Bei alledem muss festgehalten werden, dass so nur eine Rich- tung der Entwicklung bestimmt wird, der Entwicklung, die mit einem wirklichen Werte des Geldstoffes, allen anderen Werten koordiniert, begonnen hat. Deshalb müssen einige naheliegende Vor- stellungen widerlegt werden, die scheinbar mit der unsrigen von der Wertlosigkeit der Geldsubstanz übereinstimmen, indem sie den Unter- schied des Geldes gegen alle anderen Werte betonen und mit diesem beweisen wollen, dass das Geld prinzipiell kein Wert derselben Art wie diese sein kann. Es wurde damit, wie so oft, in der Form der Erstarrung und der Vorwegnahme festgelegt, was sich nur in unend- licher Annäherung vollziehen kann. Aus der Abwehr des dogmatischen Wertes des Geldes dürfen wir nicht in ein Dogma von seinem Nicht- wert verfallen, zu dem die folgenden Vorstellungen verführen könnten. Es scheint, als ob selbst das nutzbarste Objekt, um als Geld zu funktionieren, auf seine Nützlichkeit verzichten müsste. Wenn z. B. in Abessinien besonders zugeschnittene Stücke Steinsalz als Scheide- münze kursieren, so sind sie doch eben Geld nur dadurch, dass man sie nicht als Salz gebraucht. An der Somaliküste zirkulierten früher Stücke blauen Baumwollstoffes, jedes zwei Ellen gross, als Geld; ein so grosser Fortschritt im Sinne des Geldverkehrs dies auch gegenüber dem Zeuggeld ist, das man beliebig zerschneidet und zusammensetzt, so deutet diese Form des Gebrauchs doch eben die Tendenz an, auf die Verwendung des Zeuges als Zeug zu verzichten. Der mögliche Nutzen von Gold und Silber für technische und ästhetische Zwecke kann solange nicht verwirklicht werden, wie sie als Geld zirkulieren; und so mit allen Geldarten. Von den vielerlei Wirkungen, mit denen die Geldstoffe in die menschlichen Zweckprovinzen hineinstrahlen, müssen alle übrigen schweigen, wenn ihre Wirkung als Geld eintreten soll. In dem Augenblick, in dem sie ihren sonstigen und Nützlich- keitswert entfalten, sind sie der Zirkulation entzogen, sind sie nicht mehr Geld. Alle anderen Werte mag man untereinander vergleichen
8*
II.
Bei alledem muſs festgehalten werden, daſs so nur eine Rich- tung der Entwicklung bestimmt wird, der Entwicklung, die mit einem wirklichen Werte des Geldstoffes, allen anderen Werten koordiniert, begonnen hat. Deshalb müssen einige naheliegende Vor- stellungen widerlegt werden, die scheinbar mit der unsrigen von der Wertlosigkeit der Geldsubstanz übereinstimmen, indem sie den Unter- schied des Geldes gegen alle anderen Werte betonen und mit diesem beweisen wollen, daſs das Geld prinzipiell kein Wert derselben Art wie diese sein kann. Es wurde damit, wie so oft, in der Form der Erstarrung und der Vorwegnahme festgelegt, was sich nur in unend- licher Annäherung vollziehen kann. Aus der Abwehr des dogmatischen Wertes des Geldes dürfen wir nicht in ein Dogma von seinem Nicht- wert verfallen, zu dem die folgenden Vorstellungen verführen könnten. Es scheint, als ob selbst das nutzbarste Objekt, um als Geld zu funktionieren, auf seine Nützlichkeit verzichten müſste. Wenn z. B. in Abessinien besonders zugeschnittene Stücke Steinsalz als Scheide- münze kursieren, so sind sie doch eben Geld nur dadurch, daſs man sie nicht als Salz gebraucht. An der Somaliküste zirkulierten früher Stücke blauen Baumwollstoffes, jedes zwei Ellen groſs, als Geld; ein so groſser Fortschritt im Sinne des Geldverkehrs dies auch gegenüber dem Zeuggeld ist, das man beliebig zerschneidet und zusammensetzt, so deutet diese Form des Gebrauchs doch eben die Tendenz an, auf die Verwendung des Zeuges als Zeug zu verzichten. Der mögliche Nutzen von Gold und Silber für technische und ästhetische Zwecke kann solange nicht verwirklicht werden, wie sie als Geld zirkulieren; und so mit allen Geldarten. Von den vielerlei Wirkungen, mit denen die Geldstoffe in die menschlichen Zweckprovinzen hineinstrahlen, müssen alle übrigen schweigen, wenn ihre Wirkung als Geld eintreten soll. In dem Augenblick, in dem sie ihren sonstigen und Nützlich- keitswert entfalten, sind sie der Zirkulation entzogen, sind sie nicht mehr Geld. Alle anderen Werte mag man untereinander vergleichen
8*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0139"n="[115]"/><divn="3"><head><hirendition="#b">II.</hi></head><lb/><p>Bei alledem muſs festgehalten werden, daſs so nur eine <hirendition="#g">Rich-<lb/>
tung der Entwicklung</hi> bestimmt wird, der Entwicklung, die<lb/>
mit einem wirklichen Werte des Geldstoffes, allen anderen Werten<lb/>
