jenen allein interessierenden und deshalb allein bewussten Einzelgliedern den unbewusst mitwirkenden Faktor, ohne den jene überhaupt nicht die Möglichkeit einer Beziehung hätten. Die ungeheure Wichtigkeit jener absoluten und fundamentalen Gleichung würde ihre Unbewusstheit so wenig unwahrscheinlich, ja eigentlich gerade so wahrscheinlich machen, wie es entsprechend in den angeführten Analogien der Fall ist. --
Gewiss würde unter Voraussetzung eines an sich wertlosen Geldes der einzelne Geldpreis ganz beziehungslos neben der Ware stehen, deren Wert er ausdrücken soll, wenn sich die Betrachtung auf diese beiden Momente beschränkte; man würde nicht wissen, woraufhin das eine Objekt einen um ein ganz Bestimmtes höheren oder niederen Preis bedingen sollte, als ein anderes. Sobald aber, als absolute Voraus- setzung dieser ganzen Relation, die Summe alles Verkäuflichen der Summe alles Geldes -- in einem nachher zu erörternden Sinn der "Summe" -- äquivalent gesetzt wird, ergiebt sich die Preisbestimmt- heit jeder einzelnen Ware einfach als der Bruch zwischen ihrem Wert und jenem Totalwert, der sich als der Bruch zwischen ihrem Preis und dem Gesamtgeldquantum wiederholt. Dies enthält, worauf ich nochmals hinweise, keineswegs den Zirkel: dass die Fähigkeit einer bestimmten Geldsumme, den Wert einer einzelnen Ware zu messen, auf das Gleichungsverhältnis alles Geldes mit allen Waren gegründet wird, dieses selbst ja aber schon die Messbarkeit des einen am anderen voraussetze; die Frage, ob jede Messung eine Wesensgleichheit zwischen dem Objekt und dem Massstab fordere, würde so freilich den konkreten Fall nicht mehr treffen, um aber an der Voraussetzung desselben ungelöst haften zu bleiben. That- sächlich indes ist eine Messung relativer Quanten daraufhin mög- lich, dass ihre absoluten Quanten in irgend einem Verhältnis stehen, welches nicht Messung oder Gleichheit zu sein braucht. Gewiss besteht zwischen der Dicke eines Eisenrohres und einer bestimmten Wasser- kraft keine Gleichheit und Messungsmöglichkeit; allein wenn beide integrierende Teile eines mechanischen Systems mit einem bestimmten Krafteffekt bilden, so kann ich, wenn eine gewisse Modifikation dieses letzteren gegeben ist, unter Umständen an der mir bekannt werdenden Änderung der Wasserkraft genau ermessen, welches der Durchmesser des in dem System verwendeten Rohres ist. So mögen Waren über- haupt und Geld überhaupt aneinander nicht messbar sein; es würde genügen, dass sie beide für das Leben des Menschen eine gewisse Rolle innerhalb seines praktischen Zwecksystems spielen, damit die quantitative Modifikation des einen den Index für die des anderen ab-
jenen allein interessierenden und deshalb allein bewuſsten Einzelgliedern den unbewuſst mitwirkenden Faktor, ohne den jene überhaupt nicht die Möglichkeit einer Beziehung hätten. Die ungeheure Wichtigkeit jener absoluten und fundamentalen Gleichung würde ihre Unbewuſstheit so wenig unwahrscheinlich, ja eigentlich gerade so wahrscheinlich machen, wie es entsprechend in den angeführten Analogien der Fall ist. —
Gewiſs würde unter Voraussetzung eines an sich wertlosen Geldes der einzelne Geldpreis ganz beziehungslos neben der Ware stehen, deren Wert er ausdrücken soll, wenn sich die Betrachtung auf diese beiden Momente beschränkte; man würde nicht wissen, woraufhin das eine Objekt einen um ein ganz Bestimmtes höheren oder niederen Preis bedingen sollte, als ein anderes. Sobald aber, als absolute Voraus- setzung dieser ganzen Relation, die Summe alles Verkäuflichen der Summe alles Geldes — in einem nachher zu erörternden Sinn der „Summe“ — äquivalent gesetzt wird, ergiebt sich die Preisbestimmt- heit jeder einzelnen Ware einfach als der Bruch zwischen ihrem Wert und jenem Totalwert, der sich als der Bruch zwischen ihrem Preis und dem Gesamtgeldquantum wiederholt. Dies enthält, worauf ich nochmals hinweise, keineswegs den Zirkel: daſs die Fähigkeit einer bestimmten Geldsumme, den Wert einer einzelnen Ware zu messen, auf das