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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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keit, in so fein organisiertem Ineinandergreifen unzähliger Elemente,
dass man einen überschauenden, nach überindividueller Weisheit
schaltenden Geist als Lenker derselben annehmen müsste, wenn man
nicht auf die unbewusste Zweckmässigkeit des menschlichen Gattungs-
lebens zurückgreifen wollte. Bewusstes Wollen und Voraussehen des
Einzelnen würde nicht ausreichen, das wirtschaftliche Getriebe in der-
jenigen Harmonie zu halten, die es neben all' seinen furchtbaren
Dissonanzen und Unzulänglichkeiten aufweist; es müssen vielmehr
unbewusste Erfahrungen und Berechnungen angenommen werden, die
sich im geschichtlichen Verlauf der Wirtschaft summieren und den-
selben regulieren. Immerhin darf man nicht vergessen, dass unbewusste
Vorstellungen keine zulängliche Erklärung, sondern nur ein Hülfs-
ausdruck sind, der sich eigentlich auf einem Trugschluss aufbaut.
Gewisse Handlungen und Gedanken entspringen in uns auf Grund be-
stimmter Vorstellungen, Schlussreihen u. s. w. Sobald nun aber jene
ohne diese Antezedentien in uns auftauchen, so schliessen wir, dass
eben dieselben, nur in unbewusster Form, dennoch dagewesen wären.
Dies aber ist zweifellos logisch unberechtigt. Die bloss negative That-
sache, dass wir uns in diesem Falle keiner begründenden Vorstellungen
bewusst sind, drehen wir unter der Hand in die positive um, dass
unbewusste Vorstellungen vorhanden sind. Thatsächlich wissen wir
über solche, ein psychisches Resultat ohne begründende Bewusst-
seinsvorgänge darbietende Vorgänge gar nichts Näheres, und die
unbewussten Vorstellungen, Erfahrungen, Schlüsse sind nur der Aus-
druck dafür, dass jene so verlaufen, als ob bewusste Motive und Ideen
ihnen zum Grunde lägen. Dem Erklärungstrieb bleibt aber vorläufig
nichts übrig als diese aufzusuchen und als -- unbewusst -- wirkende
Ursachen zu behandeln, so sehr sie ein blosses Symbol des wirklichen
Verlaufes sind. Bei dem jetzigen Stande des Wissens ist es unvermeid-
lich und deshalb legitim, die Wertbildungen, ihre Fixierungen und
Fluktuierungen als unbewusste Vorgänge nach den Normen und Formen
der bewussten Vernunft zu deuten.

Die zweite Veranlassung dazu, das Geld nicht in seinem Symbol-
charakter völlig aufgehen zu lassen, liegt mehr nach seiner Bedeutung
als Element des Verkehrs hin. So sehr die Tauschfunktionen des
Geldes, abstrakt betrachtet, durch ein blosses Zeichengeld erfüllt
werden könnten, so würde doch keine menschliche Macht es mit den
hinreichenden Garantien gegen die dann naheliegenden Missbräuche
umgeben können. Die Tausch- wie die Messfunktion jedes Geldes
ist offenbar an eine bestimmte Begrenzung seiner Quantität, an seine
"Seltenheit", wie man zu sagen pflegt, gebunden. Gilt nämlich jene

keit, in so fein organisiertem Ineinandergreifen unzähliger Elemente,
daſs man einen überschauenden, nach überindividueller Weisheit
schaltenden Geist als Lenker derselben annehmen müſste, wenn man
nicht auf die unbewuſste Zweckmäſsigkeit des menschlichen Gattungs-
lebens zurückgreifen wollte. Bewuſstes Wollen und Voraussehen des
Einzelnen würde nicht ausreichen, das wirtschaftliche Getriebe in der-
jenigen Harmonie zu halten, die es neben all’ seinen furchtbaren
Dissonanzen und Unzulänglichkeiten aufweist; es müssen vielmehr
unbewuſste Erfahrungen und Berechnungen angenommen werden, die
sich im geschichtlichen Verlauf der Wirtschaft summieren und den-
selben regulieren. Immerhin darf man nicht vergessen, daſs unbewuſste
Vorstellungen keine zulängliche Erklärung, sondern nur ein Hülfs-
ausdruck sind, der sich eigentlich auf einem Trugschluſs aufbaut.
Gewisse Handlungen und Gedanken entspringen in uns auf Grund be-
stimmter Vorstellungen, Schluſsreihen u. s. w. Sobald nun aber jene
ohne diese Antezedentien in uns auftauchen, so schlieſsen wir, daſs
eben dieselben, nur in unbewuſster Form, dennoch dagewesen wären.
Dies aber ist zweifellos logisch unberechtigt. Die bloſs negative That-
sache, daſs wir uns in diesem Falle keiner begründenden Vorstellungen
bewuſst sind, drehen wir unter der Hand in die positive um, daſs
unbewuſste Vorstellungen vorhanden sind. Thatsächlich wissen wir
über solche, ein psychisches Resultat ohne begründende Bewuſst-
seinsvorgänge darbietende Vorgänge gar nichts Näheres, und die
unbewuſsten Vorstellungen, Erfahrungen, Schlüsse sind nur der Aus-
druck dafür, daſs jene so verlaufen, als ob bewuſste Motive und Ideen
ihnen zum Grunde lägen. Dem Erklärungstrieb bleibt aber vorläufig
nichts übrig als diese aufzusuchen und als — unbewuſst — wirkende
Ursachen zu behandeln, so sehr sie ein bloſses Symbol des wirklichen
Verlaufes sind. Bei dem jetzigen Stande des Wissens ist es unvermeid-
lich und deshalb legitim, die Wertbildungen, ihre Fixierungen und
Fluktuierungen als unbewuſste Vorgänge nach den Normen und Formen
der bewuſsten Vernunft zu deuten.