koordiniert, begonnen hat. Deshalb müssen einige naheliegende Vor-<lb/>
stellungen widerlegt werden, die scheinbar mit der unsrigen von der<lb/>
Wertlosigkeit der Geldsubstanz übereinstimmen, indem sie den Unter-<lb/>
schied des Geldes gegen alle anderen Werte betonen und mit diesem<lb/>
beweisen wollen, daſs das Geld prinzipiell kein Wert derselben Art<lb/>
wie diese sein <hirendition="#g">kann</hi>. Es wurde damit, wie so oft, in der Form der<lb/>
Erstarrung und der Vorwegnahme festgelegt, was sich nur in unend-<lb/>
licher Annäherung vollziehen kann. Aus der Abwehr des dogmatischen<lb/>
Wertes des Geldes dürfen wir nicht in ein Dogma von seinem Nicht-<lb/>
wert verfallen, zu dem die folgenden Vorstellungen verführen könnten.<lb/>
Es scheint, als ob selbst das nutzbarste Objekt, um als Geld zu<lb/>
funktionieren, auf seine Nützlichkeit verzichten müſste. Wenn z. B.<lb/>
in Abessinien besonders zugeschnittene Stücke Steinsalz als Scheide-<lb/>
münze kursieren, so sind sie doch eben <hirendition="#g">Geld</hi> nur dadurch, daſs man<lb/>
sie nicht als <hirendition="#g">Salz</hi> gebraucht. An der Somaliküste zirkulierten früher<lb/>
Stücke blauen Baumwollstoffes, jedes zwei Ellen groſs, als Geld; ein<lb/>
so groſser Fortschritt im Sinne des Geldverkehrs dies auch gegenüber<lb/>
dem Zeuggeld ist, das man beliebig zerschneidet und zusammensetzt,<lb/>
so deutet diese Form des Gebrauchs doch eben die Tendenz an, auf<lb/>
die Verwendung des Zeuges als Zeug zu verzichten. Der mögliche<lb/>
Nutzen von Gold und Silber für technische und ästhetische Zwecke<lb/>
kann solange nicht verwirklicht werden, wie sie als Geld zirkulieren;<lb/>
und so mit allen Geldarten. Von den vielerlei Wirkungen, mit denen<lb/>
die Geldstoffe in die menschlichen Zweckprovinzen hineinstrahlen,<lb/>
müssen alle übrigen schweigen, wenn ihre Wirkung als Geld eintreten<lb/>
soll. In dem Augenblick, in dem sie ihren sonstigen und Nützlich-<lb/>
keitswert entfalten, sind sie der Zirkulation entzogen, sind sie nicht<lb/>
mehr Geld. Alle anderen Werte mag man untereinander vergleichen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">8*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[[115]/0139]
II.
Bei alledem muſs festgehalten werden, daſs so nur eine Rich-
tung der Entwicklung bestimmt wird, der Entwicklung, die
mit einem wirklichen Werte des Geldstoffes, allen anderen Werten
koordiniert, begonnen hat. Deshalb müssen einige naheliegende Vor-
stellungen widerlegt werden, die scheinbar mit der unsrigen von der
Wertlosigkeit der Geldsubstanz übereinstimmen, indem sie den Unter-
schied des Geldes gegen alle anderen Werte betonen und mit diesem
beweisen wollen, daſs das Geld prinzipiell kein Wert derselben Art
wie diese sein kann. Es wurde damit, wie so oft, in der Form der
Erstarrung und der Vorwegnahme festgelegt, was sich nur in unend-
licher Annäherung vollziehen kann. Aus der Abwehr des dogmatischen
Wertes des Geldes dürfen wir nicht in ein Dogma von seinem Nicht-
wert verfallen, zu dem die folgenden Vorstellungen verführen könnten.
Es scheint, als ob selbst das nutzbarste Objekt, um als Geld zu
funktionieren, auf seine Nützlichkeit verzichten müſste. Wenn z. B.
in Abessinien besonders zugeschnittene Stücke Steinsalz als Scheide-
münze kursieren, so sind sie doch eben Geld nur dadurch, daſs man
sie nicht als Salz gebraucht. An der Somaliküste zirkulierten früher
Stücke blauen Baumwollstoffes, jedes zwei Ellen groſs, als Geld; ein
so groſser Fortschritt im Sinne des Geldverkehrs dies auch gegenüber
dem Zeuggeld ist, das man beliebig zerschneidet und zusammensetzt,
so deutet diese Form des Gebrauchs doch eben die Tendenz an, auf
die Verwendung des Zeuges als Zeug zu verzichten. Der mögliche
Nutzen von Gold und Silber für technische und ästhetische Zwecke
kann solange nicht verwirklicht werden, wie sie als Geld zirkulieren;
und so mit allen Geldarten. Von den vielerlei Wirkungen, mit denen
die Geldstoffe in die menschlichen Zweckprovinzen hineinstrahlen,
müssen alle übrigen schweigen, wenn ihre Wirkung als Geld eintreten
soll. In dem Augenblick, in dem sie ihren sonstigen und Nützlich-
keitswert entfalten, sind sie der Zirkulation entzogen, sind sie nicht
mehr Geld. Alle anderen Werte mag man untereinander vergleichen
8*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. [115]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/139>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.