gehende Entwicklung strebt in Wirklichkeit auf eine Vergrösse-
rung -- und, was hier unmittelbar dazu gehört, auf eine Zentralisie-
rung -- der Organe und Potenzen, die die Geldwerte garantieren.
Es ist für diese Richtung sehr bezeichnend, dass die Schatzanweisungen,
die die Staaten vor dem 18. Jahrhundert ausgaben, gewöhnlich auf
einzelne Einkünfte der Krone basiert und durch sie gewährleistet
waren. Erst die englischen exchequer bills des 18. Jahrhunderts waren
Anweisungen auf sämtliche Staatseinnahmen; sie hatten also keine von
besonderen Umständen abhängige und besonders zu untersuchende
Bonität, sondern diese bestand nur noch in dem allgemeinen Zutrauen
in die Zahlungsfähigkeit des Staates überhaupt. Hierin zeigt sich die

an dem, was es an und für sich ist, besitzt, sondern an dem, was es
leistet: seine Entwicklung hat es aus einem starren, der Produktion
innerlich fremden Elemente in lebendige Funktion in und an derselben
übergeführt. — Sehen wir nun noch einmal auf die Garantierung des
Geldes als seinen Lebensnerv zurück, so verliert sie natürlich in dem
Maſse an Bündigkeit, in dem das objektive, die Gesamtheit vertretende
Gebilde nur beschränkte Abteilungen derselben oder ihre Interessen
nur unvollständig repräsentiert. So ist z. B. auch eine Privatbank ein
relativ objektives überpersönliches Wesen, das sich zwischen den Ver-
kehr individueller Interessenten schiebt. Dieser soziologische Charakter
ihrer befähigt sie allerdings zur Ausgabe von Geld, allein sobald
nicht staatliche Aufsicht die Garantie auf das wirklich allgemeine
Zentralgebilde überträgt, wird die bloſse Partialität des in ihr objek-
tivierten Bezirkes sich in der Unvollkommenheit des „Geld“ charakters
ihrer Noten zeigen. Die Miſsstände der nordamerikanischen Papier-
geldwirtschaft entstammten zum Teil der Meinung, die Münze sei zwar
Staatssache, die Herstellung von Papiergeld aber komme den Privat-
banken zu und der Staat habe sich nicht hineinzumischen. Man über-
sah dabei die bloſse Relativität des Unterschiedes zwischen Metall- und
Papiergeld, daſs beide, insofern sie eben Geld sind, nur in einer Sub-
stanziierung der Tauschfunktion durch gemeinsames Verhältnis der In-
teressenten zu einem objektiven Organe bestehen, und daſs das Geld
seine Funktion nur insoweit üben, d. h. nur insoweit die unmittel-
baren Werte vertreten kann, als jenes emittierende Organ wirklich den
Interessenkreis in sich vertritt oder zum Ausdruck bringt. Deshalb
suchen die Münzen lokaler Machthaber auch manchmal wenigstens den
Anschein der Zugehörigkeit zu einem umfassenden Gebilde zu gewinnen.
Noch Jahrhunderte nach dem Tode Philipps und Alexanders wurden
an den verschiedensten Plätzen Münzen mit ihren Namen und Stempeln
geprägt — formell königliche, materiell städtische Münzen. Die auf-
wärts gehende Entwicklung strebt in Wirklichkeit auf eine Vergröſse-
rung — und, was hier unmittelbar dazu gehört, auf eine Zentralisie-
rung — der Organe und Potenzen, die die Geldwerte garantieren.
Es ist für diese Richtung sehr bezeichnend, daſs die Schatzanweisungen,
die die Staaten vor dem 18. Jahrhundert ausgaben, gewöhnlich auf
einzelne Einkünfte der Krone basiert und durch sie gewährleistet
waren. Erst die englischen exchequer bills des 18. Jahrhunderts waren
Anweisungen auf sämtliche Staatseinnahmen; sie hatten also keine von
besonderen Umständen abhängige und besonders zu untersuchende
Bonität, sondern diese bestand nur noch in dem allgemeinen Zutrauen
in die Zahlungsfähigkeit des Staates überhaupt. Hierin zeigt sich die

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[155/0179] an dem, was es an und für sich ist, besitzt, sondern an dem, was es leistet: seine Entwicklung hat es aus einem starren, der Produktion innerlich fremden Elemente in lebendige Funktion in und an derselben übergeführt. — Sehen wir nun noch einmal auf die Garantierung des Geldes als seinen Lebensnerv zurück, so verliert sie natürlich in dem Maſse an Bündigkeit, in dem das objektive, die Gesamtheit vertretende Gebilde nur beschränkte Abteilungen derselben oder ihre Interessen nur unvollständig repräsentiert. So ist z. B. auch eine Privatbank ein relativ objektives überpersönliches Wesen, das sich zwischen den Ver- kehr individueller Interessenten schiebt. Dieser soziologische Charakter ihrer befähigt sie allerdings zur Ausgabe von Geld, allein sobald nicht staatliche Aufsicht die Garantie auf das wirklich allgemeine Zentralgebilde überträgt, wird die bloſse Partialität des in ihr objek- tivierten Bezirkes sich in der Unvollkommenheit des „Geld“ charakters ihrer Noten zeigen. Die Miſsstände der nordamerikanischen Papier- geldwirtschaft entstammten zum Teil der Meinung, die Münze sei zwar Staatssache, die Herstellung von Papiergeld aber komme den Privat- banken zu und der Staat habe sich nicht hineinzumischen. Man über- sah dabei die bloſse Relativität des Unterschiedes zwischen Metall- und Papiergeld, daſs beide, insofern sie eben Geld sind, nur in einer Sub- stanziierung der Tauschfunktion durch gemeinsames Verhältnis der In- teressenten zu einem objektiven Organe bestehen, und daſs das Geld seine Funktion nur insoweit üben, d. h. nur insoweit die unmittel- baren Werte vertreten kann, als jenes emittierende Organ wirklich den Interessenkreis in sich vertritt oder zum Ausdruck bringt. Deshalb suchen die Münzen lokaler Machthaber auch manchmal wenigstens den Anschein der Zugehörigkeit zu einem umfassenden Gebilde zu gewinnen. Noch Jahrhunderte nach dem Tode Philipps und Alexanders wurden an den verschiedensten Plätzen Münzen mit ihren Namen und Stempeln geprägt — formell königliche, materiell städtische Münzen. Die auf- wärts gehende Entwicklung strebt in Wirklichkeit auf eine Vergröſse- rung — und, was hier unmittelbar dazu gehört, auf eine Zentralisie- rung — der Organe und Potenzen, die die Geldwerte garantieren. Es ist für diese Richtung sehr bezeichnend, daſs die Schatzanweisungen, die die Staaten vor dem 18. Jahrhundert ausgaben, gewöhnlich auf einzelne Einkünfte der Krone basiert und durch sie gewährleistet waren. Erst die englischen exchequer bills des 18. Jahrhunderts waren Anweisungen auf sämtliche Staatseinnahmen; sie hatten also keine von besonderen Umständen abhängige und besonders zu untersuchende Bonität, sondern diese bestand nur noch in dem allgemeinen Zutrauen in die Zahlungsfähigkeit des Staates überhaupt. Hierin zeigt sich die

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/179>, abgerufen am 16.04.2024.