Die zweite Veranlassung dazu, das Geld nicht in seinem Symbol-
charakter völlig aufgehen zu lassen, liegt mehr nach seiner Bedeutung
als Element des Verkehrs hin. So sehr die Tauschfunktionen des
Geldes, abstrakt betrachtet, durch ein bloſses Zeichengeld erfüllt
werden könnten, so würde doch keine menschliche Macht es mit den
hinreichenden Garantien gegen die dann naheliegenden Miſsbräuche
umgeben können. Die Tausch- wie die Meſsfunktion jedes Geldes
ist offenbar an eine bestimmte Begrenzung seiner Quantität, an seine
„Seltenheit“, wie man zu sagen pflegt, gebunden. Gilt nämlich jene

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[124/0148] keit, in so fein organisiertem Ineinandergreifen unzähliger Elemente, daſs man einen überschauenden, nach überindividueller Weisheit schaltenden Geist als Lenker derselben annehmen müſste, wenn man nicht auf die unbewuſste Zweckmäſsigkeit des menschlichen Gattungs- lebens zurückgreifen wollte. Bewuſstes Wollen und Voraussehen des Einzelnen würde nicht ausreichen, das wirtschaftliche Getriebe in der- jenigen Harmonie zu halten, die es neben all’ seinen furchtbaren Dissonanzen und Unzulänglichkeiten aufweist; es müssen vielmehr unbewuſste Erfahrungen und Berechnungen angenommen werden, die sich im geschichtlichen Verlauf der Wirtschaft summieren und den- selben regulieren. Immerhin darf man nicht vergessen, daſs unbewuſste Vorstellungen keine zulängliche Erklärung, sondern nur ein Hülfs- ausdruck sind, der sich eigentlich auf einem Trugschluſs aufbaut. Gewisse Handlungen und Gedanken entspringen in uns auf Grund be- stimmter Vorstellungen, Schluſsreihen u. s. w. Sobald nun aber jene ohne diese Antezedentien in uns auftauchen, so schlieſsen wir, daſs eben dieselben, nur in unbewuſster Form, dennoch dagewesen wären. Dies aber ist zweifellos logisch unberechtigt. Die bloſs negative That- sache, daſs wir uns in diesem Falle keiner begründenden Vorstellungen bewuſst sind, drehen wir unter der Hand in die positive um, daſs unbewuſste Vorstellungen vorhanden sind. Thatsächlich wissen wir über solche, ein psychisches Resultat ohne begründende Bewuſst- seinsvorgänge darbietende Vorgänge gar nichts Näheres, und die unbewuſsten Vorstellungen, Erfahrungen, Schlüsse sind nur der Aus- druck dafür, daſs jene so verlaufen, als ob bewuſste Motive und Ideen ihnen zum Grunde lägen. Dem Erklärungstrieb bleibt aber vorläufig nichts übrig als diese aufzusuchen und als — unbewuſst — wirkende Ursachen zu behandeln, so sehr sie ein bloſses Symbol des wirklichen Verlaufes sind. Bei dem jetzigen Stande des Wissens ist es unvermeid- lich und deshalb legitim, die Wertbildungen, ihre Fixierungen und Fluktuierungen als unbewuſste Vorgänge nach den Normen und Formen der bewuſsten Vernunft zu deuten. Die zweite Veranlassung dazu, das Geld nicht in seinem Symbol- charakter völlig aufgehen zu lassen, liegt mehr nach seiner Bedeutung als Element des Verkehrs hin. So sehr die Tauschfunktionen des Geldes, abstrakt betrachtet, durch ein bloſses Zeichengeld erfüllt werden könnten, so würde doch keine menschliche Macht es mit den hinreichenden Garantien gegen die dann naheliegenden Miſsbräuche umgeben können. Die Tausch- wie die Meſsfunktion jedes Geldes ist offenbar an eine bestimmte Begrenzung seiner Quantität, an seine „Seltenheit“, wie man zu sagen pflegt, gebunden. Gilt nämlich jene

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/148>, abgerufen am 23.11.2024.