Gleichungsverhältnis alles Geldes mit allen Waren gegründet wird, dieses selbst ja aber schon die Meſsbarkeit des einen am anderen voraussetze; die Frage, ob jede Messung eine Wesensgleichheit zwischen dem Objekt und dem Maſsstab fordere, würde so freilich den konkreten Fall nicht mehr treffen, um aber an der Voraussetzung desselben ungelöst haften zu bleiben. That- sächlich indes ist eine Messung relativer Quanten daraufhin mög- lich, daſs ihre absoluten Quanten in irgend einem Verhältnis stehen, welches nicht Messung oder Gleichheit zu sein braucht. Gewiſs besteht zwischen der Dicke eines Eisenrohres und einer bestimmten Wasser- kraft keine Gleichheit und Messungsmöglichkeit; allein wenn beide integrierende Teile eines mechanischen Systems mit einem bestimmten Krafteffekt bilden, so kann ich, wenn eine gewisse Modifikation dieses letzteren gegeben ist, unter Umständen an der mir bekannt werdenden Änderung der Wasserkraft genau ermessen, welches der Durchmesser des in dem System verwendeten Rohres ist. So mögen Waren über- haupt und Geld überhaupt aneinander nicht meſsbar sein; es würde genügen, daſs sie beide für das Leben des Menschen eine gewisse Rolle innerhalb seines praktischen Zwecksystems spielen, damit die quantitative Modifikation des einen den Index für die des anderen ab-
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jenen allein interessierenden und deshalb allein bewuſsten Einzelgliedern
den unbewuſst mitwirkenden Faktor, ohne den jene überhaupt nicht
die Möglichkeit einer Beziehung hätten. Die ungeheure Wichtigkeit
jener absoluten und fundamentalen Gleichung würde ihre Unbewuſstheit
so wenig unwahrscheinlich, ja eigentlich gerade so wahrscheinlich
machen, wie es entsprechend in den angeführten Analogien der
Fall ist. —
Gewiſs würde unter Voraussetzung eines an sich wertlosen Geldes
der einzelne Geldpreis ganz beziehungslos neben der Ware stehen, deren
Wert er ausdrücken soll, wenn sich die Betrachtung auf diese beiden
Momente beschränkte; man würde nicht wissen, woraufhin das eine
Objekt einen um ein ganz Bestimmtes höheren oder niederen Preis
bedingen sollte, als ein anderes. Sobald aber, als absolute Voraus-
setzung dieser ganzen Relation, die Summe alles Verkäuflichen der
Summe alles Geldes — in einem nachher zu erörternden Sinn der
„Summe“ — äquivalent gesetzt wird, ergiebt sich die Preisbestimmt-
heit jeder einzelnen Ware einfach als der Bruch zwischen ihrem
Wert und jenem Totalwert, der sich als der Bruch zwischen ihrem
Preis und dem Gesamtgeldquantum wiederholt. Dies enthält, worauf
ich nochmals hinweise, keineswegs den Zirkel: daſs die Fähigkeit
einer bestimmten Geldsumme, den Wert einer einzelnen Ware zu
messen, auf das Gleichungsverhältnis alles Geldes mit allen Waren
gegründet wird, dieses selbst ja aber schon die Meſsbarkeit des
einen am anderen voraussetze; die Frage, ob jede Messung eine
Wesensgleichheit zwischen dem Objekt und dem Maſsstab fordere,
würde so freilich den konkreten Fall nicht mehr treffen, um aber
an der Voraussetzung desselben ungelöst haften zu bleiben. That-
sächlich indes ist eine Messung relativer Quanten daraufhin mög-
lich, daſs ihre absoluten Quanten in irgend einem Verhältnis stehen,
welches nicht Messung oder Gleichheit zu sein braucht. Gewiſs besteht
zwischen der Dicke eines Eisenrohres und einer bestimmten Wasser-
kraft keine Gleichheit und Messungsmöglichkeit; allein wenn beide
integrierende Teile eines mechanischen Systems mit einem bestimmten
Krafteffekt bilden, so kann ich, wenn eine gewisse Modifikation dieses
letzteren gegeben ist, unter Umständen an der mir bekannt werdenden
Änderung der Wasserkraft genau ermessen, welches der Durchmesser
des in dem System verwendeten Rohres ist. So mögen Waren über-
haupt und Geld überhaupt aneinander nicht meſsbar sein; es würde
genügen, daſs sie beide für das Leben des Menschen eine gewisse
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/119>, abgerufen am 27.11.2024.
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