Andere. Der Schmuck ist ein soziales Bedürfnis und die Edel- metalle eignen sich eben durch ihren Glanz ganz besonders dazu, die Augen auf sich zu ziehen. Darum sind bestimmte Schmuckarten auch bestimmten sozialen Positionen vorbehalten; so war im mittelalterlichen Frankreich das Tragen von Goldschmuck allen unter einem gewissen Range Stehenden verboten. Dadurch, dass der Schmuck seine ganze Bedeutung in den psychologischen Vorgängen hat, die er ausserhalb seines Trägers in anderen erregt, unterscheidet sich das Edelmetall durchaus von jenen ursprünglicheren, sozusagen zentripetalen Tausch- mitteln. Der Tausch als das reinste soziologische Vorkommnis, d. h. als die vollständigste Wechselwirkung, findet den entsprechenden Träger in der Substanz des Schmuckes, der alle Bedeutung für seinen Be- sitzer nur mittelbar, nämlich als Beziehung zu anderen Menschen, aufweist.
Wenn diese Verkörperung der Tauschaktion in einem besonderen Gebilde sich nun technisch so vollzieht, dass jedes Objekt, statt un- mittelbar gegen ein anderes, zunächst gegen jenes eingetauscht wird, so ist nun die Frage: welches ist, näher angesehen, das dem ent- sprechende Verhalten der hinter den Objekten stehenden Menschen? -- denn das gemeinsame Verhalten zum Händler, so sehr es Ursache und Wirkung des Geldverkehrs ist, konnte hierfür doch nur als Gleichnis dienen. Nun scheint es mir klar: das Fundament und der sozio- logische Träger jenes Verhältnisses zwischen den Objekten und dem Gelde ist das Verhältnis der wirtschaftenden Individuen zu der Zentral- macht, die das Geld ausgiebt oder garantiert. Den Dienst, als absolute Zwischeninstanz über allen Einzelprodukten zu stehen, leistet das Geld erst, wenn die Prägung es über den blossen Charakter als Metall- quantum -- von naturaleren Geldarten nicht zu reden -- hinaus- gehoben hat. Jene Abstraktion des Tauschprozesses aus den einzelnen realen Tauschen und ihre Verkörperung in einem objektiven Sonder- gebilde kann erst eintreten, wenn der Tausch etwas anderes geworden ist als ein privater Vorgang zwischen zwei Individuen, der völlig in den individuellen Aktionen und Gegenaktionen dieser be- schlossen liegt. Dies andere und weitere wird er, indem der Tausch- wert, den die eine Partei giebt, seine Bedeutung für die zweite nicht unmittelbar, sondern als blosse Anweisung auf andere, definitive Werte enthält -- eine Anweisung, deren Realisierung von der Gesamtheit des Wirtschaftskreises oder von der Regierung als der Vertretung des- selben abhängt. Indem der Naturaltausch durch den Geldkauf ersetzt wird, tritt zwischen die beiden Parteien eine dritte Instanz: die soziale Gesamtheit, die für das Geld einen entsprechenden Realwert zur Ver-
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Andere. Der Schmuck ist ein soziales Bedürfnis und die Edel- metalle eignen sich eben durch ihren Glanz ganz besonders dazu, die Augen auf sich zu ziehen. Darum sind bestimmte Schmuckarten auch bestimmten sozialen Positionen vorbehalten; so war im mittelalterlichen Frankreich das Tragen von Goldschmuck allen unter einem gewissen Range Stehenden verboten. Dadurch, daſs der Schmuck seine ganze Bedeutung in den psychologischen Vorgängen hat, die er auſserhalb seines Trägers in anderen erregt, unterscheidet sich das Edelmetall durchaus von jenen ursprünglicheren, sozusagen zentripetalen Tausch- mitteln. Der Tausch als das reinste soziologische Vorkommnis, d. h. als die vollständigste Wechselwirkung, findet den entsprechenden Träger in der Substanz des Schmuckes, der alle Bedeutung für seinen Be- sitzer nur mittelbar, nämlich als Beziehung zu anderen Menschen, aufweist.
Wenn diese Verkörperung der Tauschaktion in einem besonderen Gebilde sich nun technisch so vollzieht, daſs jedes Objekt, statt un- mittelbar gegen ein anderes, zunächst gegen jenes eingetauscht wird, so ist nun die Frage: welches ist, näher angesehen, das dem ent- sprechende Verhalten der hinter den Objekten stehenden Menschen? — denn das gemeinsame Verhalten zum Händler, so sehr es Ursache und Wirkung des Geldverkehrs ist, konnte hierfür doch nur als Gleichnis dienen. Nun scheint es mir klar: das Fundament und der sozio- logische Träger jenes Verhältnisses zwischen den Objekten und dem Gelde ist das Verhältnis der wirtschaftenden Individuen zu der Zentral- macht, die das Geld ausgiebt oder garantiert. Den Dienst, als absolute Zwischeninstanz über allen Einzelprodukten zu stehen, leistet das Geld erst, wenn die Prägung es über den bloſsen Charakter als Metall- quantum — von naturaleren Geldarten nicht zu reden — hinaus- gehoben hat. Jene Abstraktion des Tauschprozesses aus den einzelnen realen Tauschen und ihre Verkörperung in einem objektiven Sonder- gebilde kann erst eintreten, wenn der Tausch etwas anderes geworden ist als ein privater Vorgang zwischen zwei Individuen, der völlig in den individuellen Aktionen und Gegenaktionen dieser be- schlossen liegt. Dies andere und weitere wird er, indem der Tausch- wert, den die eine Partei giebt, seine Bedeutung für die zweite nicht unmittelbar, sondern als bloſse Anweisung auf andere, definitive Werte enthält — eine Anweisung, deren Realisierung von der Gesamtheit des Wirtschaftskreises oder von der Regierung als der Vertretung des- selben abhängt. Indem der Naturaltausch durch den Geldkauf ersetzt wird, tritt zwischen die beiden Parteien eine dritte Instanz: die soziale Gesamtheit, die für das Geld einen entsprechenden Realwert zur Ver-
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Andere. Der Schmuck ist ein soziales Bedürfnis und die Edel-
metalle eignen sich eben durch ihren Glanz ganz besonders dazu, die
Augen auf sich zu ziehen. Darum sind bestimmte Schmuckarten auch
bestimmten sozialen Positionen vorbehalten; so war im mittelalterlichen
Frankreich das Tragen von Goldschmuck allen unter einem gewissen
Range Stehenden verboten. Dadurch, daſs der Schmuck seine ganze
Bedeutung in den psychologischen Vorgängen hat, die er auſserhalb
seines Trägers in anderen erregt, unterscheidet sich das Edelmetall
durchaus von jenen ursprünglicheren, sozusagen zentripetalen Tausch-
mitteln. Der Tausch als das reinste soziologische Vorkommnis, d. h.
als die vollständigste Wechselwirkung, findet den entsprechenden Träger
in der Substanz des Schmuckes, der alle Bedeutung für seinen Be-
sitzer nur mittelbar, nämlich als Beziehung zu anderen Menschen,
aufweist.
Wenn diese Verkörperung der Tauschaktion in einem besonderen
Gebilde sich nun technisch so vollzieht, daſs jedes Objekt, statt un-
mittelbar gegen ein anderes, zunächst gegen jenes eingetauscht wird,
so ist nun die Frage: welches ist, näher angesehen, das dem ent-
sprechende Verhalten der hinter den Objekten stehenden Menschen? —
denn das gemeinsame Verhalten zum Händler, so sehr es Ursache und
Wirkung des Geldverkehrs ist, konnte hierfür doch nur als Gleichnis
dienen. Nun scheint es mir klar: das Fundament und der sozio-
logische Träger jenes Verhältnisses zwischen den Objekten und dem
Gelde ist das Verhältnis der wirtschaftenden Individuen zu der Zentral-
macht, die das Geld ausgiebt oder garantiert. Den Dienst, als absolute
Zwischeninstanz über allen Einzelprodukten zu stehen, leistet das Geld
erst, wenn die Prägung es über den bloſsen Charakter als Metall-
quantum — von naturaleren Geldarten nicht zu reden — hinaus-
gehoben hat. Jene Abstraktion des Tauschprozesses aus den einzelnen
realen Tauschen und ihre Verkörperung in einem objektiven Sonder-
gebilde kann erst eintreten, wenn der Tausch etwas anderes
geworden ist als ein privater Vorgang zwischen zwei Individuen, der
völlig in den individuellen Aktionen und Gegenaktionen dieser be-
schlossen liegt. Dies andere und weitere wird er, indem der Tausch-
wert, den die eine Partei giebt, seine Bedeutung für die zweite nicht
unmittelbar, sondern als bloſse Anweisung auf andere, definitive Werte
enthält — eine Anweisung, deren Realisierung von der Gesamtheit
des Wirtschaftskreises oder von der Regierung als der Vertretung des-
selben abhängt. Indem der Naturaltausch durch den Geldkauf ersetzt
wird, tritt zwischen die beiden Parteien eine dritte Instanz: die soziale
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/171>, abgerufen am 24.11.2024.
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